Nicht ganz die richtige Jahreszeit für einen Urlaub, aber das ist das Los der Freilandbiologen… ich freu’ mich trotzdem, in die zweite Heimat meiner Kindheit zu fahren…
Monatsarchiv: Oktober 2004
“Heute Nacht grosse Wühlmausparty…
…auf Lökharu, Bokull gaddarna, Örs ören, Rögrund und Norrörarna. Hafer im Überfluss! Getränke bitte selbst mitbringen!“
So sieht’s aus. Ich hoffe, sie fressen nicht gleich alles auf einmal in sich hinein, denn eigentlich sollen sie damit ein bisschen besser über den Winter kommen (bzw. wollen wir testen, ob sie damit wirklich besser über den Winter kommen).
Mein letzter Tag im Archipelago für dieses Jahr. Ich weiss auch nicht, warum das, wenn ich mit Mikael rausfahre, immer in Abenteuerurlaub ausarten muss…
Halb sechs aufgestanden, Blick aufs Thermometer: -2 Grad! Genau der richtige Tag, um 150km mit einem offenen Motorboot übers Meer zu fahren!!! Unterhemd, langärmliges T-Shirt, zwei Pullover, eine Fleece-Jacke, eine dicke Strumpfhose mit Füssen, eine dicke Strumpfhose mit abgeschnittenen Füssen, normale Socken, dicke Socken, Cordhose und darüber der Mäusepelz sowie Mütze und Handschuhe erwiesen sich jedenfalls als nicht zu viele Klamotten. J-FI, bis unters Dach mit hafergefüllten Bonbonkisten beladen, mit vereister Frontscheibe. Na prima, wie (wo!) soll ich bei der Beladung den Eiskratzer finden? Hab’ ich aber, Gott sei Dank! Im Stockdunklen mit Mikael Richtung Hafen losgefahren. In der Dämmerung das ringsrum vereiste Boot beladen. Nur nicht ausrutschen auf dem bereiften Steg! Und los! In den Buchten stieg Nebel vom Meer auf, im Osten wurde es oranger und oranger, und dann ging die Sonne auf, kroch eine Stunde lang an den Baumwipfeln der grösseren Inseln entlang und fing danach an, doch wenigstens ein kleines bisschen zu wärmen. Es war so klar heute, dass man bis zum Horizont sehen konnte, und die Inseln, die dort gerade auftauchten, schienen durch eine Art Fata Morgana einige Meter über dem Wasser in der Luft zu schweben. Und das Meer am Horizont war keine Linie, sondern man konnte die Zacken der Wellen sehen. Wow!
50 km nach Vänö, Futter auf drei Inseln bringen, 50 km nach Utö, Futter auf zwei Inseln bringen, 50 km zurück nach Turku. Durchgefroren. Geschafft. Toller Tag gewesen! :-)
.
Fort sind sie. Keine einzige Vogelbeere hängt mehr an irgendeinem Baum, und die Seidenschwänze sind mit vollgefressenen Bäuchen weitergezogen. Ein paar sind freilich auch auf der Strecke geblieben, leider. Vom Habicht gefressen, der sich wohl auch über das Überangebot von Nahrung gefreut hat und sich jetzt auch den Bauch hält. Und ein paar sind leider an den verd… Glasscheiben der Treppenhäuser im Yo-kylä verendet. Aber wir wohnen in einem tierfreundlichen Haus – schon ein paar Stunden später hatte jemand aus Papier eine Greifvogelsilhouette ausgeschnitten und von innen ans Glas geklebt.
Gestern sind wir den ganzen Tag herumgefahren, ausgestattet mit Marjaanas Gelben Seiten und ein paar persönlichen Empfehlungen von ihr, um einen Platz für unsere Hochzeitsfeier auszusuchen. Unsere Hauptkriterien waren: es sollte irgendwo „auf dem Land“ sein, am besten in Meernähe, und wir sollten unseren eigenen Alkohol mitbringen dürfen. In Finnland haben nämlich nicht alle Lokale die sogenannten A-Rechte, die sie zum Alkoholausschank berechtigen, und bei denen, die sie nicht haben, darf man meistens selbst für die alkoholischen Getränke sorgen, was uns natürlich eine Menge Geld sparen würde. (Ich freu’ mich schon auf die Weinfuhre aus Deutschland. Ich weiss noch nicht, ob ich’s lustige finden werde oder mich zu Tode schämen. Aber dafür haben wir ja das finnische Kennzeichen am Auto. ;-) ) Aber, nicht überall. An dem von uns eigentlich favorisierten Platz sagte man uns, nein, kein Alkohol drin, aber wir könnten unseren eigenen Alkohol mitbringen, der müsse dann aber auf dem Hof ausgeschenkt werden. „Bitte?! Dann muss man zum Trinken rausgehen?!“ „Ja.“ „Und Wein zum Essen?“ „Nein. Wir bieten zum Essen Milch, Wasser oder Kotikalja an.“ Na prima! Kotikalja, dieses sogenannte hausgebraute „Bier“, das 99% Prozent der deutschen Gäste inklusive Braut und Bräutigam eklig finden werden, und ansonsten Milch oder Wasser. *andenkopffass* Da feiern doch nur Bräute, die schon schwanger sind! Oh Finnland… manchmal ist es schon zum Haareraufen! Wie’s aussieht, wird es nun aber dort oder dort werden.
Unterwegs rief mich noch Mikael an, um mir zu sagen, dass wir auch am Sonntag nicht rausfahren können. *seufz* Wir brauchen noch genau EINEN halbwegs ruhigen Tag, um meine Feldarbeit für dieses Jahr abschliessen zu können (Ursprünglich hatten wir ja mal gedacht, vielleicht auch noch die vier letzten Inseln in Utö zu fangen – ich weiss nicht, wie wir überhaupt auf diese Idee kommen konnten…!), und auf den warten wir seit sage und schreibe einer Woche. Aber wenn wir nicht rausfahren können, ob wir nicht abends zu ihnen kommen wollten, sie hätten ein paar Leute eingeladen, und man müsse ja das Beste draus machen. Prima Idee! Morgen fahren wir nämlich!!! :-) (Hoffen wir, dass die Wettervorhersage Recht behält…)
Gestern und heute war’s furchtbar kalt, aber sonnig, und die Landschaft leuchtete in den schönsten Herbstfarben. Also zog’s uns auch heute wieder nach draussen, und wir dachten, fahren wir mal wieder nach Korppoo mit der Autofähre. Als wir da waren und vor der nächsten Fähre nach Houtskär standen, hatte es uns gepackt und wir dachten, ach, fahren wir doch die ganze Archipelago-Ringstrasse (250 km Strasse und Autofähre durch’s Archipelago), aber dann mussten wir feststellen, dass die Fähre auf halber Strecke, also die, die nicht unbedingt nötig ist für die Anwohner, weil man ja jeweils von der anderen Seite anfahren kann, nur von Mai bis Oktober in Betrieb ist. Haben wir also mit Mütze, Handschuhen und Sonnenbrille in Korppoo auf einer kleinen Terrasse Kaffee getrunken und Munkki gegessen und sind dann wieder zurückgefahren.
Seidenschwanzinvasion
Vor ein paar Tagen kamen sie an und fielen in die Vogelbeerbäume des Studentendorfs ein. Grosse, tolle, bunte Vögel in riesigen Schwärmen. Ich habe mich in den letzten Wochen schon manchmal ein bisschen wie im Frühling gefühlt, weil so viele Vögel hier zu sehen waren und es an allen Ecken und Enden gepiepst hat wie im Vorfrühling. Das waren die Zugvögel, die, eine Art nach der anderen, hier auf Durchreise vorbeikamen. Auf Utö war es besonders eindrucksvoll, weil es für die Zugvögel die letzte Gelegenheit ist, sich noch einmal vollzufressen, bevor sie die lange Reise über die Ostsee antreten müssen. Aber in Turku waren doch auch sehr viele zu sehen. Nur, an diese grossen, bunten Vögel konnte ich mich vom letzten Herbst so gar nicht erinnern. Die hätten mir doch auffallen müssen?!
„Die waren letztes Jahr auch nicht da.“, liess ich mir gestern beim Mittagessen von unseren Vogelleuten erklären. Es wären Seidenschwänze, und sie kämen nur, wenn es, wie in diesem Jahr, besonders viele Vogelbeeren gäbe. Sonst zögen sie gleich weiter nach Mitteleuropa. Und, sie hätten von allen Vögeln die im Verhältnis zu ihrer Körpergrösse grösste Leber, damit sie mit dem Alkohol aus den schon angegorenen Beeren zurechtkämen. Natürlich, ein echter finnischer Vogel! ;-)
In ein paar Tagen werden sie wohl wieder verschwunden sein. Die Vogelbeerbäume, die dieses Jahr fast ein bisschen künstlich aussahen so brechend voll mit den roten Beeren, sahen jedenfalls heute früh schon furchtbar gerupft und halb abgeerntet aus.
Finnisierung
„Möchtest du lieber 17:45 Uhr oder 20:30 Uhr ins Kino gehen?“ „Oooooch, gehen wir doch 17:45 Uhr, da sind wir auch nicht so spät wieder zu Hause!“ *grins*
Was wir gesehen haben? „Terminaali“. ;-) Süss!
.
Heute früh gab’s den ersten Raureif! :-)