Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku


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Reiserückblick: In den Westfjorden

Island ist ja für Rundreisen wie geschaffen: man fährt einfach einmal rund ums Land auf der Ringstrasse, der wichtigsten und bekanntesten Fernverkehrsstrasse des Landes, und kommt an allen wichtigen Dingen, die man gesehen haben muss, vorbei. Ob man das in drei Tagen oder drei Wochen tut und wieviele Abstecher ins Hochland oder auf am Weg liegende Halbinseln man macht, kann man dann je nach verbleibender Urlaubszeit und Interessenlage entscheiden.

Die Entscheidung, den Umweg über die Westfjorde zu machen, war letztendlich schnell getroffen: unter Anderen sollte es dort, am westlichsten Zipfel der Westfjorde, dem westlichsten Punkt Europas, eine Papageientaucherkolonie geben.

Es war eine der besten Entscheidungen.

Die Westfjorde sind nicht nur eine Ansammlung weiterer Halbinseln. In den Westfjorden ist alles nochmal eine Nummer grösser, imposanter, abenteuerlicher als im Rest von Island.

Und die Strassen…! Schmal, kein Asphalt, keine Leitplanken, abenteurliche Serpentinen hoch über dem Meer, 15%ige Steigungen, und alle paar Kilometer kommt einem ein LKW entgegengerast.

In Zukunft ist jeder Alpenpass Pillepalle, und über unsere geliebten unbefestigten finnischen Strassen werden wir nur noch milde lächeln.

Gern wären wir die ganze Runde einmal aussen um die Westfjorde herum gefahren, aber dafür reichte unsere Zeit wirklich nicht. Also fuhren wir nur eine kleinere Runde, und für das grössere Stückchen nahmen wir in Kauf, dass Hin- und Rückweg auf der selben Strasse stattfinden würde. 350 km Umweg für vielleicht 100 km Luftlinie. So ist das in Island, wo man um jeden Fjord herum- und über jedes Gebirge drüberfahren muss, weil es kaum Brücken und noch weniger Tunnel gibt. Wir waren froh um unsere Reisekinder, die so einen Tag im Auto klaglos auf der linken Pobacke aubsitzen – auch dann noch, als der kleine Herr Maus mein Datenvolumen mit Hörspielen aufgebraucht hatte; als sehr vorteilhaft stellte sich auch heraus, dass wir in diesem Urlaub die Kinder jeden Tag mit dem Besuch eines Schwimmbads ihrer Wahl locken konnten – und die abends halb zehn, als wir den einzigen überfüllten Zeltplatz auf der ganzen Reise erlebten, ohne Murren zustimmten, noch anderthalb Stunden weiter bis zum nächsten, sowieso ursprünglich anvisierten und viel schöneren, zu fahren.

Der lag hinter den sieben Bergen an einem Strand, der nur über eine einzige Strasse, die sich in abenteuerlichen Serpentinen zum Meer herunterwindet, zu erreichen ist. Deshalb war er auch wohnmobilfrei, hihi. Und überhaupt ganz wunderbar. Wir blieben spontan zwei Nächte.

Am westlichsten Zipfel Europas kann man nicht nur fast nach Grönland gucken – es sind nur noch 300 km! – sondern dort gibt es auch die grösste Vogelklippe Europas. (Ein paar Robben lagen auch herum.)

Die Kinder sind sich jetzt übrigens sicher, dass man die beeindruckendsten Dinge in Island nur mit Gestank kriegt und man am besten immer mit zugehaltener Nase durch die Gegend läuft.

Und sieh mal an:

*Hier Honigkuchenpferdgrinsen einfügen*


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Reiserückblick: An der Grönlandsee

Nachdem wir mehrere Tage in verschiedenen Vulkanlandschaften verbracht hatten, fuhren wir erstmal Richtung Norden ans Meer und um mehrere Halbinseln herum. Die waren anfangs ein bisschen langweilig: recht flach, sehr durchkultiviert. Am An diesem Tag lockte uns das Schwimmbad in Akureyri mehr als irgendwelche Landschaft.

Akureyri, zweitgrösste Stadt Islands, war mir übrigens schon gleich hinterm Ortseingangsschild sympathisch. Eine Stadt, die auf DIN-Normen pfeift.

Die Herzen in den Ampeln gibt es dort seit der Finanzkrise 2008, als Zeichen der Hoffnung und für was wirklich im Leben zählt. Was wohl von Corona bleiben wird? In Reykjavík fanden wir später übrigens die Frau vom Ampelmännchen.

Als wir am nächsten Tag weiter nach Westen fuhren, wurde die Landschaft jedoch mit jeder Halbinsel imposanter: kilometerlange schwarze Strände, riesige klotzförmige Felseninseln vor der Küste, schneebedeckte Berge, die direkt aus dem Meer herausragen, lustige vorm Strand aufragende Felsformationen. Wir fuhren von Küstenstrasse zu Gebirgspass zu Küstenstrasse. Und auf der nächsten Halbinsel das Gleiche wieder.

Einer wollte unbedingt in der Grönlandsee baden.

Am Ende des Tages fanden wir an der Spitze der letzten Halbinsel vor den Westfjorden einen Zeltplatz mit Ausblick auf den Sonnenuntergang über der Grönlandsee und auf die erste schneebedeckte Bergkette der Westfjorde. Direkt neben dem Zeltplatz befand sich eine Robbenkolonie.

Die Robben besuchten wir noch am gleichen Abend, noch bevor wir das Zelt aufgebaut hatten. Ein paar von ihnen schwammen herum, tauchten unter und steckten kurz vor uns neugierig den Kopf aus dem Wasser, um dann vorsichtshalber schnell wieder unterzutauchen. Am nächsten Morgen, gleich nach dem Frühstück, noch bevor wir anfingen, das Zelt wieder abzubauen, gingen wir wieder hin – da lagen sie faul in der Sonne auf ihrem Felsen und rührten sich nicht. Fernglas war prima, aber man hätte sie auch mit blossen Augen ausreichend gut gesehen. So toll!

Ausserdem gab es jede Menge Vögel. Am tollsten fand ich die schwarzen Gryllteisten – bitte was?! – mit ihren roten Füssen und ihrem roten Schnabelinneren, die gar nicht scheu waren und direkt vor unseren Füssen herumwuselten.

Nur Papageientaucher gab es auch dort nicht. Dabei wollte ich unbedingt Papageientaucher sehen und hatte schon die ganze Zeit überall nach ihnen Ausschau gehalten.

Ein bisschen unschlüssig über unsere weitere Reiseroute waren wir auch, als wir am nächsten Tag weiterfuhren: hätten wir Zeit für die Westfjorde? Würde sich der Umweg lohnen?


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Reiserückblick: Isländisches Viechzeug

Ich war nie ein Pferdemädchen. Und bis heute finde ich Kühe, Esel, Schafe und Ziegen viel süsser als Pferde.

Aber die kleinen Islandpferdchen, die dort allüberall so malerisch in der Gegend herumlaufen – und bei schlechtem Wetter ganz ergeben stundenlang mit gesenktem Kopf auf der Stelle stehen – die habe ich gleich ins Herz geschlossen.

Unser erster Zeltplatz lag direkt neben Islands höchstgelegener Farm, auf der es neben Schafen und einem zutraulichen gefleckten Hund eine ganze Herde Pferde gab.

Während wir das Zelt aufbauten, stand das Fräulein Maus am Zaun und hielt den Pferden Gras hin. Während wir abwuschen, stand das Fräulein Maus am Zaun und streichelte Pferde. Während wir Rucksäcke packten, stand das Fräulein Maus am Zaun und wedelte den Pferden Fliegen aus dem Gesicht. Sie verbrachte jede freie Minute dort, und bevor an unserem zweiten und letzten Morgen dort eine Gruppe Reiterinnen zu einer Ganztagstour aufbrach, durfte sie sogar eine kleine Runde reiten.

Noch mehr als von den Pferdchen war ich natürlich trotzdem von den Schafen begeistert. Die leben in Island den ganzen Sommer über frei wie hierzulande die Rentiere und werden erst im Herbst wieder zusammen- und für den Winter in den Stall getrieben. Sie stehen, meist in Dreiergrüppchen, allüberall: neben den Strassen, auf den Strassen, am Strand, an Flussfufern und auf den Bergen.

Schnell wusste ich, dass ich auch so einen Islandpullover als Andenken haben möchte. Und zwar einen von einem schwarzen Schaf. Denn die schwarzen Schafe sind die allersüssesten. Am vorletzten Tag fanden wir zum Glück einen Nicht-Souvenirladen, in dem Frauen aus der Gegend ihre Handarbeiten verkaufen und wo man sich unter ungefähr dreihundert Pullovern entscheiden konnte musste.

Ich freu‘ mich jetzt schon auf den Herbst und Winter, wenn mich das schwarze isländische Schaf schön warm halten wird.


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Reiserückblick: Wasserfälle

Ich sag’s mal gleich: Wasserfälle reissen mich nicht vom Hocker.

Das hat sich auch in Island nicht geändert, obwohl die isländischen Wasserfälle wirklich beeindruckend sind: nicht nur in ihrer Zahl – von jedem Hügel stürzt Wasser in kleineren oder grösseren Mengen – sondern auch in ihren Aussmassen.

Wasserfälle standen jedenfalls nicht auf unserer Wollen-wir-unbedingt-sehen-Liste. Also gut, der Dettifoss zum Beispiel schon. Weil er der wasserreichste Wasserfall Europas ist und ausserdem eher so niagarafallmässig in die Tiefe stürzt und ich bisher, vom Rheinfall mal abgesehen, nur hohe, schmale Gebirgswasserfälle gesehen hatte.

Eigentlich wollten wir dran vorbeifahren und am nächsten Tag nochmal wiederkommen, aber dann schien die Sonne so schön, und wie überall im Norden wird das Licht erst abends richtig schön, und ach, wenn wir schon mal da waren…

Jedenfalls waren wir ganz alleine dort, und als wir den knappen Kilometer bis zum eigentlichen Wasserfall liefen und später wieder zurück – das mochte ich übrigens sehr an Island, dass man zu den meisten Sehenswürdigkeiten nicht direkt hinfahren kann, sondern wenigstens ein kleines bisschen laufen muss – stellte ich fest, dass mich die Mondlandschaft aus Basalt, die man zwischen Parkplatz und Wasserfall durchqueren muss, viel mehr beeindruckte als der Wasserfall selbst.

(Hinterher gab es noch eine 30 km lange Zitterpartie, weil man auf zwei Seiten am Dettifoss und seinem Flusslauf vorbeifahren kann. Wir hatten uns für die westliche entschieden. Direkt hinterm Parkplatz stand ein Schild, dass der Strassenzustand wegen einer Baustelle recht schlecht sei. Wird schon halb so wild sein, sagten wir uns. Dann stand aber plötzlich ein sehr grosses Schild am Strassenrand, dass man nur mit Allradantrieb weiterfahren könne. Wie jetzt? Warum hatte das denn nicht auf dem Baustellenschild gestanden?! Wir fuhren einfach erstmal weiter und hofften das Beste – denn umkehren zu müssen hätte einen Umweg von 100 km bis zum anvisierten Zeltplatz bedeutet, und es war ja auch schon fast um zehn. Die Strasse war recht holprig und die frisch draufgekippten Steine vielleicht nicht so das angenehmste für des Löwen Balthasars zarte Alljahresreifen – aber keine Strasse, die er nicht hätte meistern können. Wir wunderten uns ein bisschen, warum da überhaupt so eine Grossbaustelle mitten im Nirgendwo ist und atmeten auf, als wir sie nach 30 Kilometern endlich passiert hatten, ohne ein Allradauto zu brauchen. Hinterher stellte sich raus, dass das auf der Westseite offensichtlich bis vor Kurzem eine F-Strasse gewesen war, die gerade zu einer normalen Strasse umgebaut wird. Und das „Nur Allradfahrzeuge!“-Schild stand da offenbar einfach noch rum. Puh.)

Jedenfalls. Die isländischen Wasserfälle sind schon recht hübsch. Und imposant.

In Zukunft allerdings reissen mich mitteleuropäische Wasserfälle erst recht nicht mehr vom Hocker.


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Reiserückblick: Bei den „Pupsbergen“

Worauf ich mich ja am meisten gefreut hatte, waren Vulkane und heisse Quellen und sowas.

Von der Marslandschaft fuhren wir direkt in ausgedehnte Lavafelder. Und als neben der Strasse plötzlich eine heisse Dusche lief, wussten wir, dass wir da waren, wo wir hinwollten.

Der Vulkan Krafla ist 1984 zum letzten Mal ausgebrochen. Bis zum Horizont türmt sich tiefschwarze Lava, die immer noch warm ist. Durch die Lavafelder kann man auf Wanderwegen spazieren, neben denen es aus allen Löchern dampft. Es gibt Schwefelquellen und zischende Solfatare. Es stinkt wie im Affenhaus; die Kinder hielten sich die Nasen zu und schimpften auf die „Pupsberge“. Wir Eltern aber fanden es eines der beeindruckendsten Dinge, die wir je gesehen haben.

Direkt neben den „Pupsbergen“ gibt es auch ein Geothermalkraftwerk.

Noch ein bisschen weiter unterhalb brodelt und dampft und zischt und stinkt es auch. Man kann ganz nahe rangehen, aber  nur auf abgegrenzten – Vorsicht, die Erdkruste ist hier sehr dünn und direkt darunter ist es sehr heiss! – Pfaden.

Dann war es aber erstmal wieder an der Zeit für ein heisses Bad – dazu später mehr – das dort einfach türkisfarben aus den „Pupsbergen“ herausgelaufen kommt. Ein bisschen gruselig fand ich das riesige, kochende Vorratsbecken – Achtung, 100°C! – aus dem dann das Badewasser auf angenehme 38 bis 40°C heruntergekühlt wird.

Nach zwei Stunden gemütlicher Planscherei hatten wir noch 80 km Fahrt bis zum nächsten Zeltplatz vor uns. Aber als unser Blick so auf den Námafjall, gleich oberhalb der Schwefelquellen und Schlammtöpfe, fiel, wie er da so im Abendsonnenschein lag, mussten wir doch nochmal anhalten und da rauf.

Es geht nichts über einen kleinen Abendspaziergang auf einem Vulkan!

Dann stiegen wir ins Auto und fuhren jetzt dann aber wirklich auf schnellstem Weg zum Zeltplatz. Also naja. Wir guckten uns dann doch gleich noch den Dettifoss an. Aber das ist eine andere Geschichte.


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Reiserückblick: Auf dem Mars

Zu den skurrileren Auswirkungen von Reisen in Zeiten von Covid-19 gehörte, dass wir uns drei Tage vor Ankunft, als wir an einem abgelegenen schwedischen See das Online-Einreiseformular für Island ausfüllten, schon für einen Zeltplatz entscheiden mussten – genauer gesagt, für Zeltplätze für die ersten vier Nächte – um die Adresse angeben zu können.

Der Zeltplatz war ein Glücksgriff.

Als wir kurz vor Mitternacht in die Schlafsäcke krochen, murmelte der Bach hinterm Zelt, die Singschwäne gaben schlaftrunkene Laute von sich, der Himmel war mittsommernachtshell und die Berge ringsum leuchteten rosa.

(Als ich nachts mal rausmusste, lag Raureif auf den Wiesen, und die zum Trocknen an den Sturmleinen aufgehängten Badeklamotten waren steifgefroren.)

Wir beschlossen spontan, tatsächlich noch eine zweite Nacht zu bleiben, obwohl wir uns nach dem Testergebnis ohne weitere Meldepflicht frei im Land hätten bewegen dürfen.

Der kleine Herr Maus nämlich wollte auf die Berge. Und wir anderen eigentlich auch. Also vielleicht nicht ganz hoch, aber wenigstens ein bisschen in dieser wunderbaren Landschaft wandern.

Wir besorgten uns eine Wanderkarte, suchten uns einen passenden, kleineren Rundweg aus, stiegen ins Auto, um die paar Kilometer bis zum Ausgangspunkt zu fahren, und standen… am Anfang einer F-Strasse.

Die darf man eigentlich nur mit Allradantrieb befahren, und das Schwierigste an ihnen ist wohl, dass man immer mal einen Fluss durchqueren muss. Aber wir mussten sie ja nicht mehr als zwei Kilometer benutzen. Also sondierten wir vorsichtig die Lage und beschlossen dann, dem Löwen Balthasar die Strasse zuzumuten. Unbefestigte Strassen kennt er ja von zu Hause, zwei der drei zu überquerenden Wasserläufe waren komplett ausgetrocknet, der dritte ein Rinnsal, und Regen nicht in Sicht.

Dann schulterten wir unsere Rucksäcke – am schwierigsten fand ich bis zuletzt, einzuschätzen, wie viele und welche Art Klamotten man braucht – und stapften los. Also stapfen im Wortsinn. Der Wanderweg ist alle 50 Meter mit weissen Pflöcken markiert, aber es gibt keinen ausgetretenen Pfad. Man geht also querfeldein über Lava und Lavasand und ab und zu mal ein bisschen Vegetation und sinkt bei jedem Schritt ein. Schnell war klar, dass wir die neun Kilometer bis zur ausgeschilderten Schlucht und zurück nicht schaffen würden, weil jeder Schritt doppelt so anstrengend war wie normalerweise. Ausserdem schwankte die Erde immer noch bei jedem Schritt, bei manchen Bewegungen wurde mir auch kurzzeitig schwindlig – was das Gefühl, nach langer Reise auf dem Mars gelandet zu sein, noch verstärkte.

Wir folgten also zwei oder drei Kilometer lang dem Wanderweg, dann bogen wir auf den Kamm einer kleinen Bergkette ab, die nur aus bröseligem, schwarzem Lavagestein bestand, liefen eine Weile oben entlang, stiegen auf der anderen Seite wieder ab und schlugen uns durch bis zu einer Fahrspur, die zu unserem Ausgangspunkt zurückführte und auf der es sich ganz angenehm lief.

„Können wir noch auf den Berg gehen? Und auf den?“, fragte der kleine Herr Maus alle fünf Minuten. Hätte ich auch gern gemacht. Aber es warteten ja noch andere wunderbare Landschaften auf uns.


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Reiserückblick: Langsam reisen

Den Floh hatte uns vor drei Jahren ein deutsches Ehepaar, das wir auf einem norwegischen Zeltplatz trafen, ins Ohr gesetzt.

Bis dahin hatte ich geglaubt, nach Island käme man als Tourist nur mit dem Flugzeug, aber sie berichteten uns von der Fähre, die einmal pro Woche in 48 Stunden von Norddänemark nach Island fährt und mit der sie mit ihren drei Kindern und ihrem Wohnmobil schon mehrmals gefahren waren.

Seit wir in Finnland wohnen, sind wir daran gewöhnt, dass jede unserer Reisen auf dem Meer beginnt. Dass jede unserer Reisen immer einen Grossteil „Der Weg ist das Ziel“ beinhaltet. Für mich ist tatsächlich die Welt nicht durch die Möglichkeit des Fliegens kleiner geworden, sondern seit der Ähämann und ich mit dem Auto, erst ohne und dann auch mit den Kindern, kreuz und quer durch Europa reisen: von Deutschland nach Tunesien, von Finnland in die Schweiz, über Schweden nach Ungarn, durchs Baltikum in die Slowakei. Man muss nicht fliegen, um weiter als bis ins Nachbarland zu kommen. Das muss einem in der heutigen Zeit ja auch erstmal klar werden.

Ich fliege gern: weil ich Flugzeuge toll finde. Aber ich reise nicht gern mit dem Flugzeug: aus Klimaschutzgründen, weil es zu fünft nahezu unerschwinglich ist, weil man am Zielort dann sowieso in den meisten Fällen noch ein Mietauto braucht, weil man mit dem Flugzeug nicht genug Krempel – schon gar kein Fünf-Personen-Zelt plus Zubehör! – transportieren kann. Und weil mir beim Fliegen das Gefühl für Entfernungen fehlt. Nach dem Fliegen fühle ich mich immer ein bisschen orientierungslos, ein bisschen wie an einem unbekannten Ort gestrandet.

Vier Nächte und drei Tage lang von Finnland nach Island zu reisen fühlte sich der Entfernung angemessen an. Als wir eine Woche später am westlichsten Punkt Islands standen, waren wir schliesslich fast in Grönland!

Für ein paar Stunden allerdings dachten wir, Schifffahren sei vielleicht doch eine Schnapsidee gewesen. Ich bin noch nie seekrank geworden – auch nicht bei der stürmischen 24stündigen Überfahrt von Genua nach Tunis oder im Herbststurm auf der Ostsee zwischen Helsinki und Rostock – aber die „Norröna“, kleiner als unsere Schwedenfähren, fing sofort hinter der Hafenausfahrt in Hirtshals mit dem Schaukeln an – und zwar nicht so ein bisschen hin und her oder auf und ab, sondern eher so achterbahnmässig – und in Verbindung mit Schlafmangel, zu wenig Frühstück und zu allem Überfluss einer Kopfschmerztablette auf nahezu nüchternen Magen war das dann doch zu viel. Dem Rest der Familie ging es auch nicht besser. Wir waren jedoch so müde, dass wir den Grossteil des Nachmittags, Abends und der Nacht einfach verschliefen.

Am nächsten Morgen überliess uns eine deutsche Familie eine ihrer zahlreichen Reisetablettenpackungen – etwas, woran wir, obwohl uns durchaus bewusst war, dass es auf dem Nordatlantik schaukeln würde, schlicht nicht gedacht hatten, weil wir sowas erstens noch nie gebraucht hatten und zweitens in Finnland noch nie auch nur eine einzige Werbung für Reisetabletten gesehen hatte. Die Tabletten und ein ordentliches Frühstück im Bauch halfen jedenfalls schnell, worauf wir den Rest der Reise wieder geniessen konnten.

Beim Frühstück, nach 21 Stunden Fahrt, tauchte Schottland auf. Gewaltige grüne Inseln. Und die ersten Basstölpel segelten neben dem Schiff her. (Da hatten wir freilich noch nicht recherchiert, um was für Vögel es sich handelte. Der grosse Herr Maus taufte sie einstweilen sehr passend Jetmöwen.)

Was man alles verpasst, wenn man fliegt…!

Als die letzte schottische Insel wieder hinterm Horizont verschwunden war, erfreuten wir uns noch lange an den das Schiff begleitenden Jetmöwen. Und an der Sonne und den hundert verschiedenen Blautönen von Wasser und Himmel. Und fast ein bisschen auch an der Schaukelei. Ich zumindest.

Abends hatte die Schaukelei kurzzeitig ein Ende: die Fähre legte für eine halbe Stunde in Tórshavn, der Hauptstadt der Färöerinseln, an. Über dem Hafen hing ein vollständiger Regenbogen, und ich hatte Herzchenaugen: so weit draussen, und plötzlich taucht da wieder eine bewohnte Gegend auf!

In der Nacht und am nächsten Morgen schaukelte es nicht weniger als vorher, aber keiner von uns wurde mehr seekrank. Als Island am Horizont auftauchte, als die ersten schneebedeckten Berge unsere Herzen hüpfen liessen und wir in Seyðisfjörður einliefen, hatte ich eine Ahnung, wie sich die frühen Entdecker gefühlt haben müssen, wenn nach Wochen auf See ein unbekanntes Land, ein neuer Kontinent auftauchte.

(Vor dem Landgang mussten wir allerdings noch an Bord unseren Coronatest absolvieren, dessen Ergebnis uns noch am gleichen Abend per App mitgeteilt wurde.)

Island schwankte übrigens noch zwei Tage lang unter unseren Füssen.

***

Auf der Rückfahrt fühlten wir uns auf der „Norröna“ schon fast zu Hause. Wir erlebten fünf Meter hohe Wellen auf dem Nordatlantik, die das Schiff wie ein grosses Schaukelpferd auf und ab bewegten, und eine nahezu langweilig glatte Nordsee. Wir sahen einen Wal gleich neben dem Schiff! Nachmittags sassen wir in einer heissen Badewanne auf dem Oberdeck, während wir am Leuchtturm von Muckle Flugga vorbeifuhren. Und beim Abendessen nahmen wir alle paar Bissen das Fernglas zur Hand und bestaunten gigantische norwegische Bohrinseln.

Die 46 gemächlichen Stunden Heimfahrt auf der „Norröna“ halfen auch beim Abschiednehmen von Island, das uns überraschend schwer fiel. Es war dann auch durchaus passend, dass wir mit dem Löwen Balthasar die Letzten waren, die von Bord rollten.


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Reiserückblick: Reisen in Zeiten von Covid-19

In diesen Zeiten muss man schnelle Entscheidungen treffen.

Wir hatten uns, nachdem unsere eigentlichen Urlaubspläne, dieses Jahr zum Glück eher unspektakulär, wegen Corona ins Wasser gefallen waren, schon darauf eingestellt, die Sommerferien in Finnland zu verbringen. Ganz eventuell, wenn die Situation es zuliesse – die finnische Regierung hatte von vornherein angekündigt, dass sie über die Lockerung der Reisebeschränkungen länderspezifisch je nach Entwicklung der jeweiligen Infektionszahlen entscheiden würde – dürften wir gegen Ende der Ferien vielleicht sogar nach Estland fahren.

Wir genossen den heissen Juni in Finnland, als alle anderen noch arbeiten gingen und die Ausflugsziele so leer waren wie im November. Und dann ging alles ganz schnell: Mitte Juni entschied die finnische Regierung, dass wir in sechs Länder fahren dürften, ohne hinterher in Quarantäne zu müssen – nach Estland, Lettland, Litauen, Dänemark, Norwegen und Island.

Ich las dem Ähämann – wir sassen gerade im Abendsonnenschein an einem See auf dem Rückweg von Hämeenlinna – die Nachrichten vor, und wir guckten uns an und sagten beide: „Dann fahren wir nach Island!“

Es ist nämlich so, dass wir seit Jahren nach Island wollten. Aber wer fährt schon freiwillig im kurzen finnischen Sommer in ein Land, in dem der Sommer noch kürzer und kälter ist?! Deshalb wollten wir seit Jahren dann doch nicht nach Island.

Zwei Tage später hatte der Ähämann Tickets bei zwei verschiedenen Fährgesellschaften gebucht, die isländischen Einreisebestimmungen recherchiert sowie ein Telefonat mit der dänischen Polizei geführt. Zwei Wochen später fuhren wir los.

Klar, Reisen durch mehrere Länder war schon mal einfacher.

Wir gingen auf der „Grace“ auf schnellstem Weg vom Autodeck in die Kabine. Mit Maske auf.

Wir machten in Schweden nicht wie sonst Pause bei IKEA und Reiseproviantgrosseinkauf im Supermarkt. Wir hielten noch nicht mal an einer Raststätte an. Wir fanden ein abgelegenes Naturschutzgebiet samt Waldklo am Vätternsee für die erste Pause, und einen abgelegenen See für die zweite. Dort füllten wir auch das obligatorische Online-Einreiseformular für Island aus, bezahlten schon mal den Coronatest für uns Erwachsene (Kinder unter 15 müssen nicht) und luden uns die isländische Corona-Tracking-App herunter, die jeder Tourist benutzen muss.

Dann fuhren wir über die grosse Brücke und erlebten zwischen Brücke und Tunnel an einer Behelfs-Grenzstation unsere erste Grenzkontrolle nach 30 Jahren. (Abgesehen von den paar Pro-Forma-Grenzkontrollen bei den Reisen nach Estland, bevor Estland zum Schengen-Gebiet gehörte, und der Reise durchs Baltikum und Polen in die Slowakei mit dem anderthalbjährigen Fräulein Maus, deren Passbild, aufgenommen im zarten Alter von ein paar Wochen, sämtlichen Grenzbeamten ein Lächeln entlockte.) Das ausgelieferte Gefühl war sofort wieder da; noch dazu, wo wir in der Vergangenheit keine besonders guten Erfahrungen mit den Dänen gemacht hatten. (Man hatte uns dort unter Anderem mal 500 Euro Strafe pro Person – ja, auch für jedes Kind! – angedroht, weil wir aus Versehen eine halbe Stunde zu früh in einen Regionalzug zwischen Kopenhagen und Lund gestiegen waren, was damit endete, dass wir Hals über Kopf in Malmö aus dem Zug flüchteten und schon dort in den Schnellzug nach Stockholm stiegen, was für die schwedische Bahn übrigens – „Das ist uns doch egal, ob ihr in Malmö oder in Lund umsteigt!“ – überhaupt kein Problem darstellte.) Der dänische Grenzbeamte aber war einer der netten Sorte, wollte weder Pässe noch Fährticket sehen und winkte uns nach einem kurzen Wortwechsel – „Ihr seid aus Finnland?“ „Ja.“ „Ihr könnt weiterfahren!“ – einfach durch.

Die dänischen Coronabestimmungen finde ich übrigens auch eher fragwürdig. Man darf derzeit entweder nur durchreisen – ohne die Möglichkeit irgendwo zu übernachten; auf dem Rückweg wurden wir bei der Einreise auch gleich prophylaktisch angeranzt, wir dürften ausschliesslich zum Tanken anhalten – oder man muss sechs Nächte bleiben. Das war eine der Sachen, die wir ohne Corona entspannter hätten haben können – dann hätten wir noch eine Zwischenübernachtung in Dänemark eingeschoben. So blieb uns nur, ein paar Stunden im Auto zu schlafen. Wir putzten unsere Zähne an einer Tankstelle, fanden einen netten Parkplatz am Skagerrak, machten es uns mit Kissen leidlich bequem und schliefen alle fünf in unseren Sitzen von kurz nach Mitternacht bis gegen halb sechs. Das war besser als erwartet. Und früh um sechs ganz allein im Morgenlicht in den Dünen und am Strand zu sein war wunderschön.

Die Rückreise gestaltete sich ähnlich kompliziert. Statt einer Zwischenübernachtung fuhren wir einfach die 1000 km und die Nacht durch. (Unerwarteterweise gab es noch eine Grenzkontrolle in Schweden, die aber sehr nett verlief: „Ihr seid eine Familie? Keine Hunde und Katzen dabei?“, wurden wir auf Schwedisch gefragt und dann lachend durchgewinkt.) Zum Glück wurde es erst kurz vor Mitternacht dunkel und schon gegen zwei wieder hell. Und ich habe noch nie so eine leere Autobahn erlebt. (Und die schwedischen Autobahnen sind immer leer!) Dann nahmen wir die Morgen- statt der Abendfähre von Stockholm, gingen noch im Hafen schlafen und schliefen bis Åland durch.

Dieses Jahr und genau jetzt nach Island zu fahren war trotzdem die beste Entscheidung des Jahres.

Auch deswegen, weil der finnische Sommer aufhörte, als wir wegfuhren. Und weil es nie wieder so leer sein wird in Island wie in diesem Sommer. Schon in unserer zweiten Woche dort war es deutlich voller als in der ersten. Man mag sich gar nicht ausmalen, wie es ist, wenn die normale Anzahl an Touristen von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit zieht…!

Demnächst wird’s hier jedenfalls viel Reiserückblick und viele Fotos geben.
Wenn ich ein paar Wäscheberge abgetragen habe.