Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku


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Zeig uns deine Stadt!

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März: Dem Frühling auf der Spur!

Als die Shootingqueens das März-Monatsthema bekanntgaben, musste ich ja erstmal laut lachen. „Erste blühende Bäume“? Ja, sicher. In zwei Monaten dann.

Denn normalerweise sieht es bei uns im März so aus: blauweiss. Und genau das ist für mich seit meinem allerersten finnischen Frühling der Frühling: egal, ob noch ein halber Meter Schnee liegt, egal, ob nachts noch 15 Grad Frost herrschen – die Sonne scheint! So hell! So viel Licht!

Dieses Jahr ist hier der Frühling ja fast zwei Monate zeitiger gekommen. Deswegen gibt es in diesem Jahr Märzbilder, wie man sie normalerweise hier erst Ende April sieht, wenn der finnische Frühling schon fast Sommer ist.

Frühling (nach mitteleuropäischen Massstäben) in Turku jedenfalls heisst:
Die Strassen werden gewaschen. Blendend blauen Himmel gibt’s auch noch nach Feierabend. Die ersten wilden Blümchen blühen. Die Möwen sind wieder da. Man kann schon mal versuchen (in Decken gehüllt) draussen zu sitzen. Und: die ganze Theaterbrücke ist mit Narzissen bepflanzt.

Dieses Jahr schon im März.

(„Zeig uns deine Stadt“ ist ein Fotoprojekt von den „Shootingqueens“.)


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Sonntagabendstau

Was wir nicht bedacht hatten: offensichtlich hat dank des zeitigen Frühlingseinbruchs auch die Mökkisaison schon angefangen – während die Autofähre weiterhin nach Winterplan verkehrt.

Als wir gestern nach absolvierter Wanderung unsere hungrigen Mägen in Nauvo wieder aufgefüllt hatten (und ich möchte mir jetzt besser nicht ausmalen, wie es uns ergangen wäre, wenn wir uns für die Option „Ach, lass uns doch zu Hause was kochen!“ entschieden hätten) und gegen halb acht im Abendsonnenschein die Heimfahrt antraten, da gingen wir fest davon aus, dass der grösste Sonntag-Rückreise-Ansturm auf die Fähre schon vorbei wäre.

Wir versuchten uns sogar noch zu erinnern, wann denn die nächste Fähre fahrplanmässig fahren müsste, und ob wir wohl gerade richtig kämen oder vielleicht einen knappe halbe Stunde warten müssten – da mussten wir schon scharf bremsen: wegen der einzigen Art Stau, die es in Finnland ausserhalb von Ring III gibt.

Zwar flog fuhr „Sterna“ schon längst nicht mehr nach Fahrplan, sondern non-stop von einem Ufer zum anderen, aber eben allein auf weiter Flur (während im Sommer bis zu drei Fähren gleichzeitig hin und her fahren), und, weil Autos ja immer schwerer werden, auch nur mit einer (von möglichen zwei) heruntergelassenen Autobalustraden. Alle zwanzig Minuten rückten wir ein Stückchen der letzten zwei Kilometer bis zur Fähranlegestelle vor. Ab und an brauste ein Auto mit rotem Schild auf der linken Fahrspur vorbei. Das Kaffeebüdchen kurz vor der Anlegestelle hatte noch auf und machte kräftig Einnahmen. Munkki war schon alle, aber Kaffee und Eis gab’s noch und wurde reichlich aus dem Büdchen heraus und an der Autoschlange entlanggetragen. Ab und zu ging sich jemand die Beine vertreten. Keiner meckerte.

Nach knapp zwei Stunden Warterei passte der Herr Picasso als vorvorvorletztes Auto noch auf die Fähre. Überall blinkerten schon die Seezeichen rot und grün und weiss.

Bis wir zu Hause ankamen, waren alle drei Kinder eingeschlafen. Eins wollte dann nicht mal mehr ins Bett.

Unsere Kinder sind auch die, die montags meist bereitwillig Mittagsschlaf im Kindergarten machen…


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Ein Berg!

Gestern sind wir auf einen gewaltigen Berg gestiegen. 60 Meter hoch! Seeeechzig!

Aber die Aussicht vom ersten Punkt, der nach der Eiszeit von der übernächsten Nachbarinsel wieder aus dem Wasser aufgetaucht ist, die kann mit einer von einem Dreitausender durchaus mithalten…

Das Gelbe ist die Strasse nach Hause.

 

Glücklicherweise sind wir auch mit der Sonne wieder übern Berg. Das Fräulein Maus hatte nämlich über Mittag noch eine Turnvorführung. Aber pfff, jetzt ist ja Frühling. Da kann man auch um drei noch losfahren und erst um vier loswandern, ohne dass man die an den Markierungspflöcken angebrachten Reflektoren bräuchte…


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Geburtstagfeiern auf Finnisch

Die Vorbereitungen fangen immer mit dem Schreiben diverser Listen an: erst schreibt (oder diktiert) das jeweilige Geburtstagskind eine Liste, wen es einladen möchte, dann schreibe ich eine Liste, wer davon zugesagt hat und – ganz wichtig! – was derjenige unter keinen Umständen essen darf, und dann schreiben wir komplizierte Einkaufslisten, auf denen z.B. Zutaten wie laktosefreie Milch und laktosefreie Butter zum Kuchenbacken stehen.

Wenn für 17 Uhr eingeladen ist, dann sind spätestens 16:58 Uhr alle da. (Diesmal wurde nur noch ein kleiner Gast gebracht, alle anderen kamen in Grüppchen allein und gingen auch allein wieder nach Hause.)

Mehrere kleine Gäste fragten erstmal nach einem Platz, an dem sie ihr Handy sicher ablegen dürften.

Wenn für 17 Uhr eingeladen ist, dann darf man nicht mit Kuchenessen anfangen. Auf dem Speiseplan standen deshalb Kraken und Schlange. (Also Antonmannsche Spaghettikraken und Gurkenschlange.) Die Schlange war hast-du-nicht-gesehen auf neun Teller verteilt und vertilgt. Gut, dass ich noch rechtzeitig dran gedacht habe, dass man zu einem finnischen Essen unbedingt Salat und Gurke reichen muss…

Das Geburtstagslied sangen wir auf Finnisch, Englisch, Russisch und Deutsch.

Topfschlagen finden auch Acht- und Neunjährige noch richtig aufregend, weil das hier keiner kennt. Und ganz eigentlich muss man diese grossen Schulkinder gar nicht mehr beschäftigen. Sie sprangen abwechselnd Trampolin, sassen giggelnd auf und unterm Hochbett, und beim Kuchenessen kamen sie plötzlich auf die Idee, Stille Post zu spielen, was sie dann die nächsten 20 Minuten taten.

Ich finde ja, das Geld für die Geburtstagsfeier im Indoor-Spielplatz kann man sich wirklich sparen…


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I, too, am Finland!

Bis vor ein paar Jahren noch hätte ich ja Stein und Bein geschworen, dass es in Finnland keinen Rassismus gibt. Okay, ja, vielleicht in der Haupstadtregion. Okay, ja, den Artikel über den angegriffenen iranischen Busfahrer habe ich auch gelesen. Okay, ja, ich weiss, dass die Ghettos Stadtteile, in denen besonders viele Ausländer wohnen, keinen besonders guten Ruf haben.

Aber ich bin ja nun selbst auch Ausländer. Hat mich das jemals jemand spüren lassen?

Ich finde ja, in Finnland hat man es als Ausländer ziemlich gut:
Von Anfang an haben alle bereitwillig Englisch mit uns gesprochen, auf Ämtern füllten wir englische Formulare aus, meine Kontoauszüge kamen jahrelang auf Englisch in den Briefkasten geflattert. (Und wir wurden stets überschwänglich für unsere radebrechenden Versuche auf Finnisch gelobt.) Bei Bedarf hat sogar jeder Ausländer Anrecht auf einen (kostenlosen) Dolmetscher für seine Muttersprache für Behördengänge, Arztbesuche, Entwicklungsgespräche im Kindergarten… so Sachen.
Nie (nie!) ist mir irgendjemand mit dem Vorschlag gekommen, doch zu Hause mit den Kindern Finnisch zu sprechen, damit sie später in der Schule mitkommen. (Und ehe jetzt jemand stirnrunzelnd fragt: ”Warum sollte das jemand tun?!”, dann denke man mal kurz an die Türken in Deutschland und was denen so ungefragt geraten wird.) Im Gegenteil, die eigene Muttersprache wird hier als so wichtig angesehen, dass sie sogar jedem Schulkind zwei Stunden pro Woche zusätzlich unterrichtet wird. Andererseits werden Kinder, die zu Hause nicht Finnisch sprechen, schon im Kindergartenalter regelmässig gefördert. Auf dem Stundenplan des Fräulein Maus steht nicht ”Finnisch” (sprich: ”Muttersprache”), sondern ”Finnisch als zweite Sprache”. Die meiste Zeit des Unterrichts ist das nichts als eine Formalität – sie lernt genau wie ihre finnischen Mitschüler finnisch lesen und schreiben – aber ein, zwei Stunden pro Woche übt sie in einer Kleingruppe mit ihren estnischen, iranischen und spanischen Mitschülern.
Jeder Ausländer bekommt die Chance, einen kostenlosen ”Integrationskurs” zu besuchen, in dem hauptsächlich die Sprache gelehrt wird, aber z.B. auch, wie man mit einem Computer umgeht, wie man sich bewirbt, was man über Land und Leute wissen sollte.
Es gibt in den Schwimmhallen wöchentliche Schwimmzeiten nur für Frauen (zu denen auch nur weibliches Personal anwesend ist) und nur für Männer (wo dann auch nur männliches Personal anwesend ist), damit auch die schwimmen gehen können, denen das wichtig ist.
Ausländer sind auch ohne finnischen Pass bei Kommunalwahlen wahlberechtigt.

Aber wie sieht es ausserhalb der staatlich verordneten Ausländerfreundlichkeit aus? In den Köpfen der Menschen?

Dieses ganze Ausländerdingens, das es in Deutschland schon seit einem halben Jahrhundert gibt, ist hier ja ziemlich neu. Ausländer? Ja, da ist doch dieser Mann im Nachbarort, der mit einer Deutschen verheiratet ist… Und dieser eine Brite, der schon seit zwanzig Jahren hier lebt… So war das lange. Die ersten wirklich ernstzunehmenden Migrantenmengen kamen in den 1990ern, als Finnland eine grosse Zahl Bürgerkriegsflüchtlinge aus Somalia aufnahm. (Und dann kamen auch Bosnier, Kosovo-Albaner, Kurden, Iraner.)

Wenn man einen Finnen nach ”Ausländern” fragt, dann denkt er vermutlich zuerst an die. Nicht an uns. Denn wir fallen ja eher in die Kategorie Luxusausländer. Als EU-Bürger ist man ja kaum einer. Noch dazu kam ich mit einem Job nach Finnland, nicht als Flüchtling. Und als Deutscher darf man sich sowieso eher noch in einer eher zweifelhaften Bewunderung für sein Heimatland sonnen – nicht selten sind wir gefragt worden, warum wir denn ausgerechnet als Deutsche ausgerechnet nach Finnland gekommen sind, und das auch noch gern und aus freien Stücken…

Kein Wunder, dass wir nie mit Rassismus konfrontiert wurden.

Nie?!

Und der Nachbar, der uns regelmässig Belehrungen gutgemeinte Ratschläge angedeihen lässt, die er üblicherweise mit den Worten ”Bei uns in Finnland ist es üblich, dass…” einleitet?!
Und die Personalchefs, die dem Kollegen des Ähämanns bei gleicher Qualifikation nach nur einem Jahr eine Festanstellung anboten, auf die der Ähämann fünf Jahre warten musste?!

Ausnahmen, ja. Kleinigkeiten, ja.

Aber Kleinigkeiten, die wehtun. Anderen auch.


© I, too, am Finland / Suomilokki

I, too, am Finland!


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Acht!

Vor acht Jahren habe ich nicht sehr viel geschlafen. Und dann sehr viel gewartet.

Heute habe ich auch nicht allzuviel geschlafen. Wir standen schon im Morgengrauen auf, weil ausgerechnet heute der einzige Tag der Woche ist, an dem das Fräulein Maus schon um acht in der Schule sein muss. Aber bis abends halb neun aufs Geschenkeauspacken warten wollten wir doch nicht.

(”Fräulein Maus! Fräulein Maaahaus! Du hast so eine Kugel bekommen wo alle Länder drauf sind und wo wir wohnen!” krähte der kleine Herr Maus heute früh der grossen Schwester schon ins Bad entgegen. ”Wie du dir gewünscht hast!”)