Achtung, rasende Rentner!
Monatsarchiv: August 2013
satakahdeksantoista
Ziemlich genau an der Stelle, an der uns letzte Woche die 115 überholt hat, kam gestern früh ein Auto mit dem schönen Kennzeichen OPI-118 gefahren. Sass auch ein Opi drin.
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satakuusitoista, sataseitsemäntoista
Mit der 116 und der 117, das war also so:
Weil letztes Wochenende nämlich für dieses Jahr die letzte Gelegenheit dazu war – fährfahrplanmässig; und wettermässig vielleicht auch, denn jetzt kann ja jeder Tag der letzte Sommertag gewesen sein – sind wir endlich mal wieder die komplette Schärenringstrasse gefahren.
Wir fuhren mit neun verschiedenen Fähren – und gleich in der Warteschlange zur ersten stand die 116 hinter uns! – gelben, blauweissen, alten, neuen, mit manchen nur zwei Minuten, mit der längsten eine knappe Stunde. (Und wir rollten mit den Augen, als uns das deutsche Radlerehepaar, das wir auf dem Zeltplatz trafen, erklärte, sie führen jetzt zurück, denn die nächste Fähre müsse man ja bezahlen („Fünfzehn Euro pro Radfahrer!“) – statt zu sagen: „Toll, Mensch, alle anderen acht Fähren kostenlos!“)
Wir erkletterten gewaltige 45m hohe Berge, stiegen auf mehrere Aussichtstürme und liessen fasziniert den Blick schweifen über Wald und Wasser bis zum Horizont.
Wir ärgerten uns, dass die tolle Kneipe auf Björkö, wo es das beste Steak weit und breit gibt – wie überhaupt fast sämtliche Gastronomie – schon wieder geschlossen hatte. Nach finnischer Definition ist ja der Sommer vorbei… Aber letztendlich war es gut so, dass wir uns nicht die Mägen schon vollgeschlagen hatten, denn als wir auf dem Zeltplatz in Mossala ankamen – wo schon die 117 auf dem Parkplatz stand – wurden wir begrüsst mit der Information, sie hätten diesen Sommer einen Koch aus St. Petersburg und dieses Wochenende „Russische Tage“. Wir sassen im Abendlicht auf der Terrasse am Hafen und frassen uns bis zum Sonnenuntergang durch die halbe Speisekarte (Pelmeni! Soljanka!) und die ganze Nachspeisenkarte (Honigkuchen! Palatschinken! Kirschtorte!). Habe ich, bevor wir nach Finnland zogen, eigentlich auch so viel übers Essen geredet?!
Wir schliefen eine Nacht im Zelt. Ich war glücklich, abends nicht noch nach Hause zu müssen von so einem wunderbaren Ort. Die Kinder waren ganz aus dem Häuschen, dass sie mitten im Sommer ihre Wolloveralls anziehen durften. Denn: nachts ist hier schon sehr Herbst.
Wir entdeckten ein kleines Kirchlein auf Iniö, mit einem Friedhof, auf dessen Grabsteinen ausschliesslich schwedische Namen zu lesen waren, und vor dem es so idyllisch war, dass wir eine ganze Stunde einfach dort sitzen blieben, statt noch den Lehrpfad zu besuchen.
Wir machten dort Mittag mit Butterbrötchen und Kakao aus dem Tetrapack. Die Kinder pflückten Löwenzahnblätter für die Hasen, bei denen wir vor zwei Wochen schon gewesen waren und die sie auf dem Rückweg nochmal kurz besuchen wollten. Die Hasen gehören zu einem kleinen Handwerkerdorf – dessen grösste Werkstatt übrigens eine Töpferei ist, für die ich vor Jahren übersetzt habe.
Da draussen, auf dem Meer, im Wald, in der Stille der winzigen Dörfer, in der Mittagshitze, da waren sogar das Gerumpelstilze des rekonvaleszenten grossen Herrn Maus und der Gedanke an den nahenden Winter erträglich.
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Wissenschaftlerkind
„So, kleiner Herr Maus“, sagt der grosse Herr Maus, „ich hole jetzt Wasser. Und jetzt rühren wir da Sand rein. So. Gut umrühren! Jetzt ist fertig. Und jeeeetzt…“ – der grosse Herr Maus schippt kleine Häufchen Matschepampe rund um den Sandkasten – „verteilen wir die Fuchskacke hier für die Eichhörnchen. Und morgen früh…“ verkündet er grinsend, „gucken wir nach, ob alles geklappt hat!“
(Ich mache es ein bisschen anders, ehe sich noch jemand ganz furchtbar ekelt hier. Aber das Grundprinzip hat er begriffen.)
((Den Rest des Tages hat er gerumpelstilzt. Vielleicht sollte ich ihn demnächst mit dem Schreiben (m)eines Forschungsantrags beauftragen statt so Lappalien wie das Wegräumen seines Fahrrads oder Händewaschen nach dem Klo von ihm zu fordern.))
sataviisitoista
Am Freitag habe ich seit langer Zeit mal wieder den Fahrradanhänger aus seiner Faltgarage gepellt und die beiden Herren Maus damit befördert. Der grosse Herr Maus hatte nämlich am Tag zuvor gefiebert und war noch ein bisschen schwach, aber ich wollte gern kurz auf Arbeit vorbei, und zwar ohne Auto. Der kleine Herr Maus tauschte bereitwillig das Laufrad gegen einen Sitzplatz im Anhänger, und nachdem wir ihn im Kindergarten abgeliefert hatten, fuhren der grosse Herr Maus und ich weiter Richtung Uni. Und gleich überholte uns eine 115!
Der grosse Herr Maus hat mir dann sehr stolz beim Vorbereiten eines Experiments geholfen, meinen Arbeitsplatz begutachtet und mir erstmalig einen Besuch im kleinen Tiermuseum gleich auf der anderen Seite des Treppenhauses verschafft, wo er begeistert ausgestopfte Mäuse, präparierte Fische, Skelette von Hasen, ganz winzige Käfer und riesige Libellen begutachtete.
Freitagabend war er wieder ganz gesund, so dass wir am Wochenende die 116 und die 117 sehen konnten. Aber das erzähle ich ein andermal.
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Espoo
Es war sowas wie Liebe auf den ersten Blick: das Fräulein Maus und das Mädchen mit den lustigen Zöpfen und den blitzenden Augen. Sie erledigten alle Vorschulaufgaben gemeinsam, sie spielten einträchtig zusammen. Sie machten so viel Quatsch miteinander, dass sie manchmal beim Basteln oder beim Essen an getrennte Tische gesetzt werden mussten. Sie umarmten sich früh, wenn sie im Kindergarten ankamen, und nachmittags, wenn sie sich verabschiedeten. Sie wünschten sich nichts sehnlicher, als in eine Klasse zu kommen. Im Mai, noch vor Ende der Vorschule, brach das Mädchen mit den lustigen Zöpfen und den blitzenden Augen mit ihrer Familie zu einer grossen Reise auf, nach Afrika, in die Wüste, zu ihren Verwandten. Vielleicht – so vermuteten wir – nach Somalia, in die Heimat ihrer Eltern, vielleicht – so hofften wir – auch in ein weniger gefährliches Land; genauer wussten wir es nicht. Das Fräulein Maus vermisste sie vom ersten Tag an, aber im Kindergarten hatten ihr alle versichert, wenn die Schule anfinge, dann sei das Mädchen mit den lustigen Zöpfen und den blitzenden Augen wieder da, und sie seien dann in der gleichen Klasse.
Das Fräulein Maus wartete geduldig. Je näher der Schulbeginn rückte, desto öfter seufzte sie nach dem Mädchen mit den lustigen Zöpfen und den blitzenden Augen. „Wenn sie doch nur schon wieder da wäre! Wenn doch die Schule schon angefangen hätte!“
Zwei Wochen vor Schulbeginn schrieb ich der Mutter des Mädchens mit den lustigen Zöpfen und den blitzenden Augen eine SMS, ob sie denn schon zurück seien, und ob das Mädchen mit den lustigen Zöpfen und den blitzenden Augen nicht mal zu uns zum Spielen komme wolle, das Fräulein Maus hätte so grosse Sehnsucht. Keine Antwort. Vielleicht sind sie noch nicht wieder zurück, erklärte ich dem Fräulein Maus.
Am ersten Schultag standen alle Erstklässler wartend vor der Schultür. Das Fräulein Maus nicht. Sie stand am Zaun und hielt Ausschau nach dem Mädchen mit den lustigen Zöpfen und den blitzenden Augen. „Wann kommt sie denn endlich?!“ Das wiederholte sich jeden Morgen. Für das Mädchen mit den lustigen Zöpfen und den blitzenden Augen war ein Garderobenhaken vorgesehen, ein Hausschuhfach, ein Pult. Niemand schien zu wissen, wo sie war und warum sie nicht kam. Ich fing an, mir Sorgen zu machen. Am dritten Schultag versuchte ich, ihre Mutter anzurufen. Sofort sprang die automatische Ansage an: „Der Teilnehmer ist zur Zeit nicht erreichbar.“ Es liess mich nicht los. Wenn ihnen was passiert war? Oder wenn sie beschlossen hatten, doch nicht wieder nach Finnland zurückzukehren? Was würde aus dem Mädchen mit den lustigen Zöpfen und den blitzenden Augen werden? Würde sie zur Schule gehen können? Würde sie das Fräulein Maus auch vermissen? Hätte sie Sehnsucht nach Finnland? Wie kann man in der Wüste leben, wenn man die ganzen sieben Jahre seines Lebens in Finnland verbracht hat? Wer hat denn auch so eine Schnapsidee, mit vier kleinen Kindern nach Somalia zu reisen?!
Ich versuchte, das Fräulein Maus zu beruhigen, und sie gleichzeitig schonend darauf vorzubereiten, dass das Mädchen mit den lustigen Zöpfen und den blitzenden Augen vielleicht doch nicht wiederkäme. „Aber bei ihnen in der Wohnung hängen doch noch alle Gardinen! Und das hätte sie mir doch gesagt, wenn sie umziehen wollten!“
Vorgestern rief ich wieder an. Es klingelte. Was war ich erleichtert! Es klingelte lange. Dann ging die Mutter des Mädchens mit den lustigen Zöpfen und den blitzenden Augen ran. Ich war so erleichtert, dass ich gar nicht wusste, was ich jetzt sagen sollte. Ob alles in Ordnung wäre. Dass das Fräulein Maus ihr Mädchen so schrecklich vermisst habe. Dass sie doch in einer Klasse wären, und dass wir uns Sorgen gemacht hätten, weil das Mädchen mit den lustigen Zöpfen und den blitzenden Augen nicht aufgetaucht sei. Ja, sie seien verreist gewesen, den ganzen Sommer, sagte die Mutter, aber jetzt seien sie wohlbehalten zurück. Aber sie seien nach Espoo gezogen, und das Mädchen mit den lustigen Zöpfen und den blitzenden Augen ginge jetzt dort zur Schule.
Ich war so unendlich erleichtert – und so unendlich traurig und sauer. Espoo, Mensch!
In Finnland ist das ja genauso wie anderswo auch: die Leute ziehen vom Land in die Städte. (Und dann wieder raus aus den Städten in deren Umland, bis die einst so idyllische Insel nur mehr ein dicht bebauter und geschäftiger Vorort der Stadt ist. Aber das ist ein anderes Thema…)
Sie ziehen aber nicht in eine der Handvoll grossen (naja…) finnischen Städte, sondern die meisten Leute ziehen in die Hauptstadtregion. Nicht nur vom Land, sondern auch aus den anderen Städten. Dahin, wo’s die meisten Jobs gibt, eben.
„Hauptstadtregion“ deshalb, weil „Helsinki“ falsch wäre. Helsinki ist Hauptstadt, hübsch, zum Repräsentieren – aber die Jobs, und die grossen Wohnsiedlungen, die gibt’s in Vantaa und Espoo, zwei Städten, die nahtlos an Helsinki anschliessen und eher wie Vororte von Helsinki wirken. In Espoo vor allem.
Ich weiss schon gar nicht mehr, von wie vielen Leuten ich in den letzten Jahren gehört habe: „Wir ziehen nach Espoo…“ Seufzend von den meisten. Manche gingen nur der Arbeit wegen da hin und behielten ihre Turkuer Wohnung und pendelten lieber jeden Tag zwei Stunden. Andere zogen zähneknirschend in ein Wohnsilo mit Ausblick auf genau gar keinen Baum. Espoo hat Freunde verschluckt und Freunde von Freunden und Arbeitskollegen und Bekannte, und jetzt auch noch die erste richtige Freundschaft des Fräulein Maus.
„Ist Espoo weit weg?“ fragte das Fräulein Maus, bemüht, nicht zu weinen. „Kann sie dann trotzdem zu uns in die Schule kommen?“
Wenn es nicht doof wäre, auf eine Stadt sauer zu sein, dann hätte es Espoo bei mir echt verschissen.
Und dann kommt diese Finnlandschwedin aus Espoo daher und sagt: „Hochhäuser?! In Espoo gibt es doch überhaupt keine Hochhäuser! Ich zum Beispiel habe ein Haus von meinem Opa geerbt, in den Schären, hier, ich zeig‘ dir mal den Blick aus unserem Wohnzimmerfenster!“
Ich geh‘ mal davon aus, dass das Mädchen mit den lustigen Zöpfen und den blitzenden Augen, ihre Eltern, ihre zwei Brüder und die Babyschwester nicht allabendlich das Meer an den Steg plätschern und die Sonne hinter der nächsten Insel untergehen sehen werden.
Erziehung, richtige
Ich gestern so zum kleinen Herrn Maus, der seinen eigenen Willen zur Abwechslung mal mitten auf der Kreuzung demonstrieren möchte und samt Laufrad störrisch da steht: „Bla…bla… gefährlich… bla… bla… da nehmen wir morgen wieder den Fahrradsitz!“
Der grosse Herr Maus, der auf der anderen Seite brav mit seinem Rad am Strassenrand wartet und sich das Theater ansieht, daraufhin zu mir so: „Mama! Das kannst du nicht machen, den Sitz nehmen! Da lernt der kleine Herr Maus ja nie, wie man sich im Strassenverkehr richtig verhält!“
Sonne für alle
sataneljätoista
Heute keine Geschichte zum Kennzeichen, sondern eine Frage: gibt es bei WordPress eine Einstellung, mit der ich Pingbacks auf eigene Einträge unterdrücken kann? Wenn das nämlich mit dem Kennzeichenfinden jetzt so rasant weitergeht und ich bald hunderte Rückverweise auf vorherige Kennzeichengeschichten manuell löschen muss, dann hab‘ ich bald keine Zeit mehr, auch noch über was anderes zu schreiben. Und das wär‘ ja langweilig.
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Neuland
„Und wer ist denn zum ersten Mal Vater oder Mutter eines Schulkindes?“ fragte die Lehrerin letzten Dienstag in die Runde, nachdem sie die wartenden Kinder gefragt hatte, wer denn heute zum ersten Mal in die Schule komme. Dann sagte sie lächelnd zu dem kleinen Häuflein Erwachsener, das die Hände gehoben hatte: „Ihr seid bestimmt aufgeregter als eure Kinder.“ Worauf wir Neuschulkindeltern alle nickten.
Die erste Woche mit dem ersten Schulkind war dann auch ein bisschen wie die erste Woche mit dem ersten Neugeborenen.
Aufregend. Toll. Rührend.
Und so ein bisschen von Unsicherheit geprägt: theoretisch weiss man ja, was auf einen zukommt – nur praktisch ergaben sich jeden Tag neue Fragen: Wann muss das Schulkind das Haus verlassen, damit es nicht zu spät kommt, aber auch nicht ewig vor der Schule rumstehen muss? Darf es mit dem Fahrrad fahren? Wie kleide ich denn nun das Kind am günstigsten, das alle Pausen und den Nachmittag draussen verbringen wird, aber kein Matschklamottenfach mehr in der Schule hat? Fährt die Klasse geschlossen in die grosse Schule zum Sportunterricht, oder geht jedes Kind direkt von zu Hause hin? Und was bloss ziehe ich dem Kind dafür an?
Während ich mit meinen Neugeborenenfragen seinerzeit in Büchern blätterte und mich in Babyforen herumtrieb, logge ich mich jetzt mindestens einmal täglich im „Wilma“, einem Onlineportal für Schüler, Eltern und Lehrer, ein – und jedes Mal ist meine Frage für den nächsten Tag schon beantwortet, ohne dass ich sie ausgesprochen hätte. Über „Wilma“ haben wir das Fräulein Maus im Januar in der Schule angemeldet, und jetzt finden sich da ihr Stundenplan, ihre Hausaufgaben, offizielle Schulmitteilungen und Nachrichten von ihrer Lehrerin. Selber Fragen an die Lehrerin stellen könnte ich da auch – das war aber dank des bisher wirklich alles abdeckenden Informationsflusses aus der Schule überhaupt nicht nötig.
Vorbereitungen für die Schule waren irgendwie auch keine zu treffen. (Das ist so ähnlich wie mit der Klinikliste für die Entbindung: „Mutterpass und Zahnbürste“ stand da damals drauf. Und mehr hätte man auch wirklich nicht gebraucht.) Auf Materiallisten über zehn verschiedene Hefte mit fünf verschiedener Linierung, eingeschlagen in acht verschiedene Farben, über zwanzig Buntstifte der Marke sowieso, einen Malkasten bitte der Marke sowieso und einen Bleistift, aber nur Stärke XY, kann ich ja gern verzichten – aber vorher schon mal ein bisschen in die Schulbücher linsen und mit dem Schulkind ein klitzekleines bisschen Schulbedarf besorgen, das hätte ich schon ganz gern gemacht. Viel werde ich wohl auch weiterhin nicht von den Schulbüchern des Fräulein Maus zu sehen bekommen, da diese, wenn sie nicht zu Hause gebraucht werden, in der Schule bleiben, und das Fräulein Maus ihre Hausaufgaben im Hort macht. Ich weiss aber, dass sie am zweiten Tag schon kleine Lese- und Rechenaufgaben gelöst haben, statt Einsen und As zu malen. Ein Hoch auf die Vorschule!
Die Frage „Was soll das Kind essen?“ war auch fast so leicht gelöst wie beim Neugeborenen. Allmorgendliches Brotbüchsenbereiten fällt sehr zu meiner Erleichterung auch weiterhin aus. Frühstücken können wir locker (und spät genug) alle gemeinsam vor der Schule, und dreiviertel elf gibt es schon Mittagessen in der Schule. Das Aufregendste am ersten Schultag war übrigens: „Ich durfte mir mein Essen selbst auftun!“
Sogar mehr Zeit haben wir früh wieder: Schule beginnt erst um neun. Und Schulbeginn heisst: um neun werden die Schüler hereingerufen, ziehen sich um und begeben sich ins Klassenzimmer. Nicht: Punkt neun sitzen alle in Habachtstellung an ihren Plätzen. Theoretisch geht also das Fräulein Maus jetzt als letzte aus dem Haus. Und zwar allein. Sie hat einen eigenen Schlüssel ausgehändigt bekommen, hat uns zum ersten Mal vom eigenen Handy aus angerufen und besteht darauf, auch allein aus dem Hort heimzugehen, obwohl ich zur gleichen Zeit ungefähr ja auch die beiden Herren Maus abholen muss.
Sie ist ja jetzt ein Schulkind! ♥