Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku


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Ein Maimittwochabend

„Ihr kommt da dann aber nicht hin!“, sagte der kleine Herr Maus, als die Wilma-Nachricht mit der Einladung zu einer kleinen Fotoausstellung sowie gemeinsamem Grillen, Sauna und Schwimmen an einem Abend der geplanten dreitägigen Klassenfahrt ins Haus auf unsere Handys flatterte.

„Na gut, ihr könnt ruhig hinkommen. Aber ihr geht nicht in die Sauna!“, sagte der kleine Herr Maus eine Woche später, als er gehört hatte, dass die anderen Eltern auch hinkommen würden.

„Kommt ihr auch wirklich?! Ihr müsst unbedingt kommen!“, sagte der kleine Herr Maus gestern am Telefon, als er dem Ähämann mitteilte, dass die Speicherkarte seiner Kamera voll sei und dringend überspielt werden müsse, damit er weiter Fotos machen könne. („Ja, ihr könnt meinetwegen auch in die Sauna gehen. Aber seid nicht so peinlich!“)

Es war ein sehr netter Abend, und als der Ähämann und ich beim Rückweg über das weitläufige Lagergelände noch schnell einen Aussichtsturm bestiegen und vor uns die Abendsonne über dem Schärenmeer hing, rechts die Vögel ihren Abendchoral anstimmten, links die fröhlichen Stimmen der 6B aus dem Wald schallten und über allem der Duft von Maiglöckchen schwebte, da dachte ich wie so oft schon: man müsste nochmal Kind sein in Finnland…!

Kurz vor zehn waren wir wieder zu Hause, wo das Fräulein Maus und der grosse Herr Maus noch mit der Nachbarskinderschar draussen rumsprangen und sich folgender Dialog entspann:

Ich: „Fräulein Maus, du weisst, dass du Klausurenwoche hast, ja?!“
Fräulein Maus: „Ja natürlich! Ich hab‘ schon gelernt!“
Ich: „Aber du müsstest ins Bett! Es ist gleich um zehn!“
Fräulein Maus: „Waaaaas?! Ich dachte, es wäre um acht!“

Es gibt nichts Wunderbareres als diese Maiabende kurz vor den Sommerferien.


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Drei Wochen bis Sommerferien

Letzte Woche, als wir noch Daunenjacken, Mützen und Handschuhe trugen, war es schwer vorstellbar, dass in vier Wochen schon die Sommerferien anfangen sollten. Diese Woche ist es endlich warm geworden, und man kann dem Grün beim Explodieren zusehen.

Schule ist nur noch die lästige Beschäftigung, wegen der man sich früh aus dem Bett quälen muss, obwohl man abends erst halb elf ins Bett gegangen ist, weil man eher auch wirklich nicht ins Bett gehen kann, wenn die Sonne bis um zehn scheint und das Licht mit jeder Minute schöner wird.

Der Maiwahnsinn hat wieder präpandemische Ausmasse angenommen. (Mit dem Unterschied, dass die Kinder inzwischen weder überall hingebracht noch alle drei immer mitgeschleppt werden müssen.)

Zusätzlich hatten wir diese Woche eine Gastschülerin aus Deutschland. (Nicht die, bei der das Fräulein Maus vor drei Wochen war. Die kommt erst im August. Jetzt kam eine Musikklasse aus Freiburg zu Besuch.) Das war sehr nett – aber die Tage waren auch sehr voll, die Abende lang, und die Wecker klingelten ungewohnt zeitig, da die Gastschülerin offiziell mit der achten Klasse zur Schule ging, deren Unterricht um acht beginnt, während man als Gymnasiast*in in Turku eine halbe Stunde länger schlafen darf.

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Am Freitag feierten wir einen 15. Geburtstag. (Gerade erst wurde er drei!) Den Geburtstagsblumenstrauss konnten wir im Garten pflücken.

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Freitagabend um acht wurde auf unserer Strasse der letzte Schlusspunkt hinter den Winter gesetzt.

Erst kam der Wasserwerfer, dann die Riesenbürste, die die Splittschichten der vergangenen sieben Monate in die Mitte der Strasse bürstete, und dann der Splittsauger, der wie ein Staubsauger in grossen Schwüngen auf der Strasse hin und zurück ruckelte und zwischendurch dreimal zum auf der nächsten Strasse bereitstehenden LKW fuhr, um den eingesaugten Splitt auszukippen.

Dann kehrte wieder Ruhe ein, die Vögel sangen, die Abendsonne liess die hellgrünen Birkenblättchen leuchten, und der Sommer war da.

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Während sich gestern der Rest der Familie mit den Freiburger Gastschüler*innen und deren Turkuer Gastfamilien auf der Hausinsel zum Grillen, Schwimmen, Saunieren und gemeinsamen Abhängen traf, lief der grosse Herr Maus mit seinen Pfadfinderkumpels mit acht Kilo auf dem Rücken vierzig Kilometer vom Pfadfinderheim zu ihrem Mökki im nordwestlich von Turku gelegenen Nirgendwo – es ist so abgelegen dort, dass sie auf ihrem Marsch einem Wolf begegneten – um sich ein spezielles Pfadfinderabzeichen zu verdienen.

Nachdem wir auf dem Rückweg von der Hausinsel das Fräulein Maus und die Gastschülerin im Stadtzentrum, wo sie am Fluss zusammen mit den anderen ihren letzten gemeinsamen Abend verbringen wollten, aus dem Auto geworfen hatten, besorgten der Ähämann, der kleine Herr Maus und ich uns das obligatorische Sommerausflugseis und verspeisten es am neulich entdeckten Strand mit Aussicht. Dort wird gerade schon wieder das grösste Kreuzfahrtschiff der Welt gebaut.

(Es wird ein schwimmender Vergnügungspark für 8000 Leute, und man weiss nicht, ob man lachen oder weinen soll.)


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Wozu ein langes Wochenende auch gut ist

Gestern war solches Wetter, dass man keinen Fuss vor die Tür setzen wollte. Zum Glück.

Nächsten Sonntag ist nämlich zum ersten Mal seit vor der Pandemie wieder Pfadfinderparade, und erstens ist der grosse Herr Maus aus dem Pfadfinderhemd, dass er vor ca. dreieinhalb Jahren das letzte Mal gebraucht hat, längst rausgewachsen, und zweitens habe ich in den letzten drei Jahren aus Gründen dann auch einfach keine Aufnäher mehr angenäht, so dass ich gestern mehrere Stunden damit beschäftigt war, Aufnäher vom alten ans neue Hemd und ein Säckchen in den letzten Jahren verdiente neue Aufnäher überhaupt erstmal an das neue Hemd zu nähen.

Danke an dieser Stelle nochmal an alle Adventskalenderbesteller*innen; und das meine ich ganz unironisch, obwohl ich beim Annähen der letzten sechs Goldenen Wichtelabzeichen – zwei befinden sich auf dem Wölflingpullover in des grossen Herrn Maus‘ Erinnerungskiste – schon das eine oder andere Mal innerlich geflucht habe. Oben in der Mitte ist übrigens mein persönlicher Lieblingsaufnäher – den gab es für das selbstständige Abarbeiten einer ganzen Reihe von Fernpfadfinderaufgaben während des ersten Coronafrühlings.

Ausserdem mussten dringend zwei Maschinen Wäsche gewaschen werden. Erstens, weil der Dreckwäscheschrank wegen der aufgrund des Ausfalls zweier schwedischer Kernkraftwerke recht hohen Strompreise letzte Woche wirklich fast überquoll, und zweitens, weil man das natürlich nutzen muss, wenn man für den verbrauchten Strom auch noch bezahlt wird.

(Läuft ganz gut mit dem Börsenstrom.)

Den Rest des Tages habe ich mich einem Fotobuchprojekt gewidmet, das eigentlich schon längst überfällig ist. Andererseits ist keine Eile: Reisefotobücher bestelle ich irgendwann entweder mit einem der Geburtstagsfotobücher für die Kinder mit, um Versandkosten zu sparen, oder dann, wenn es ein überzeugendes Sonderangebot gibt. Die Kür unter den Fotobuchprojekten, sozusagen.


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neljäsataaseitsemänkymmentäkuusi

Gestern gingen der Ähämann und ich mit den passenderweise letzten zwei Eintrittskarten der 20er-Karte die Eisbadesaison abschliessen. Der Parkplatz war voll – auch eine 476 war da – denn die Sonne hatte viele Leute auf die Insel gelockt. Es war allerdings Beschisswetter samt wirklich unangenehmem Wind; nur das Wasser war mit 7,5°C schon wieder erstaunlich warm.

Auf dem Heimweg gingen wir noch schnell ein paar einzelne Lebensmittel einkaufen. Die Schnellkasse durften wir aber nicht benutzen, denn anlässlich des morgigen Feiertags hatten wir auch zwei Flaschen Sima – ein „alkoholisches“ Getränk mit einem Alkoholgehalt unter 0,7% (in Worten: nullkommasieben) – im Einkaufskorb. [Hier heftiges Augenrollen einfügen.]

Abends wurde gemeinsames Filmgucken gewünscht. Die Kinder sind jetzt alt genug, um mit uns nach und nach endlich mal alle die mittelalten deutschen Filme anzugucken, aus denen der Ähämann und ich gerne und oft zitieren. In den letzten Wochen haben wir schon Zugvögel, Vaya con Dios und Autobahnraser angeguckt. Gestern entschieden wir uns – als Vorbereitung auf die kommende Reise – für Im Juli.

Wir werden diesen Sommer nämlich auf fast der gleichen Route in den scheiss Süden, Mann! fahren.

Allerdings mit dem Zug.

[1-3, 4, 5, 6, 7, 8, 9-10, 11, 12, 13, 14, 15, 16-17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32-35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59-61, 62, 63, 64, 65, 66, 67-68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107-108, 109, 110, 111, 112-113, 114, 115, 116-117, 118, 119, 120, 121, 122-123, 124-130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139-140, 141, 142, 143, 144, 145, 146-147, 148-149, 150, 151, 152, 153-155, 156, 157, 158, 159-160, 161, 162, 163-164, 165, 166-167, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 192, 193, 194, 195, 196, 197-198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205-206, 207-208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 215-216, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224-225, 226, 227, 228, 229-230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 244, 245,246, 247, 248, 249-250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 268-269, 270, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 277, 278-279, 280-281, 282, 283, 284-285, 286, 287, 288, 289-290, 291, 292, 293-294, 295, 296, 297-298, 299, 300, 301, 302-303, 304, 305, 306, 307, 308, 309, 310-311, 312, 313, 314-315, 316, 317-318, 319, 320, 321-322, 323, 324, 325, 326, 327, 328, 329, 330, 331-332, 333, 334, 335, 336-337, 338, 339, 340, 341, 342, 343-344, 345, 346, 347, 348, 349, 350, 351, 352, 353-355, 356, 357, 358, 359, 360, 361, 362, 363, 364, 365, 366-367, 368, 369, 370, 371, 372, 373, 374-375, 376, 377-378, 379, 380-381, 382, 383, 384, 385, 386-387, 388-389, 390, 391-393, 394, 395, 396-397, 398-399, 400, 401, 402-403, 404, 405, 406-408, 409, 410-411, 412, 413, 414, 415, 416, 417, 418, 419, 420, 421, 422, 423-424, 425, 426, 427, 428, 429, 430, 431, 432-434, 435-436, 437-440, 441, 442-443, 444, 445, 446-447, 448, 449, 450-451, 452, 453, 454, 455-456, 457, 458, 459, 460, 461-462, 463-464, 465, 466, 467, 468-469, 470-471, 472-473, 474-475]


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Was in einen Donnerstag alles reinpasst

Am Morgen musste ich sämtliche Wollsachen wieder aus den Schränken holen. Beschisswetter vom Feinsten. Auch die Bäume zittern in ihren zartgrünen Spitzenkleidern.

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Kurz nach dem Vesper hatten wir einen halbstündigen Stromausfall im Hort, weil – so erfuhren wir später – ein LKW im nahegelegenen Strassentunnel von der Fahrbahn abgekommen war und dabei Stromkabel einer ebenfalls im Tunnel befindlichen Verteilerstation herausgerissen hatte. Man sollte meinen, dass wir nach dem Winter, in dem uns wöchentlich prophylaktische Stromsperren angedroht worden waren, vorbereitet gewesen wären – ich hätte damals gern irgendwelche hübschen Akkulampen für die fensterlosen Toiletten gekauft, was aber leider im Budget nicht vorgesehen war – allerdings war dann keine Taschenlampe auffindbar. Streichhölzer, Kerzen und eine Laterne aber fanden sich dort, wo ich sie zuletzt hingeräumt hatte. Es mussten dann plötzlich sehr viele Kinder sehr dringend aufs Klo.

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Nachrichten hätte ich mal lieber nicht gelesen. Kurz nach 14 Uhr verkündete der Wahlsieger, was wir seit vier Wochen geahnt und befürchtet hatten: man werde mit den Rechten Perussuomalaiset, der Partei der Finnlandschweden und den Christdemokraten – mit denen verglichen die deutsche CDU eine linksradikale Partei ist – Koalitionsverhandlungen führen. Es wird die rechteste Regierung werden, die Finnland je hatte. Prost Mahlzeit.

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Nach der Arbeit traf ich mich mit dem Ähämann beim Georgier, denn wir hatten Ausgehabend und fingen ihn angesichts unserer finnisierten Mägen im Restaurant an statt ihn, wie wir das früher gemacht hätten, dort zu beenden. Währenddessen radelte der kleine Herr Maus zur Vappudisco in der Schule, das Fräulein Maus traf aus Köln wieder ein und wurde netterweise von der befreundeten Deutschlehrerin heimgefahren, und der grosse Herr Maus hielt zu Hause die Stellung, um nicht nur der grossen Schwester die Tür zu öffnen, sondern auch dem besten ehemaligen – bald wieder derzeitigen! – Schulfreund des kleinen Herrn Maus, der versprochen hatte, das kaputte Modellflugzeug des kleinen Herrn Maus abzuholen und zusammen mit seinem Vater zu reparieren.

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Mit vollgefressenen Mägen radelten der Ähämann und ich zum Konzerthaus.

Ich kann alle sechs Teile von Smetanas „Mein Vaterland“ quasi mitsingen, habe es aber noch live gehört.

Deshalb wusste ich auch nicht, dass man dafür zwei Harfen im Orchester braucht. Die erste Harfe spielte die ehemalige Lehrerin der ehemaligen Harfenlehrerin des Fräulein Maus; sie guckte, als die Leute schon in den Saal strömten, kurz vom Stimmen auf, erspähte uns im noch spärlichen Publikum und winkte uns erstmal zu, und ich musste daran denken, wie das Fräulein Maus vor ein paar Jahren mit ihrer Klasse zu einem Schulkonzert gewesen war, bei dem man während des Konzerts im Orchester rumlaufen und den Musiker*innen über die Schulter gucken durfte, und es auch damals grosses Hallo zwischen der Harfenistin und dem Fräulein Maus gegeben hatte und sie dem Fräulein Maus in einer Pause gleich mal noch was zeigte, worüber sie Monate vorher zufällig mal gesprochen hatten. Auch die zweite Harfe kannten wir; das Fräulein Maus und sie hatten ein paar Jahre lang nämlich die selbe Lehrerin und sahen sich zu Gruppenstunden und auf Konzerten und haben schon zusammen gespielt, da konnte das Fräulein Maus gerade mal mit einem Finger an zwei oder drei verschiedenen Saiten zupfen. (Ja, das ist alles ein einziges grosses Dorf hier.)

Es war jedenfalls sehr, sehr schön, und als der letzte Teil zu Ende war, hätten sie meinetwegen gleich nochmal von vorn anfangen können.

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Im Abendsonnenschein radelten wir heim.

Das Fräulein Maus hatte fünf Streuselschnecken und einen halben Koffer voller unverzichtbarer Dinge aus Köln mitgebracht.

Ausserdem ist sie einen halben Meter gewachsen und sich jetzt sicher, dass sie in Deutschland studieren möchte. „Die sind da alle so wie ich…!“ sagte sie ebenso erstaunt wie glücklich. („Naja, Schule war nicht so toll. Und in Köln ist es furchtbar dreckig. Aber ich habe in den sechs Tagen mehr Freundinnen gefunden als in meiner ganzen Schulzeit. Und so viel gelernt!“) Bis kurz vor elf guckten wir noch Fotos.

(Zum Glück mussten wir uns danach nur für einen Schul- und Arbeitstag aus dem Bett quälen und können jetzt drei Tage lang ausschlafen.)


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Da waren’s nur noch zwei

Heute ist Kindergeldzahltag.

Es gab allerdings 133,79 € weniger als die letzten zwölfeinhalb Jahre, denn für das Fräulein Maus bekamen wir letzten Monat – dem Monat, in dem sie 17 wurde – zum letzten Mal Kindergeld. Was der Sinn hinter genau dieser Altersgrenze, zu der die meisten Jugendlichen ja doch noch bei ihren Eltern leben und grösstenteils noch kein eigenes Einkommen haben, ist, hat sich mir leider noch nicht erschlossen.

Reden wir überhaupt mal Tacheles über Einkommen, da sich ja hartnäckig das Gerücht hält, in den nordischen Ländern seien Löhne und Sozialleistungen generell höher als in Deutschland.

Das mag für Dänemark und Norwegen zutreffen, aber in Finnland sind sowohl das durchschnittliche Bruttogehalt als auch der an die Lebenshaltungskosten angepasste Durchschnittslohn geringer als in Deutschland. (Man wird allerdings für mein Empfinden hierzulande insgesamt fairer bezahlt – es gibt kaum Teilzeitjobs, keine menschenunwürdigen Sozialleistungen wie Hartz IV oder so einen Quatsch wie „halbe“ Stellen für Doktorand*innen.) Und um nochmal auf das Kindergeld zurückzukommen: für die offiziell noch zwei Kinder unserer Familie bekommen wir jetzt weniger Kindergeld als eine deutsche Familie für ein Kind: in Finnland gibt es für ein Kind 94,88 €, für zwei Kinder 199,72 €, für drei Kinder 333,51 € Kindergeld pro Monat. Insgesamt, nicht pro Kind. Könnt ihr euch mal auf der Zunge zergehen lassen.

Insgesamt gleicht es sich wahrscheinlich irgendwie aus: Kindergartenplätze sind nicht kostenlos, aber die Vorschule ist es. Schule ist inklusiver aller Schulmaterialien und eines warmen Mittagessens von der 1. Klasse bis zum Abitur komplett kostenlos. Facharztbesuche im öffentlichen Gesundheitssystem kosten irgendwas zwischen 30 und 40 € pro Termin, die Zuzahlung für Medikamente auf Rezept ist deutlich höher als in Deutschland, dafür zahlen wir lächerlich wenig für die Krankenversicherung. Bücher sind doppelt so teuer wie in Deutschland, dafür haben wir wunderbare und kostenlose Bibliotheken. [Liste kann beliebig fortgesetzt werden.]

Was natürlich trotzdem nichts an der Tatsache ändert, dass die Siebzehnjährige weiterhin ein Dach überm Kopf, Essen und Kleidung braucht und zum Strom- und Wasserverbrauch unseres Haushalts beiträgt. Zum Glück gibt’s diesen Monat eine Gehaltserhöhung. (Die allerdings zum Ausgleich der Inflation gedacht war. Aber tjanun.)


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neljäsataaseitsemänkymmentäneljä, neljäsataaseitsemänkymmentäviisi

Oder: was sonst noch so los war in den letzten beiden Wochen.

(Ausser dass ich eine 474 und eine 475 gesehen habe, beides völlig unspektakulär, aber längst überfällig.)

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Ein Loblied auf das finnische Gesundheitssystem.

Der kleine Herr Maus hat eine Brille bekommen.

Dass er ab und zu mit einem Auge schielt, besonders wenn er müde ist, haben wir schon bemerkt, als er noch im Hochstühlchen sass. (Der Ähämann schneller als ich, weil er damals links von ihm sass und ich rechts.) Es fiel auch in der Neuvola auf, woraufhin er eine Überweisung zum Augenarzt bekam, wo er zweimal innerhalb von zwei Jahren aufs Gründlichste durchgecheckt wurde – mit dem Ergebnis, dass er wie ein Adler sieht und durchaus das schielende Auge gerade zu halten in der Lage ist und wir uns einfach wieder melden sollen, falls das Auge doch irgendwann Probleme machen sollte.

Letzten Herbst klagte der kleine Herr Maus vermehrt über Kopfschmerzen und darüber, dass er nicht mehr richtig Noten lesen könne; vor allem bei den Orchesterproben am Abend sähe er oft nicht, auf welcher Linie die Note eigentlich sei. Ich rief in der Augenklinik an, die inzwischen mehrfach umstrukturiert worden war, weshalb man mir erst freundlich eine neue Telefonnummer gab, dort dann trotzdem des kleinen Herrn Maus‘ alte Patientendaten fand, sich aber herausstellte, dass seit dem letzten Besuch mehr als fünf Jahre vergangen seien und wir deshalb eine neue Überweisung bräuchten, die ich entweder aus der Poliklinik oder aus der Schule bekommen könne. Ich entschied mich für einen unkomplizierten Anruf bei der Schulschwester. Sie gab uns einen Termin eine Woche später beim Schularzt, der stellte umgehend die Überweisung – mit der man nirgends hindackeln muss, sondern die automatisch an die entsprechende Stelle geht, die dann per Brief einen Terminvorschlag schickt – aus, und vier Wochen später hatte er einen Termin in der Augenklinik. Die Augenärztin bestätigte die Dringlichkeit der Angelegenheit, und der kleine Herr Maus ging von diesem ersten Termin mit einer Leihbrille mit aufgeklebtem Prisma nach Hause. In den folgenden zwei Monaten ging er noch zweimal hin, um von einer auf Augenkrankheiten spezialisierten Krankenschwester jeweils ein stärkeres Prisma aufgeklebt zu bekommen. Zwei Wochen später wurden wir jeweils von ihr angerufen, um zu berichten, wie es ihm mit der neuen Prismenstärke geht, um die möglichst passendste Stärke zu ermitteln, und vor drei Wochen bekam er dann per Post ein Rezept für eine Brille mit eingeschliffenen Prismen (plus eine Liste mit Optikern, zu denen wir dafür gehen könnten und wo wir für die Brille dann auch gar nichts – ausser der Differenz zwischen dem im Rezept enthaltenen und dem vom kleinen Herrn Maus ausgesuchten Gestell – bezahlen mussten).

Eventuell kommt noch eine geringfügige Rechnung für den einen Augenarztbesuch, vielleicht auch nicht – da hier im Januar die Verwaltung des Gesundheitssystems umstrukturiert wurde, geht gerade alles ein bisschen drunter und drüber – aber so oder so kann man nicht meckern über Effizienz, Qualität, Freundlichkeit und Preis-Leistungs-Verhältnis des öffentlichen Gesundheitssystems.

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Finnischer Speedfrühling.

Als wir von der Osterreise zurückkamen, war wundersamerweise der ganze viele Schnee von Ende März verschwunden. Früh gibt es zwar noch Frost, aber nachmittags klettern die Temperaturen auf mindestens 12 Grad, oft auch schon auf 16 oder 17 Grad. Die Krokusblüte war deshalb ein kurzes Vergnügen dieses Jahr: nach dem ersten warmen Nachmittag lagen sie hitzetot auf dem Boden. Dafür stehen die Blatt- und Blütenknospen sämtlicher Laubbäume in den Startlöchern; sie brauchen nur noch einen winzigen Schubser, dann platzen sie auf. Die Parks sind blau von Blausternen und die Wälder lila von Leberblümchen.

Am Sonntag sahen wir, was den finnischen Speedfrühling sehr schön illustriert: den ersten Huflattich und das letzte Eis einträchtig nebeneinander.

(Zwei Wochen vorher haben wir die letzte Skitour gemacht.)

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Sandsturmzeit.

Wie jedes Jahr ist diese Jahreszeit, vor allem nach schneereichen Wintern, keine Zeit der ungetrübten Freude: die Augen jucken nicht nur von Birken- und Weidenpollen, sondern auch von den Sandwolken, die durch die Strassen wabern. Zum Fahrradfahren wünschte ich mir manchmal FFP2-Maske in Kombination mit Taucherbrille (wenn ich damit noch genügend Luft bekäme). Deshalb jedes Jahr sehnlichst erwartet: die Strassenwaschautos. Heute war es endlich soweit.

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Draussentrockensaison.

Die letzten fünf oder sechs Waschmaschinenladungen durften auch schon draussen trocknen. (Ich habe es es sogar – zufällig – geschafft, keine Wäsche draussen hängen zu haben, als die Kehrmaschine kam.) Nachdem ich heute früh 21 Sockenpaare auf die Leine geklammert hatte, erinnerte ich mich daran, wie ich vor sechs oder sieben Jahren auf Instagram mal ein Foto von Socken auf der Leine gezeigt hatte und alle so „Ah!“, „Oh!“, „So schön bunt!“ sagten, man sich aber gleichzeitig einig war, dass es damit spätestens dann, wenn die Mäusekinder Teenager wären, vorbei wäre. Tjanun.

(Alle Sockenpaare ausser den Ringelkniestrümpfen ganz rechts – das sind meine – von den Herren Maus.)

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Eispreis 2023.

Eine Kugel Eis oder ein Softeis kosten dieses Jahr in Turku 4,20 €.

(Ihr mich auch…!)

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Die Rettung der Rhabarberlimo.

Der Sommer kann kommen, denn ich habe meine estnische Lieblingsrhabarberlimo wieder. Fast hatte ich mich schon von ihr, nachdem es sie erst nur noch in ausgewählten Läden und später überhaupt nicht mehr gab, verabschiedet. Bis wir letzte Woche herausfanden, dass man in Estland neuerdings mehrere Limosorten – auch die Lieblingslimo der Kinder, auch meine Zweitlieblingslimo – als Sirup kaufen kann.

Sie selbst zusammenzumischen spart nicht nur Geld, sondern vor allem – und das ist in unserem Fall ja besonders wichtig – Platz und Gewicht beim Transport. Grossartige Sache!

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Kinderarbeit.

Der Terrassentisch ist dann demnächst auch wieder sommerfein.

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Kinderarbeit (2).

Wie alle Achtklässler hat der grosse Herr Maus diese Woche Arbeitslebenschnupperwoche. Nachdem es mit dem Praktikum im Autohaus nicht geklappt hat, arbeitet er jetzt in seinem ehemaligen Kindergarten. Grosses Hallo und Grüsse-hin-und-her-schicken von beiden Seiten.

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Falsche Hoffnungen.

Das Fräulein Maus ist heute mit ihrem Deutschkurs für eine Woche zum Schüleraustausch nach Köln geflogen. Statt des erwarteten sommerlichen Wetters ist es dort zur Zeit nicht nur nasser, sondern auch kälter als in Südwestfinnland.

Wir kennen dieses Problem leider schon länger.

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Palmsonntag 2023

Was macht man, wenn man eigentlich zu alt ist, um zu Palmsonntag verkleidet um die Häuser zu ziehen, geschmückte Weidenzweige zu verteilen und zum Dank Schokoladeneier einzuheimsen?

Man lädt sich eine Alibihexe ein. ♥

Was seit Corona auch gut geht: „Bitte nicht klingeln, wir sind krank.“ Darunter eine Vase für die Zweige und eine Schüssel mit Schokoladeneiern zur Selbstbedienung.


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Kerzen, viele

Letztes Wochenende gab es bei uns eine grosse Party.

Das Fräulein Maus wurde am Sonntag 17 (Siebzehn!) und feierte rein, weswegen diesmal immerhin nur die Hälfte der Gäste schon um dreiviertel zehn das Fest verliess. (Die anderen wurden nach Mitternacht entweder abgeholt, vom Ähämann heimgefahren oder blieben zum Übernachten.)

Offensichtlich ist es hierzulande nicht nur aussergewöhnlich, dass wir davon ausgehen, dass eine Geburtstagsparty in dem Alter eben so lange dauert, wie sie dauert, sondern auch, dass sie mit so viel offenem Feuer Kerzen verbunden ist: Kerzen als Tischdekoration, 17 Kerzen plus Tischfeuerwerk auf der Torte um Mitternacht, 17 Kerzen am Sonntagvormittag auf dem Geburtstagstisch und nochmal 17 Kerzen auf der Geburtstagstorte zum Frühstück.

Kerzen nämlich. Als das Fräulein Maus knapp einjährig im Kindergarten anfing, gab es da noch einen gemeinsamen Montagmorgenkreis, der immer mit dem Anzünden einer Kerze im ansonsten dunklen Flur und dem Singen eines Liedes anfing. Das hörte mit dem Umzug des Kindergartens in ein dreimal so grosses Gebäude auf. Die ersten Jahre gab ich den Kindern noch Geburtstagskuchen mit Kerzen drauf mit in den Kindergarten, bis mir gesagt wurde, sie dürften keine echten Kerzen mehr benutzen. Wenn wir im Hort in der Adventszeit mal eine Kerze anzünden, gibt es neuerdings Kinder, die schon fast panisch werden deswegen. Als im Herbst angekündigt wurde, dass es diesen Winter zu kurzzeitigen Stromsperren kommen könne und man vorbereitet sein solle, waren nicht etwa Kerzen ausverkauft, sondern Batterien und Taschenlampen.

Und so gab es nicht nur grosses Ah! und Oh! für das (in Estland erworbene) Tischfeuerwerk, sondern auch ein kleines Grüppchen Sechzehn- und Siebzehnjähriger, das den halben Abend neben dem Tisch stand und fasziniert die Finger immer und immer wieder durch die Kerzenflammen zog.


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Doppelfeiertag

„Wenn ich auf die Musikklasse komme, dann essen wir Torte zum Abendbrot. Und wenn nicht, dann gibt es eben nur Stulle“, erklärte der sehr hibbelige kleine Herr Maus letzte Woche.

Es gab dann vorgestern doch Torte.

Und zwar nicht nur die Frauentagstorte, die der Ähämann dem Fräulein Maus und mir samt zwei Blumensträussen früh hingestellt hatte, bevor er zur Arbeit gefahren war.