Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku


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Der kürzeste Tag

Sonnenaufgang 09:37 Uhr, Sonnenuntergang 15:20 Uhr, -12 Grad. Wunderbar! :-)

Am liebsten mag ich die Zeit – so früh um neun, wenn ich auf Arbeit gehe – wenn der Himmel schon hellblau ist, aber die Strassenlaternen noch an sind. Sie geben dann nicht mehr wirklich Licht, aber blinkern in der bläulichen Kälte wie die Laternchen auf einem Weihnachtsberg. Und es ist überhaupt nicht dunkel. Alles was weiss ist – der Schnee, der Raureif auf den Bäumen, der Dampf, der vom koski aufsteigt, die riesige Wasserdampfwolke, die aus dem grossen Schornstein des Krankenhauses quillt – leuchtet besonders intensiv. Selbst der Dom, ganz und gar eingehüllt von Raureif, leuchtet weiss. Keine roten Ziegel, keine grüne Turmhaube, nur leuchtendes Weiss. Und dann kommt die Sonne. Färbt den Himmel rosa, taucht später alles Weiss in ein warmes Gelborange, lässt den Raureif glitzern. Und kriecht nur geradeso über den Dächern lang.

Jeder kalte Tag in dieser Zeit ist ein Geschenk. Bloss nicht dran denken, wie es bei Schmuddelwetter und Regen wäre…


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Männer- und Frauenlogik, generationsübergreifend

Natürlich haben wir jetzt seit vier Tagen genau die gleiche Diskussion, die schon im Hause Köhler zwischen Vater und Mutter geführt wurde, erst zum Erliegen kam, als ich mit ungefähr zwölf das Puppenwagenschieben aufgab, und doch ergebnislos blieb, so wie sie auch bei uns dank der haargenau gleichen geschlechtsspezifischen Argumente ergebnislos bleiben wird: Wo denn nun bei so einem Kinderwagen hinten und vorne ist.


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Qualitätsmerkmale

Am Samstag haben wir dem Mäusekind einen Kinderwagen gekauft. Eigentlich wollten wir erstmal nur gucken, aber da wir eigentlich wussten, was wir wollten, und es das gewünschte Modell auch gleich noch in der von uns favorisierten Farbe gab („Wintertyp“-Karen ;-) hat entschieden, der ein wenig farbenblinde Ähämann war einverstanden, dem sind die technischen Details wichtiger), dachten wir, warum nicht, nehmen wir ihn doch gleich mit. Die Verkäuferin war sehr nett, führte uns alles mögliche vor und beglückwünschte uns am Ende zu unserer Entscheidung: „Das ist wirklich ein guter Kinderwagen! Die werden in Schweden produziert, deswegen ist das so gute Qualität!“ Ach! *grins*

Tatsache ist, dass bestimmt einige Details an dem Wagen so gut durchdacht sind und ihn für Finnland so geeignet machen, weil er in einem Land produziert wird, wo es die gleichen natürlichen Gegebenheiten gibt. Auf die Idee eines gleich in das Verdeck integrierten Mückennetzes oder eines extra wärmeisolierenden Styroporbodens käme ein mitteleuropäischer Hersteller wahrscheinlich gar nicht.

Tatsache ist aber auch, dass sich Finnen und Schweden nicht so ganz grün sind. Und dass Finnen eigentlich immer nur ihre eigenen Produkte für qualitativ besonders hochwertig halten.

Nur, wenn man etwas selbst nicht produziert, dann vertraut man anscheinend auch als Finne lieber den Produkten des nordischen Nachbarn als denen eines Mitteleuropäers. Dann sind also auch schwedische Produkte gut genug. Gut zu wissen. ;-)


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”Studentenarzt? Poliklinik? Das klingt ja wie zu DDR-Zeiten…“

… wurde ich kürzlich per mail gefragt. Und weil ich gerade vom Zahnarzt komme, dachte ich, ich erklär’ mal, wie das hier so läuft…

Kürzlich unterhielt ich mich mit Pälvi, die mir eine lustige Stelle aus dem Bericht über ihre Blinddarmoperation vorlas, über das deutsche Gesundheitssystem. Ich sagte ihr, dass man in Deutschland als Patient kaum einmal einen Bericht selbst in die Hand bekommt. Dass es zumindest bei meiner Hausärztin so war, dass jegliche Ergebnisse eines Bluttests oder was auch immer an die Praxis meiner Hausärztin geschickt wurden. Und wenn ich dann dort anrief, um das Ergebnis zu erfahren, hiess es immer, die Schwester dürfe mir darüber keine Auskunft geben. Entweder ich käme hin, oder ich müsse warten, bis die Ärztin mit ihrem gerade jeweiligen Patienten fertig sei, um mir das Ergebnis selbst vorzulesen. „Wirklich?“, fragte Pälvi, „das muss doch unheimlich teuer sein, wenn für alles, selbst für eine Auskunft, der Arzt zuständig ist.“ „Ja, das ist es auch…“ Zumindest, wenn man es mit den 1,5 % (in Worten: EINS KOMMA FÜNF!) meines Lohnes, den ich hier für die Krankenversicherung bezahle, vergleicht.

Und wie geht das, dass das hier so billig ist?

Nun, erstmal damit, dass das Gesundheitswesen hier sehr viel effektiver organisiert ist. Und dass es weniger Ärzte gibt als in Deutschland. Normal kann das ja nicht sein – in dem Jenaer Stadtteil, in dem ich meine gesamte Studienzeit zugebracht habe, gab es einen Allgemeinarzt (der immer hoffnungslos überfüllt war – von Leuten, die wirklich krank waren, aber sich eben in den einen Arzt teilen mussten, aber auch von Rentnern, die nur mal mit jemandem reden wollten und die unsere Ärztin dann immer geduldig und nett möglichst schnell wieder hinauskomplimentieren musste), aber ganze vier Frauenärzte (eine Frauenarztpraxis ist schliesslich lukrativer, auch wenn man nie mehr als zwei Patienten gleichzeitig im Wartezimmer sitzen hat – und oft weniger).
Hier gibt es pro Stadtteil ein kommunales terveyskeskus – das, was ich in meiner mail, die dann schliesslich zu obiger Frage führte, als „Poliklinik“ bezeichnet hatte, weil es das meiner Meinung nach am besten trifft – mit allen Ärzten, die man so braucht. Zwar hat man dort keine freie Arztwahl wie in Deutschland – man muss eben zu dem gehen, der einem laut Wohngebiet zusteht – aber es gibt weder zu viel noch zu wenige Ärzte pro Patient. Ein Arztbesuch im terveyskeskus kostet den Patienten wahlweise 10 € pro Besuch oder 22 € pro Jahr. Rentner, die nur mal mit jemandem reden wollen, werden dort wohl also eher nicht hingehen. Ausserdem, wenn man nichts Ernstes hat, bekommt man auch gar nicht erst einen Arzttermin.

Das ist nämlich der nächste Grund, warum es hier billiger ist: einen Termin beim Arzt bekommt man nur, wenn auch wirklich ein Arzt vonnöten ist. Hat man nur eine Erkältung, kann man ohne Anmeldung zur Krankenschwester im terveyskeskus gehen. Die schaut sich an, wie schlimm es ist, macht auch Tests, ob es z.B. eine Angina oder doch nur „harmloses“ Halsweh ist, gibt Tipps zur Behandlung oder macht, wenn nötig, doch einen Termin beim Arzt aus. Ausser dass das Geld spart, weil die Krankenschwester für eine Untersuchung nicht so hoch bezahlt werden muss wie ein Arzt, hat das auch den Vorteil, dass man eigentlich nie mit Wartezeiten rechnen muss. Bei der Schwester kommt man fast immer sofort dran, und hat man doch einen Arzttermin bekommen, ist der so gut kalkuliert, dass man auch nicht warten muss.
Auch die Schwangerschaftsvorsorge übernimmt hier nicht automatisch der Arzt. Wozu auch? Ist ja keine Krankheit. Die Hebamme in der neuvola macht Blut- und Urintests, hört die Herztöne des Babys ab und erklärt vor allem alles Mögliche und beantwortet Fragen. Zu zwei oder drei Vorsorgeuntersuchungen kommt, wenn alles normal verläuft, ein Frauenarzt in die neuvola, aber eben nicht zu jeder.

Und manche Untersuchungen sind sehr zentralisiert. Zu Beginn meiner Schwangerschaft wurden bei mir eine Reihe von Bluttests gemacht – zur Bestimmung von Blutgruppe und Rhesusfaktor und der Menge an Röteln-Antikörpern und ein Aidstest und was weiss ich alles, sechs Röhrchen Blut hat es mich jedenfalls gekostet *jetztnochschwindel*. Das hat aber nicht die Schwester in der neuvola gemacht, sondern, damit es schneller geht, wurde ich dazu in das Zentrallabor im Uni-Krankenhaus geschickt. Dorthin bekommt man eine Überweisung, auf der steht, was alles getestet werden soll, und man geht dann einfach ohne Voranmeldung dort hin, zieht eine Nummer und wartet und wartet, bis man dran ist. Da dort mindestens vier Schwestern den ganzen Tag mit nichts Anderem beschäftigt sind, als Leuten Blutproben abzunehmen, muss man auch dort kaum warten. Und auf das Ergebnis auch nicht lange. Die Proben werden ja gleich an Ort und Stelle untersucht, nicht erst aus der Arztpraxis abgeholt und ins Labor gebracht.
Zum Ultraschall muss man auch in eine spezielle Schwangerenultraschallpraxis, im städtischen Krankenhaus. Den ersten Ultraschall, in der 12. bis 14. Woche, macht ein Spezialarzt. Der war so spezialisiert, dass ich für immer in Erinnerung behalten werde, wie er plitzplatz eine Messung nach der anderen am ultrageschallten Mäusekind vornahm, uns die Messwerte mitteilte und nach jedem ein ein wenig gelangweiltes „This is normal…“ hinterherschob, während wir vor Staunen und Rührung, das Mäusekind zum ersten Mal zu sehen, uns überhaupt nicht für seine Werte interessierten. (Doch, beruhigt hat es uns schon! Aber es ist eben etwas anderes, sein eigenes und erstes Mäusekind zum ersten Mal zu sehen, als den 8236. Embryo zu vermessen.) Und wenn alles in Ordnung ist, dann hat man in der 20. Woche nochmal einen Ultraschall, und wenn da auch alles in Ordnung ist, dann war’s das. Und das reicht ja auch. Eine deutsche Freundin erzählte mir:“Naja, eigentlich hat man in Deutschland auch nur drei Mal Ultraschall, aber mein Frauenarzt hat bei jeder Vorsorgeuntersuchung einen gemacht, also insgesamt neun Mal.“ NEUN Mal?! Und nein, sie ist nicht privat versichert. Ja, auch da geht das Geld hin in Deutschland…

Das einzige, womit ich hier bisher nicht so recht zufrieden war, ist der Zahnarzt. Zahnärzte gibt es in Turku zu wenige, und ich hab’ keine Ahnung, warum man diesen Zustand nicht ändern kann. Letztes Jahr rief ich im Oktober da an und wollte gern einen Termin noch bis Jahresende. Nur so, zum Nachgucken. „Nee“, bekam ich gesagt, „das wird nichts mehr dieses Jahr.“ Es sei denn, ich hätte Probleme. Ansonsten könne ich mich nur auf die Warteliste setzen lassen. Und wann ich denn dann mit einer Untersuchung rechnen könne? „So in ungefähr neun Monaten!“ Ich bin fast umgefallen, aber da ich tatsächlich keine Probleme hatte, hab’ ich mich damit abgefunden. Im September bekam ich dann eine SMS, ich wäre jetzt auf der Warteliste vorgerückt, ich solle bitte innerhalb der nächsten Woche anrufen und einen Termin machen. Den Termin bekam ich dann für Ende Oktober. Auch dieser sehr effektiv. Mir standen genau 20 Minuten zu, in denen alle meine Zähne überprüft wurden und festgestellt wurde, dass eine alte Füllung erneuert werden müsse und ich zwei neue, kleine Löcher hätte und auch Zahnstein entfernt werden müsse. Dafür bekam ich dann zwei neue Termine, den für die Löcher hatte ich heute, den für den Zahnstein am Montag. Komisch war das schon, nach dem check-up direkt wieder heimgeschickt zu werden, statt dass die gefundenen Schäden gleich behoben werden. Aber andererseits erspart auch das allen wieder Wartezeiten: man kann ja vorher nicht wissen, ob der Patient ein Gebiss hat, an dem rein gar nichts gemacht werden muss, oder ob es eine Dreiviertelstunde dauern wird (wie bei mir heute) bis alle Schäden behoben sind. Letztendlich bin ich heute auch aus dem Staunen nicht herausgekommen – so viele Geräte und Gerätchen hatte ich noch nie bei einem Zahnarzt gesehen. Und schlimm war’s auch nicht. Allerdings recht teuer: pro behandeltem Zahn muss man nämlich 22 € bezahlen, der check-up hat mich 12 € gekostet. Das klingt viel, aber wie oft muss man das wirklich bezahlen? Letztendlich spart man doch, weil eben die Krankenkassenbeiträge so niedrig ist. Ach ja, und es gibt auch nur eine Krankenversicherung. Das läuft alles über KELA.

Als Student kann ich auch ins Studenten-terveyskeskus gehen. 35 € vom Semesterbeitrag sind dafür vorgesehen. Der Service dort soll etwas besser sein (obwohl ich mich, bis auf den Zahnarzt, nicht beklagen kann über das kommunale terveyskeskus), und auch preiswerter, dort zahlt man z.B. beim Zahnarzt nur 6 € pro halbe Stunde.

Naja, und wem das alles nicht passt, der kann ja schliesslich eine private Krankenversicherung abschliessen und zu einem der vielen privaten Ärzte gehen. Aber das sehe ich ja gar nicht ein!


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Wie Weihnachten

…war das! Ich weiss gar nicht, wann ich zuletzt so ein richtig grosses Paket bekommen habe. So richtig mit Benachrichtigung und sich drauf freuen, endlich zur Post gehen zu können, und jemanden zur Unterstützung mitnehmen zu müssen, weil es so gross und schwer ist. Ein Paket, in dem ganz viele verschiedene Sachen drin sind, so dass man ganz lange auspacken kann. Und nicht irgendein bestelltes Teil, das eben per Post verschickt wird und das man ja dann doch noch bezahlen muss, sondern ein richtiges freundliches Paket, das einem geschenkt wird. Das man nur abholen muss und auspacken und sich freuen. Wie Weihnachten war das gestern, als wir das KELA-Paket abholen und auspacken konnten! Danke, Finnland! :-)


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Unabhängigkeitstag

Montag, 16:01 Uhr: Ich stehe im Nahverkehrsbüro, wo ich meine normale Monatskarte gegen die endlich erhältliche Monatskarte nach Bedarf umtauschen will, vor verschlossenen Türen. Normalerweise haben die bis 17:00 Uhr auf. Aber nicht heute. Nur bis 16:00 Uhr. Nein, ich versuch’ jetzt nicht, mich in den A… zu beissen, dass die Entscheidung „Erst zu Tiimari, dann ins Nahverkehrsbüro, oder erst ins Nahverkehrsbüro und dann zu Tiimari?“ zu Gunsten ersterer Alternative ausgefallen ist! Hyvää Itsenäisyyspäivää!

Montag, 18:35 Uhr: Der liebste Ähämann ist mit mir mit dem Auto zur Post gefahren, um mir bei der Abholung des 8,4 kg schweren KELA-Pakets behilflich zu sein. Eigentlich ist die Post ja wochentags bis 20:00 Uhr geöffnet. Aber ich stehe zum zweiten Mal an diesem Tag vor verschlossenen Türen. „Heute nur bis 18:00 Uhr. Und, Hyvää Itsenäisyyspäivää!

Dienstag, 09:20 Uhr: Ich wache auf. (Es ist nämlich Feiertag, und wir dürfen ausschlafen!) Es hat frisch geschneit, ist noch halb dunkel, aber die finnische Flagge flattert schon am grossen Fahnenmast vor unserem Haus. Hyvää Itsenäisyyspäivää!

Dienstag, 09:30 Uhr: Ich stehe auf. Schliesslich wollen wir in aller Ruhe frühstücken, bevor wir zum Konzert gehen. Wir haben nämlich zwei Freikarten für das Festkonzert anlässlich des Unabhängigkeitstages im Turkuer Konzerthaus bekommen. Der Nikolaus war übrigens auch da! :-) Schön, neuerdings zu Nikolaus immer frei zu haben! Hyvää Itsenäisyyspäivää!

Dienstag, 10:55 Uhr: Wir stehen an der Bushaltestelle. Die 4 kommt mit zwei wehenden finnischen Fähnchen rechts und links auf dem Dach angebraust. Es erinnert mich an die 1.Mai- und 7.Oktober-Beflaggung der öffentlichen Verkehrsmittel damals in Karl-Marx-Stadt. Und doch wieder auch nicht. Hier geschieht das aus freiem Willen. Wenn ein Busfahrer seinen Bus mit der Fahne schmücken möchte, dann macht er das, wenn nicht, dann nicht. Und ich finde das irgendwie rührend, diese kleinen privaten Gesten. Natürlich wünschen wir ihm beim Einsteigen: „Hyvää Itsenäisyyspäivää!“.

Dienstag, 10:25 Uhr: Der Vorraum des Konzerthauses hat sich schon gut gefüllt. Festlich gekleidete Menschen, etliche Kriegsveteranen in Uniform und mit diversen Orden. Es gibt Kaffee und Törtchen für alle. Jemand geht rum und verteilt finnische Fahnen zum Anstecken. Hyvää Itsenäisyyspäivää!

Dienstag, 12:00 Uhr: Das Konzert beginnt. Natürlich mit der Nationalhymne. Alle stehen auf und singen mit. Darf ich mitsingen, wo es doch heisst “mein Geburtsland” und “Land meiner Väter”? Andererseits kann ich guten Gewissens die Worte „Kein Land, so weit der Himmelsrand, kein Land mit Berg und Tal und Strand, wird mehr geliebt als unser Land im Norden…“ mitsingen. Vielleicht gerade, weil es eben nicht mein Vaterland ist.
Es werden ausschliesslich finnische Musikstücke gespielt, zum Schluss natürlich die Finlandia. Hyvää Itsenäisyyspäivää!

Dienstag, 14:30 Uhr: Wir sind wieder zu Hause. Es ist auch schon wieder reichlich finster. Eigentlich wollten wir später noch Kerzen gucken gehen. Am Abend des Unabhängigkeitstages stellen die Finnen nämlich zwei Kerzen ins Fenster, eine blaue und eine weisse. Aber da es inzwischen in Turku mal wieder nieselt, werden wir das dieses Jahr ausfallen lassen. Hyvää Itsenäisyyspäivää!

Dienstag, 15:30 Uhr: Der Hausmeister vom „Talo-Team“ holt die Flagge herunter. Jetzt schon? Doch, doch, da war doch was mit Sonnenuntergang, und der ist ja schon vorbei… Schnell mal die Beflaggungsanweisungen in meinem Kalender nachschlagen: “Die offizielle Beflaggung beginnt morgens 8 Uhr und endet mit Sonnenuntergang, im Sommer aber auf jeden Fall 21 Uhr. Die Juhannus-Beflaggung beginnt am Vorabend 18 Uhr und endet am Juhannustag 21 Uhr. Am Unabhängigkeitstag und solchen Wahltagen, an denen die Wahllokale nach Sonnenuntergang schliessen, endet die Beflaggung um 20 Uhr.“ Na bitte, dürfen tut er eigentlich noch nicht. Aber vielleicht hat er den Satz über den Unabhängigkeitstag absichtlich überlesen, weil er 20 Uhr vorm Fernseher sitzen will. Denn:

Dienstag 18:50 Uhr: YLE beginnt die Übertragung des Empfanges bei der Präsidentin . Jedes Jahr empfängt der finnische Präsident oder die finnische Präsidentin neben den noch lebenden ehemaligen Präsidenten, den Regierungsmitgliedern, den Diplomaten, den kirchlichen Würdenträgern und den Uni-Rektoren Künstler, Sportler, Wissenschaftler, sozial engagierte Bürger, Kriegsveteranen… dieses Jahr aber z.B. auch Finnen, die bei der Tsunami-Katastrofe besondere Hilfe geleistet haben. Ich weiss eigentlich auch nicht, worin der besondere Reiz liegt, dabei zuzugucken, wie Tarja Halonen 2000 Menschen die Hand schüttelt – vielleicht ist es einfach schön, Menschen anzugucken. Wir machen das jedenfalls gern. Der liebste Ähämann mit dem Fotografenauge, ich nur so.
Gelegenheit, mich auch mal wieder zu wundern, wie das so ist mit den Finnen und ihrer Präsidentin… Als sie 2000 gewählt wurde (als ich ja bekanntermassen auch gerade im Land war), hatte ich natürlich keinerlei Ahnung von finnischer Politik und finnischen Politikern, aber die Wahlplakate waren natürlich unübersehbar. Ich weiss noch, dass ich gedacht habe:“Also die, die würde ich ja nicht wählen. Die guckt so streng…“ Da konnte ich ja noch nicht ahnen, dass sie bald „Muuminmamma“ genannt werden würde (wegen der grossen Handtasche, die sie immer dabei hat – nein, gestern nicht, gestern nur eine ganz kleine! – wegen ihres Ganges, und vor allem wohl wegen der Eigenschaften, die eine Muuminmamma eigentlich ausmachen) und zum beliebtesten Politiker Finnlands werden. Damals war sie gar nicht so beliebt. Es hiess, nur „der Süden“, nur „die Stadtleute“, hätten sie gewählt. „Das Land“ aber wollte sie eigentlich gar nicht – weil sie eine Frau war, weil sie unverheiratet mit einem Mann zusammenlebte, weil sie nicht der Kirche angehörte, weil sie überhaupt viel zu unkonservative Ansichten hatte, weil… Heute hat sie gute Chancen, die Präsidentschaftswahl im Januar als Erste in der finnischen Geschichte gleich beim ersten Durchgang zu gewinnen. Wenn keiner der Kandidaten im ersten Durchgang mehr als 50 % aller Stimmen erhält, dann gibt es eine zweite Runde, bei der nur die zwei Kandidaten nochmal gegeneinander antreten, die beim ersten Durchgang die meisten Stimmen erhalten haben. Aber Muuminmammas Chancen für einen Sieg gleich beim ersten Durchgang sind laut aktueller Umfragen recht gross. Wie läuft das noch gleich in Deutschland? Hat da schon jemals eine wirklich ins Gewicht fallende Menge an Bürgern sich eines Besseren belehren lassen? Gesagt „Okay, ich wollte den / die nicht, ich hab’s ihm / ihr nicht zugetraut, aber alle Achtung…!“? War es nicht bisher immer so, dass jemand gewählt wurde und gleich nach der Wahl das Geschrei losging „So hatten wir uns das aber nicht vorgestellt! Den / die wähle ich nicht wieder!“? Woran liegt das denn? An den Kandidaten? Daran, dass man sich in einem kleinen Land mehr mit seiner Regierung identifizieren kann? Daran, dass der Deutsche nicht glücklich ist, wenn er nicht meckern kann?
Zum Schluss noch ein nachdenkliches Hyvää Itsenäisyyspäivää!


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Pikkujoulu

Ab Ende November ist es soweit: Pikkujoulu-Zeit! Weihnachtsfeiern! Besonders besinnlich geht es auf finnischen Weihnachtsfeiern allerdings nicht zu. Es gibt ein üppiges Weihnachtsbuffet mit Fisch in allen Varianten als Vorspeise (njam!), und verschiedenen laatikot, als da z.B. Möhren- oder Leberauflauf wären, und dem traditionellen Weihnachtsschinken als Hauptspeise (örks!). Ansonsten geht es, Gerüchten und Vorurteilen nach, so zu: Frau brezelt sich auf, erscheint im Kleinen Schwarzen oder mit möglichst glänzenden und glitzernden Oberteilen, Man(n) trägt alberne Wichtelhüte, trinkt viel Alkohol, macht sich bei Spielchen zum Affen, trinkt viel Alkohol, singt Karaoke, trinkt viel Alkohol und geht dann mit irgendjemand des anderen Geschlechts nach Hause und ins Bett, was am nächsten Morgen vergessen ist.

Die Polizei macht verstärkt Alkoholkontrollen, und die Klamottenläden quellen über von schwarzen und roten, glänzenden und glitternden Kleidern, Blusen und Hosen.

Aber eigentlich kann es auch ganz nett sein. Ich war gestern Abend auf meinem allerersten Instituts-pikkujoulu. (Vor zwei Jahren bin ich am Tag vorher krank geworden, und letztes Jahr war auch irgendwas…)

Ich hab’ die Vorspeise als Vorspeise und als Hauptspeise gegessen (ich hab’ vor sechs Jahren in Konnevesi beim Weihnachtsessen die Aufläufe probiert – und damit genug. Ich weiss jetzt, wie sie schmecken. Nicht so, dass ich das wieder haben müsste, jedenfalls.) Alle waren chic angezogen, aber nicht so übertrieben glitzerig (Biologen eben). Ich mit meinem einzigen schwarzen Schwangerenrock, der nun für sämtliche festliche Anlässe herhalten muss, statt Kleinem Schwarzen war auch nicht underdressed. Jede Arbeitsgruppe sollte sich einen kleinen Programmpunkt ausdenken, was natürlich nicht jede Arbeitsgruppe gemacht hat, aber die Spiele, die’s gab, waren wirklich lustig. Wir mussten „Forschungsanträge“ schreiben, wobei einer das Forschungsobjekt, einer die wissenschaftliche Fragestellung, einer die zu erwartenden Ergebnisse beisteuern musste, die dann wahllos zusammengestellt wurden. Ein Antrag wollte z.B. Geld für die Erforschung eines Tiefseefrosches in Tibet. Das Auditorium hat ihn natürlich sofort bewilligt! :-) Pälvi und ich haben lustige Fotos von der Feldarbeit gezeigt – erst nur Ausschnitte aus den Fotos, und die anderen sollten raten, was auf dem Foto zu sehen ist. Pantomime mussten wir machen. Und natürlich Karaoke singen. Ich versteh’s nicht – wo die Finnen sonst so schüchtern sind – aber Karaoke gehört zu jeder Party dazu. Und alle sind begeistert dabei und gehen richtig aus sich raus. Jouni, der sonst eher still ist und dem bei seiner Verteidigung vor ein paar Wochen der Opponent jedes Wort förmlich aus der Nase ziehen musste, hat ausdrucksstark ein Lied nach dem anderen vorgetragen. Johanna, sonst eher der Typ „Graue Maus“ hat sich als eine der ersten zum Singen gemeldet. Hm. Und alle anderen haben dazu getanzt. So richtig besoffen war auch keiner. Jenni setzte sich irgendwann zu späterer Stunde zu mir, gestand auch, sie wäre schon ein bisschen betrunken, und wurde ganz rührselig dabei, mir von ihrer Schwangerschaft und ihrem Kind zu erzählen und mich auszufragen, wie es bei mir so wäre und gerührte Blicke auf meinen Bauch zu werfen. Harri trug ausser seinem Karaokestück mit ein paar Bier intus auch noch voller Inbrunst Vogelstimmen vor. Wirklich unangenehm besoffen war keiner. Dafür waren alle fröhlich und hatten Spass.

Und, ja, ich bin auch nicht allein nach Hause und ins Bett gegangen. Ich hab’ mir meinen Bettgenossen allerdings von einem anderen pikkujoulu geholt. Dort war nämlich der liebste Ähämann. :-)


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Das erste Türchen

…durfte ich am Sonntag schon aufmachen, ätsch!

Schliesslich hat der Advent ja am Sonntag schon angefangen. Und mein Adventskalender weiss das. Weil dieses Jahr die Adventszeit so lang ist, hat er ganze vier Extratürchen noch für den November. An den Adventssonntagen ist immer die entsprechende Anzahl von Kerzen drin, und am 6., dem finnischen Unabhängigkeitstag, ist immer eine finnische Fahne hinter dem Türchen.

Ich find’ den so toll, dass es seit dem ersten, den ich vor zwei Jahren bekommen habe, gar keine Frage mehr gibt, was ich im nächsten Jahr für einen möchte: natürlich den von den Pfadfindern!