Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku


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Sonntag mit Sonne

Vielleicht haben wir das Schlimmste für diesmal überstanden.

Nach all den Wochen, Monaten unter einer grauen Wolkendecke schien die Sonne heute nicht nur ausnahmsweise mal für ein paar Stunden, sondern von früh bis abends, und die Wettervorhersage für die kommende Woche bestätigte unsere leise Hoffnung: heute hat der März angefangen.

„Wir brauchen unsere Sonnenbrillen!“, quäkten die Mäusekinder beim Verlassen des Hauses um die Wette. Sonnenbrillen und Badehosen. „Heute geh‘ ich ins Eisloch!“, jubelte der grosse Herr Maus vor sich hin.

Auch unsere Beteuerungen, dass das Wasser wirklich eisig sei und es vollkommen ausreichen würde, wenn er nach der Sauna mit nach draussen ginge und zuschaute, wie Mama und Papa ins Eisloch stiegen, konnten seine Begeisterung nicht trüben.

Er ging.

Bis zu den Knien. Das Fräulein Maus traute sich bis zum Bauchnabel. Dem kleinen Herrn Maus wurden auf eigenen Wunsch die Zehen eingetaucht. Dann rannten alle zurück in die Sauna, denn: „Wir wollen nochmal ins Wasser!“

„Das wollen wir jetzt jede Woche machen!“, strahlte das Fräulein Maus, als wir fertig sauniert hatten und vom Spielplatz aus noch dem Sonnenuntergang zusahen. Dreiviertel sechs!!! Das ist zwei Stunden später als… gerade eben noch!

Das ist das reinste Frühlingswetter!


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21… äh… 30 vom 21.

Was ich vergass zu erwähnen:

„Fotos machen, ohne dass ich die Kamera dabei einhändig balancieren muss, während an der anderen Hand einer zerrt“:

Sagte ich was von Lesen?!

Während man bei der finnischen Bahn nachts von Eulen begleitet wird, fliegt man tagsüber mit Singschwänen über das Land…

… und der Biber bewacht das Klo.

Schneemumin.

Sagte ich was von Strassenbahnfahren?! Die Sonne scheint (ausnahmsweise mal), da weiss ich was Besseres: Mit der Fähre nach Suomenlinna. (Zum Nahverkehrstarif, mit Ticket auf’s Handy.)

Kirche oder Leuchtturm? Beides!

850 Leute wohnen ganzjährig auf der ehemaligen Festungsinsel. In historischem Gemäuser – aber mit allem, was zum modernen finnischen Leben dazugehört. ;-)

Hinterher: Kaffee, Möhrenkuchen, Buch, Wärme.

Meine allerliebsten Lieblingssteinmänner vom Helsinkier Hauptbahnhof.

(Falls einem kurz vor Antritt der Heimreise noch einfällt, dass zu Hause der Kühlschrank leer ist: Handy zücken, Code einlesen, nach Hause liefern lassen.)


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Kurzurlaub

Morgen mache ich Urlaub.

Ich werde nach Helsinki fahren, ich ganz allein. Ich werde mit dem Zug fahren und die ganze Zeit lesen. Dann werde ich mich in ein Café setzen und weiterlesen. Ich werde mindestens eine Stunde in Skandinaviens grösster Buchhandlung vertrödeln. Überhaupt werde ich in eine Menge Läden gehen und dort so lange gucken, wie ich will. Ich werde eine Runde mit der Strassenbahn fahren. Vielleicht reicht die Zeit auch noch für ein Museum. Oder den Wintergarten. Und dann werde ich mit dem Zug wieder nach Hause fahren. Und lesen. (Oder einfach nur aus dem Fenster starren.)

Ich werde niemanden bewachen müssen, niemandem hinterherrennen, keine 1023 Fragen beantworten, keine Streits schlichten, keine Kekse / Wasserflaschen / Taschentücher reichen, keine „Mag ich nicht!“-Essensreste aufessen, mir nicht den Mund mit Erkärungen fusslig reden, keinen Wickelplatz suchen müssen.

Morgen habe ich Urlaub.


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yhdeksänkymmentäseitsemän

Welche darf’s denn sein? Die 97, die uns am Freitag auf dem Heimweg vom Schwimmen im Dunkeln entgegenkam, oder die, die gestern auf dem Parkplatz in Ruissalo stand?

[1-3, 4, 5, 6, 7, 8, 9-10, 11, 12, 13, 14, 15, 16-17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32-35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59-61, 62, 63, 64, 65, 66, 67-68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96]


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Grau-weiss, weiterhin

Es ist weiterhin grau. Und grau. Mit Grau. Keine Änderung in Sicht.

Wenigstens liegt Schnee, sage ich mir, und muss mir dennoch eingestehen, dass die schwere, graue Wolkendecke allmählich nicht nur auf die Kirchtürme und Baumwipfel, sondern auch aufs Gemüt drückt.

Fast kann ich verstehen, warum die Leute ihre Wochenenden in Einkaufszentren verbringen: dort ist es warm, trocken, hell und bunt.

Wir haben was anderes probiert: Sauna und Eisloch.

Jaaahre – ich weiss gar nicht wie viele, schätzungsweise sieben – ist es her, dass ich zum letzten Mal Eisbaden war. Danach war ich immer entweder schwanger, habe gestillt oder war kleinkindschlafmangelbedingt dauernd erkältet.

Aber immer habe ich mich danach gesehnt: nach der kleinen Sauna auf der hintersten Landzunge der Hausinsel, mit dem Umkleideraum, in dessen Kamin immer ein Feuer brannte, mit den provisorischen Duschen, aus denen zwar heisses Wasser kam, aber unter denen man kein Shampoo benutzen durfte, weil das Abwasser irgendwo ins Meer geleitet wurde, und dem heissen, engen, dunklen Saunaraum, in dem man sich dicht an dicht um den Saunaofen scharte und mit Kellen mit überlangen Stielen Wasser aufgoss, bis man krebsrot gegart war, um dann nach Luft schnappend ins eisige Wasser zu steigen und mit prickelnder Haut, heissen Johannisbeersaft schlürfend, im Badeanzug auf der Saunaterrasse zu stehen, den eigenen Herzschlag zu hören, aufs Meer zu schauen und sich warm und wohl zu fühlen.

Mittlerweile gibt es eine neue Sauna: ohne Kamin, ohne Flickenteppich für warme Füsse im Umkleideraum, mit einer Sauna für Männer und einer für Frauen – obwohl man natürlich weiterhin im Badeanzug sauniert, weil man ja sowieso die ganze Zeit rein- und rausrennt – und richtig heiss ist sie auch nicht mehr. Aber der Blick direkt von der Saunabank aufs Meer, der ist schon schön jetzt. Und das Gefühl, wenn man nach der Sauna nach Luft schnappend ins eisige Wasser steigt und dann mit prickelnder Haut, heissen Johannisbeersaft schlürfend, im Badeanzug auf der Saunaterrasse steht, den eigenen Herzschlag hört, aufs Meer schaut und sich warm und wohl fühlt, ist immer noch das gleiche.

Als dann der Ähämann dran war mit Saunieren, zog sich das Meer ganz zu. Zur grauen Wolkendecke gesellte sich ein weisser Nebelschleier. Und es fing an zu nieseln. Den Mäusekindern war kalt und nach einer warmen Pulla in irgendeinem Café statt nach vereistem Spielplatz. Der grosse Herr Maus rumpelstilzte ohne Unterbrechung: weil er auch ins Wasser wollte, weil Papa nicht sofort wiederkam, weil ihm kalt war, weil wir ihn anguckten, weil wir nicht „Mit dem Schiff nach Deutschland fahren“ spielen sollten, weil ihm die Handschuhe lästig waren, weil er ohne Handschuhe kalte Hände bekam…

Das nächste Mal nehmen wir die Mäusekinder einfach mit. Die müssen ja nicht ins Wasser gehen. Und vielleicht scheint dann auch ein bisschen Sonne.

Hoffen kann man ja.


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Wie ich einmal eine Doktorarbeit schrieb

Dieser Doktortitel-Aberkennungs-Hype geht mir auf die Nerven.

Betrug ist falsch. Aber dass jetzt jeder anklagend den Finger ausstreckt und „Pfui!“ schreit, und ganz besonders laut die, die gar nicht wissen (können), wie so eine Doktorarbeit eigentlich entsteht und was sie bedeutet, das macht mich rasend.

Es ist nämlich so:

1) Eine Doktorarbeit ist kein Roman.

Man schreibt so eine Doktorarbeit nicht von der ersten bis zur letzten Seite mit eigenen Gedanken voll. Eine Doktorarbeit lebt von Verweisen. Ich bin nicht gut im Schätzen, aber bestimmt 80% des Textes beziehen sich auf fremde Arbeiten. Die ganze Einleitung ist ein einziges Verweisen und Zitieren: was andere vor einem gemacht haben, was generell bekannt ist, was im Detail jemand herausgefunden hat – um zu erklären, warum man selbst sich gerade mit dem Thema befasst hat, um das es in der Doktorarbeit geht. Nicht einmal die Auflistung der benutzten Methoden kommt ohne Verweise aus, und das abschliessende Diskutieren und Einordnen der eigenen Forschungsergebnisse in das Grosse Ganze lebt natürlicherweise auch von… genau, Verweisen und Zitaten.
Hinzu kommt: wer eine wissenschaftliche Arbeit verfasst, der bedient sich auch nicht eines besonders individuellen Schreibstils, wie es zum Beispiel ein Romanautor tun würde. Wissenschaftssprache ist sehr sachlich und sehr… einheitlich. Ich wette, es gibt tausende Satzteile, Sätze, halbe Abschnitte, die sich in Doktorarbeiten und Publikationen der jeweiligen Fachrichtung wiederholen wie das „Es war einmal…“ in Grimms Märchen. (Ich nehme meine eigenen Publikationen da nicht aus.) Zufällig. Es geht gar nicht anders.
Denn was wäre die Alternative? Immer verschwurbeltere Formulierungen zu finden, die wirklich keiner Plagiatsaufdeckungssoftware ins Auge stechen? Wohl nicht.
Das ist keine Entschuldigung dafür, passagenweise abzuschreiben, weil einem selbst keine bessere Formulierung einfällt, oder Zitate bewusst nicht zu kennzeichen. ABER: das sollen sich die, die jetzt anklagend den Finger ausstrecken und „Plagiat!“ und „Hinterhältige Schummelei!“ schreien, mal bewusst machen.

2) Leute mit Doktortitel sind auch keine Übermenschen.

In den meisten Fällen ist ihnen der Titel vermutlich gar nicht mal wichtig. Mein Doktorvater sagte einst seufzend zu mir: „Ich wollte eigentlich nie Professor werden. Eigentlich wollte ich immer nur forschen. Das machen, was mich interessiert. Und dann wurde ich eben erst Doktor, und weil ich dann immer noch nicht genug hatte, habe ich weitergeforscht, und weiter veröffentlicht, und das führte unweigerlich zum Professor. Dabei hängt mir das zum Hals raus, alle die administrativen Aufgaben, die damit verbunden sind. Lieber würde ich die ganze Zeit nur tun, was mir Spass macht. Forschen nämlich.“
Mir selbst ging es ähnlich. Doktor? Ich? Och, nee, lass mal! Allerdings hat mir das Geforsche schon irgendwie Spass gemacht, und mangels anderer beruflicher Aussichten (nein, Biologen sind nicht soooo wahnsinnig begehrt auf dem Arbeitsmarkt) – was sollte ich tun? Fing ich eben eine Doktorarbeit an. Immerhin war das ein bezahlter Job, und einer, der mir Spass machte. (Nicht alles daran und nicht immer, aber so ist das ja in jedem Job.) Am Ende – sozusagen als Anerkennung für die Arbeit – das Ganze als echtes gedrucktes Buch mit ISBN und allem in der Hand halten zu können und mit einer recht feierlichen Zeremonie abzuschliessen, das war schon… schön.
Aber der Doktortitel an sich? Ehrlich, für den kann ich mir nichts kaufen. (Es gibt auch eher wenige Jobs, für die ein Doktortitel ausdrücklich Voraussetzung ist. Im Gegenteil, im Zweifelsfall stellt man lieber den Diplombiologen ein, dem muss man weniger zahlen. So viel zum Thema „Bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“.) Den Doktortitel sehe ich eher als eine Berechtigung zum Weitermachen – eine Postdoc-Stelle an der Uni kriegt man eben per Definition nur als Doktor – aber ich würde mich in Grund und Boden schämen, müsste ich den Doktortitel im Pass stehen haben oder würde mich jemand ausserhalb des Wissenschaftsbetriebs so ansprechen. Ehrlich. Der Doktortitel macht mich doch zu keinem anderen Menschen. Den Schornsteinfegermeister spricht man ja schliesslich auch nicht mit seinem Meistertitel an oder schreibt den „Meister“ in seinen Pass – dabei musste er sich diesen Titel ja auch erarbeiten.
Das ist keine Entschuldigung für die, denen es tatsächlich nur darauf ankommt, sich diese zwei Buchstaben mit dem Pünktchen hinten dran vor den Namen setzen zu dürfen, und sei es um den Preis der Benutzung unlauterer Mittel. ABER: dass solche Leute nur – das wage ich jetzt einfach mal zu behaupten – einen geringen Bruchteil aller Doktoren und Doktoranden ausmachen, und dass einer, der eine Doktorarbeit schreibt, nicht automatisch ein besserer, fehlerfreierer Mensch ist als der Schornsteinfegermeister, das sollten sich die, die jetzt anklagend den Finger ausstrecken und laut „Ausgerechnet als Doktor…“ oder „Wer sich mit so einem hohen Titel schmückt…“ schreien, auch mal bewusst machen.

(Ich bin ja gar kein Dr. Ich bin FT.)