Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku


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Zwischen den Jahren

Montag.

Es wird nicht hell. Offiziell scheint die Sonne derzeit hier bei uns 5 ¾ Stunden. Aber sie scheint nicht. Sie kriecht unter einer dicken Wolkendecke knapp über dem Horizont entlang und macht den Tag gerade so dämmerig, dass man ihn von der Nacht unterscheiden kann.

In den Wald zu gehen ist trotz allem das Beste, was man machen kann.

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Dienstag.

Es wird nicht hell. Und es regnet in Strömen. Manchmal ist es auch ganz schön, drin zu bleiben. Es gibt sogar Tage, an denen das ohne geschwisterliches Gezänk geht, jeder seinen selbstgewählten Dingen nachgeht und sich der kleine Herr Maus mit seinen Hummeln im Hintern still und konzentriert zu mir an den Tisch setzt, mit einer komplizierten Malen-nach-Zahlen-Aufgabe, während ich an einem Island-Fotobuch arbeite und in Erinnerungen an Sonne und (fast) coronafreie Zeiten und Gegenden schwelge. Was haben wir in anderen Weihnachtsferien an solchen Tagen gemacht, fragen wir uns, als lägen normale Weihnachtsferien Jahrzehnte zurück. Ich vermisse nicht viel aus dem Leben vor Corona, jedenfalls nicht schlimm, aber an solchen Tagen wäre es doch schön, in die Schwimmhalle, in ein Museum gehen zu können. Oder in die Eisbadesauna, und da wird mir bewusst, dass ich das Eisbaden tatsächlich schlimm vermisse. „Na, die sind doch sicher bald alle geimpft, Ritva und Silja und alle die anderen über Siebzigjährigen“, sagt der Ähämann, „dann können wir wieder hingehen.“ Wir lächeln uns schief an.

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Mittwoch.

Wir haben vor Weihnachten alle Skier, Stöcke und die Kiste mit den Skischuhen in den Flur getragen und Ski-Ringelpiez gespielt. Nur für den Fall. Für den Fall, dass es unerwartet möglich sein sollte skizufahren, für den sollten alle Familienmitglieder Skischuhe, Stöcke und Skier in der richtigen Grösse haben. Weitergeben ist nicht so unkompliziert, wie man denkt, da das älteste und grösste Kind die kleinste Schuhgrösse hat und unsere fünf Paar Skier insgesamt zwei verschiedene Sorten Bindungen haben. Es läuft darauf hinaus, dass der kleine Herr Maus die alten Skier des Fräulein Maus‘ bekommt, zusammen mit meinen Vor-Schwangerschafts-Skischuhen. Das Fräulein Maus passt noch in ihre Skischuhe, bekommt aber die (längeren) Skier des grossen Herrn Maus. Der grosse Herr Maus bekommt neue (noch längere) Skier und neue Schuhe gekauft, nur für den Fall, und der Fall könnte in Klein-Lappland günstigstenfalls an einem Tag zwischen den Jahren eintreten. Wir hypnotisieren die Wettervorhersage, die sich stündlich ändert und an einem Tag Schnee vorhersagt, der am nächsten Tag dann doch nur noch als Wasser vom Himmel kommen soll. Wir denken: „Am Montag!“, und dann rückt der Montag näher, und ach, es wird doch nichts. Aber vielleicht am Mittwoch! Wenn nur genug Schnee runterkommt! Aber am Dienstagabend sieht es nicht gut aus, zu warm, zu wenig Niederschlag, und vielleicht sollte man hier in unserer südwestfinnischen Ecke in Zukunft sowieso lieber in Elektroroller investieren als in Langlaufskier.

Aber als wir am Mittwoch aufwachen, liegen die Dächer der Nachbarhäuser und der Garten knöchelhoch voll matschigem Schnee, der zu Wasser wird, wenn man nur auf ihn drauftritt. Der kleine Herr Maus kommt aus dem Bett gehüpft und verkündet fröhlich: „Heute Harjureitti!“, und wir gucken ein letztes Mal auf die Wettervorhersage und das letzte Foto der Webcam und dann gucken wir uns an und sagen: „Na dann mal los!“

Wer willens ist, seine Loipe selbst zu spuren – ausser uns sind nur Spaziergänger und Fatbike-Radler unterwegs, und der Mann, den wir zuletzt dann doch für einen Skifahrer halten, entpuppt sich als Nordic Walker mit Stöcken – und wer AntiIce gegen dezimeterdicke Pappschneeschichten unterm Ski dabei hat, der hatte heute in Klein-Lappland die einzige Chance zum Skifahren im ganzen Jahr 2020.

Die 70 km lange Heimfahrt nach Turku fand in strömendem Regen statt.

So ist das hier bei uns.


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Weihnachtsspaziergang (2)

Seit den Herbstferien waren wir nicht mehr richtig im Wald. Weil fast immer Mistwetter war und es zu Hause zur Abwechslung ja auch mal ganz gemütlich ist.

Als es dann aber an unserem zweiten Weihnachtsferientag im verregneten Wald so schön war, merkte ich erst, wie sehr ich den Wald vermisst hatte. Und dass es schön wäre, wenn wir in den Ferien so oft wie möglich wandern gehen würden. (Skifahren wäre mir noch lieber. Aber ach…!)

Am zweiten Weihnachtsfeiertag liefen wir deshalb einen Rundweg, zu dem wir schon lange mal wollten. Er führte durch ein ehemaliges Torfabbaugebiet durchs Moor, über flechtenbewachsene Felsen, auf einen Aussichtsturm und durch dichten Wald. Wir sahen für ca. zwei Minuten die Sonne, wie sie knapp überm Horizont entlangkroch, und kurz nach drei waren wir froh, dass es bis zum Parkplatz nicht mehr weit war, denn im Wald war es da schon wieder ganz schön finster.

Es waren recht viele Menschen unterwegs, die uns aber alle überholten – nicht, weil wir so langsam gelaufen wären, sondern weil wir überall stehenblieben und guckten und staunten und uns freuten, während die anderen straffen Schrittes ihr Nach-Weihnachts-Workout möglichst schnell hinter sich zu bringen suchten. Tja.

Ein Strand auf dem Berg! (Eiszeit lässt grüssen.)

Diese Kiefern sind genauso alt wie ich.

Ob wir da mal wieder hingehen können, fragte hinterher das Fräulein Maus (!), es wäre so schön da gewesen. Machen wir ganz bestimmt!


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Weihnachtsspaziergang

In der Weihnachtsnacht ist ein Wunder geschehen: es hat ein bisschen Puderzucker geschneit!

(Und der Naturlehrpfad, den wir beim Weihnachtsbaumholen entdeckt haben, war auch sehr hübsch. Und kurz genug für die zweieinhalb Stunden Tageslicht, die wir noch zur Verfügung haben, wenn wir gefrühstückt, uns angezogen, zu Hause alles stehen und liegen gelassen haben und an einen Wanderstartpunkt unserer Wahl in der näheren Umgebung gefahren sind.)


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Heiligabend 2020

Die Weihnachtsfriedensverkündung fand dieses Jahr ohne Publikum und deshalb auch für uns im Fernsehen statt. Es war erst das dritte Mal, seit wir in Turku wohnen, dass wir nicht live dabeiwaren: einmal waren wir alle krank, und als der kleine Herr Maus erst sieben Wochen alt war, war es viel zu kalt, um mit ihm hinzugehen.

Auch der Weihnachts-Kindergottesdienst, zu dem unsere Kinder immer noch Jahr für Jahr gehen wollen, fand in diesem Jahr online statt: mit lauter kleinen Engeln, die sich sehr menschenkinderhaft benahmen, und mit einem echten Baby auf Marias Arm! ♥

Zum, ich glaube, ersten Mal in diesem Monat schien die Sonne. Obwohl sie schon kurz nach drei unterging, war es gegen vier immer noch ziemlich hell; das war fast anderthalb Stunden länger als am Tag zuvor. (So ist das hier nämlich.) Dabei hatten es die Kinder eilig, endlich die letzten der 24 erleuchteten Fenster im Museumsdorf angucken zu gehen, weil hinterher Geschenke unterm Weihnachtsbaum liegen würden.

Der Rest war wie immer: Milchreis essen, Geschenke bejubeln, Weihnachtssauna, Märchenfilm gucken, und alle gingen erst gegen Mitternacht ins Bett.


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Zwei Tage vor Heiligabend

Es schlafen Bächlein und See unter’m Eise
es träumt der Wald einen tiefen Traum.
Durch den Schnee der leise fällt wandern wir, wandern wir
durch die weite weiße Welt.

Haha! Muss man wohl langsam mal umdichten, so manches Weihnachtslied!

Trotzdem war es im Wald schöner als nicht im Wald. Viel schöner.

Ein Teufelstöpfchen.

(Und nur zehn Minuten mit dem Fahrrad von uns entfernt!)


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Entschleunigung

Oft beginnen hier die Weihnachtsferien ja erst am Tag vor Heiligabend.

Ich finde das sehr anstrengend. Die Kinder sind vor Weihnachten immer so aufgeregt, dass dieses Wir-müssen-uns-zu-Beginn-der-Ferien-erst-wieder-dran-gewöhnen-von-früh-bis-abends-zusammenzusein mit besonders viel Gezänk und Gezeter verbunden ist und erst am zweiten Weihnachtsfeiertag allmählich abklingt. (Soviel zum Thema Weihnachtsfrieden…) Ausserdem ist überhaupt keine Zeit, sich noch ein bisschen in Ruhe auf Weihnachten vorzufreuen.

Dieses Jahr ist es besser. Die Ferien fingen schon fünf Tage vor Heiligabend an! Rekord!

Heute riss uns halb zehn das Klingeln des Paketboten aus dem Ferienschlaf. Nach dem Frühstück spielten wir verkehrte Welt packte der Ähämann seinen Arbeitslaptop und eine Portion eingefrorenes Mittagessen ein und radelte zu meinem Arbeitsplatz, um seit langer Zeit mal wieder in Ruhe arbeiten zu können. Die Kinder und ich widmeten uns den Rest des Tages zeitaufwändigen Weihnachtsvorbereitungen.

Gegen Abend gingen uns der Zuckerkleber und die gelbe und rote Lebensmittelfarbe aus. Der grosse Herr Maus sprang beflissen auf sein Fahrrad und radelte zum nächstgelegenen Supermarkt, wo leider alle dieses Dinge ausverkauft waren. Aber was soll’s. Morgen ist auch noch ein Ferientag. Welch ein Glück!


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4. Advent

Heute hat Varsinais-Suomi mit der Zahl der Coronaneuinfektionen endgültig Uusimaa überholt: 14-Tage-Inzidenz 176 vs. 169; finnlandweiter Durchschnitt ist übrigens 96 – etwas, was wohl bis vor zwei Wochen noch niemand für möglich gehalten hätte, da Uusimaa seit März unangefochtener trauriger Spitzenreiter war.

Unsere Pläne für heute waren zum Glück pandemiekonform: Weihnachtsvorbereitungen und Mittagessen im Wald.

(Schnee statt Nieselregen wäre schön…)


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Jeden Tag ein Fensterchen (4)

Wir hatten uns zu früh gefreut: natürlich fällt der letzte Schultag nicht einfach aus, nur weil die Kinder Fernunterricht haben.

Die Herren Maus hatten ihre Zeugnisausgabe letzte Schulstunde heute um neun, das Fräulein Maus halb zehn. Der Wecker klingelte trotzdem erst halb neun, denn der Schulweg war denkbar kurz. Die Achtklässlerin huschte im Schlafanzug vor ihren Schullaptop, um der Weihnachtsansprache ihres Rektors zu lauschen. Der kleine Herr Maus kam zehn nach neun schon wieder aus seinem Zimmer und verkündete: „So. Fertig. Ferien.“ Dann überlegte er kurz und verschwand nochmal zurück in den Videochat, weil ihm der Abschied von seiner Lehrerin – die die Klasse nach den Skiferien kurzfristig als Vertretung übernommen und noch nicht richtig kennengelernt hatte, als drei Wochen später die Schulen wegen Corona geschlossen wurden, aber den engagiertesten und tollsten Fernunterricht, den sich die Klasse nur hätte wünschen können, gemacht hat – so schwer fiel und er noch ein bisschen mit ihr reden wollte. „Wir haben Nelli gefragt, was sie jetzt macht, ob sie eine andere Klasse übernimmt, und sie hat gesagt, sie möchte gerne weiterhin Vertretungen machen, aber lieber nur tageweise, dann hat sie Zeit, einen Hühnerstall zu bauen. Sie will sich nämlich Hühner anschaffen.“ Hach.

Dann waren offiziell Ferien.

Eigentlich wollten wir heute unseren Weihnachtsbaum aus dem Wald holen. Aber es nieselte nicht nur wie vorhergesagt, sondern regnete in Strömen, und so verschoben wir das Vorhaben auf morgen.

So, wie wir auch unseren eigentlich für gestern geplanten Abendspaziergang zu den nächsten erleuchteten Fenstern im Museumsdorf auf heute Abend – da hatte es dann endlich aufgehört zu regnen; nur der Weg durch den Wald war eine einzige Rutscherei auf Matsch und nassem Gras – verschoben haben.

Wohin wir dieses Jahr an Heiligabend statt zur Weihnachtsfriedensverkündung und zum Kindergottesdienst gehen werden, wissen wir auch schon.


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Finnisierung XLVI

Ich weiss auch nicht, wie es passieren konnte.

Jahrelang fand ich die Vorstellung, sich zu Weihnachten Hyazinthen in die Wohnung zu stellen, völlig absurd.

Dann hat mir vermutlich mal eins der Hortkinder vor Weihnachten eine geschenkt. Und was soll ich sagen… eigentlich passen Hyazinthen doch sehr gut zu Engel und Bergmann.

Ursprünglich waren es übrigens keine Hyazinthen, sondern Maiglöckchen, die sich die Finnen zu Weihnachten in die Wohnungen holten.


[Finnisierung I, II, III, IV, V, VI, VII, VIII, VIIIa, IX, X, XI, XII, XIII, XIV, XV, XVI, XVII, XVIII, XIX, XX, XXI, XXII, XXIII, XXIV, XXV, XXVI, XXVII, XXVIII, XXIX, XXX, XXXI, XXXII, XXXIII, XXXIV, XXXV, XXXVI, XXXVII, XXXVIII, XXXIX, XL, XLI, XLII, offizielle, XLIII, XLIV, XLV]


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Kurz vor Weihnachtsferien

Die Klasse des kleinen Herrn Maus hat ihre Quarantäne hinter sich gebracht. Heute durfte sie zum ersten Mal wieder in die Schule gehen. Und zum letzten Mal in diesem Jahr.

Ab morgen haben alle Turkuer 4. bis 9. Klassen – die Abiturstufe macht schon seit Wochen Onlineunterricht – für den Rest der Woche, also bis Weihnachtsferienbeginn bzw. Halbjahresende, Fernunterricht.

Das heisst auch, dass wir heute zum letzten Mal in diesem Jahr um 6:10 Uhr aufstehen mussten. Und dass wir um die Zeugnisausgabe am Samstagmorgen drumrumkommen werden. (Es wird dieses Jahr einfach gar keine gedruckten Halbjahreszeugnisse geben. Stattdessen werden die Halbjahresnoten ab Samstag um neun im Wilma stehen.) Wir werden unsere Weihnachtsferien so ausgeschlafen wie noch nie beginnen!

Beste Nachricht des Tages übrigens (gänzlich coronafrei): Finnland hat die Bildungspflicht bis 18 beschlossen. Das heisst, dass niemand mehr als Hilfsarbeiter von der Schule abgehen darf, sondern nach der 9. Klasse entweder einen Berufsabschluss oder das Abitur machen muss. Und das heisst auch, dass man als Familie und bei den hiesigen Buchpreisen nicht mehr verarmt, wenn vielleicht drei Kinder Abitur machen wollen und man für die letzten drei Schuljahre – anders als in den neun Schuljahren zuvor, in denen das Schulkind sämtliche Bücher, Hefte, Stifte, Malsachen, Bastelutensilien und ein digitales Endgerät kostenlos zur Verfügung gestellt sowie jeden Tag ein kostenloses Mittagessen vorgesetzt bekommen hat – alle Schulmaterialien selbst bezahlen muss. Denn: Bildungspflicht gleich Lernmittelfreiheit.

(Grösser könnte übrigens der Unterschied zwischen unserer vorherigen und unserer jetzigen Regierung kaum sein. Falls ich es noch nicht erwähnt haben sollte…)