Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku


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Turku-Istanbul mit dem Zug (5): Wien-Bukarest

Mittwoch, 28. Juni 2023

Am Wiener Hauptbahnhof war viel los: viele verschiedene Züge aus und in viele verschiedene Orte. (Menschen eher nicht so viele.) Die Dreiviertelstunde Wartezeit, die wir noch vor uns hatten, wurde nicht langweilig.

Bald stellten wir sehr zu unserer Erheiterung fest, dass die Taurus-Loks der ÖBB beim Anfahren eine Tonleiter spielen, durch die Bahnhofshalle wie in einem Konzertsaal verstärkt. Voll toll!

Dann fuhr unser Zug ein: ungarische Lok, ungarischer Speisewagen, drei ungarische Sitzwagen, zwei rumänische Schlafwagen, ein rumänischer Liegewagen, ein rumänischer Sitzwagen.

Wir reisten im rumänischen Liegewagen  – die rumänische Bezeichung sorgte durchaus für einige Erheiterung unter den der finnischen Sprache mächtigen Follower*innen – und teilten das Sechserabteil mit einer deutschen Biologiestudentin, die in Wien studiert und zu ihren Eltern nach Rumänien fuhr.

Der rumänische Waggon war nicht der modernste, aber durchaus gemütlich, sauber und komfortabel. Und man konnte die Fenster öffnen – etwas, was wir später auf der Reise noch sehr vermissen sollten.

Hinter der ungarischen Grenze brachte uns unsere Mitfahrerin fünfmal in Tüten eingeschweisste Bettwäsche mit, die man sich nämlich beim Schaffner abholen muss. Wir klappten die zwei mittleren Betten runter und begannen – mal wieder – mit Gepäckverstau-und-Bettbezieh-Tetris.

Nebenher steckten wir an jedem Bahnhof  die Köpfe aus dem Fenster, guckten in die zunehmende Dunkelheit und lauschten den Grillen. Dann machten wir uns bettfertig, aber standen noch bis zum Bahnhof Budapest Keleti im Schlafanzug am offenen Fenster auf dem Gang, sahen Budapester Vororte, fuhren mit einer Budapester Strassenbahn um die Wette, überquerten zum ersten Mal auf dieser Reise die Donau und erhaschten einen kurzen Blick auf die Prachtbauten an ihrem Ufer.

Dann liessen wir uns – wortwörtlich – in den Schlaf schaukeln. Der rumänische Liegewagen war ausnehmend gut gefedert – so muss es sich anfühlen, in einem Kinderwagen in den Schlaf gefahren zu werden.

Donnerstag, 29. Juni 2023

Halb drei klopfte es an die verschlossene Abteiltür: „Passports, please!“. Ich brauchte eine Weile, um zu begreifen, was man um diese Uhrzeit an dieser Stelle Europas von uns wollte, da aber hatte unsere Mitfahrerin schon in mein verschlafenes Seufzen eingestimmt und erwähnt, dass sich in einer Stunde das Spiel bei den Rumänen wiederholen würde, da Rumänien ja nicht zum Schengen-Gebiet gehört. Richtig.

Warum sich allerdings der ungarische Grenzschutz bei der Ausreise (!) so dermassen ins Zeug legte, ist mir schleierhaft: der Grenzpolizist blätterte jede Seite in jedem unserer fünf Pässe einzeln um – ich war kurz davor, ihm das Daumenkino mit dem fliegenden Schwan ans Herz zu legen! – und auf der dem Bahnsteig abgewandten Seite des Zuges stand zwischen den Gleisen vor jeder (!) Waggontür ein Grenzpolizist stramm und guckte, dass niemand unerlaubt den Zug verlässt oder besteigt. Hunde waren ebenfalls beteiligt. Viel schlimmer kann es an der innerdeutschen Grenze seinerzeit auch nicht gewesen sein.

Dann fuhr der Zug eine halbe Stunde weiter in den rumänischen Grenzbahnhof – genaugenommen war es inzwischen anderthalb Stunden später, da wir in Rumänien wieder in „unserer“ Zeitzone angekommen waren – wo der rumänische Grenzschutz zustieg, der sich ebenfalls alle Pässe zeigen liess, aber deutlich freundlicher sowie moderner ausgestattet – sie hatten mobile Passauslesegeräte, was den Vorgang deutlich beschleunigte, ausserdem interessierte sich die rumänische Grenzpolizistin nicht für finnische Landschaften etwaige Vermerke auf den Zwischenseiten – war.

Dann durften wir ungestört weiterschlafen.

Als wir aufwachten, stellten wir fest, dass der Zug eine neue Lok bekommen hatte und nur noch aus fünf Waggons bestand.

Der Ähämann holte uns Kaffee aus dem Speisewagen, und wir frühstückten im Stehen im Gang am offenen Fenster. Den ganzen Vormittag tuckselte der Zug gemächlich über marode Schienen. Wir sahen Störche, Kühe, Schafe, Schweine und riesige Hütehunde. Wir fuhren an Dörfchen vorbei und durch Bahnhöfe mit rotbemützten Stationsvorstehern mit der Kelle unterm Arm. Wir schaukelten auf kurvigen Gleisen durch hügelige Landschaft. Auf dem zweiten Gleis wuchs Gras, blühte Mohn oder waren schon ganze Büsche herangewachsen, deren Äste beim Vorbeifahren die Waggons streiften und uns schnell unsere Köpfe einziehen liessen. (Aber: die gesamte Strecke ist elektrifiziert!)  Ab und zu kam uns ein Zug entgegen. Überall wurde an der neuen Bahntrasse gebaut; Gleisarbeiter und Baggerfahrer winkten fröhlich den langsam vorbeifahrenden Leuten zu.

In Brașov stieg unsere Mitfahrerin aus. Von den nahen Karpaten her zog kühle Gebirgsluft in den Waggon; so kalt, dass ich nicht nur einen langärmeligen Pullover anziehen musste, sondern auch noch ein Tuch aus meinem Rucksack kramen und mir um den Hals wickeln.

Fenster schliessen war keine Option. Denn nun ging es in die Karpaten hinauf!

Unsere tapfere kleine Lok zog uns gemächlich durch Kurven und Tunnel, vorbei an auf dem Nebengleis pickenden Hühnern und auf Bahnsteigen wartenden Hunden, bis auf den 1000 Meter hoch gelegenen Predealpass. Dann raste sie umso schneller mit unserem kleinen Zug wieder hinunter in die Walachische Tiefebene.

In der Tiefebene konnten wir sämtliche Extra-Klamottenschichten wieder im Rucksack verstauen: draussen waren 30 Grad!

Und dann ging es auf gut ausgebauten Schienen schnurstracks auf Bukarest zu.

Neunzehn Stunden nach Abfahrt in Wien rollten wir in den Bahnhof București Nord ein. Neunzehn Stunden, von denen wir ungefähr neun geschlafen und neuneinhalb zum geöffneten Fenster rausgeguckt haben. Was für eine wunderbare Zugreise durch wunderbare Landschaft!

Bevor wir den Bahnhof Richtung Hotel verliessen, gingen wir noch zum internationalen Fahrkartenschalter und holten unser online gebuchtes, aber am Fahrkartenschalter in Bukarest auszudruckendes Ticket nach Istanbul ab.

Aber erstmal: Bukarest.

***
(1) Turku-Stockholm-Berlin-Prag
(2) Prag
(3) Prag-Wien
(4) Wien
(5) Wien-Bukarest
(6) Bukarest
(7) Bukarest-Istanbul
(8) Istanbul
(9) Istanbul-Sofia
(10) Sofia
(11) Sofia-Athen
(12) Athen
(13) Kineta
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(15) Rom
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(17) Pisa
(18) Pisa-La Spezia-München-Berlin-Stockholm-Turku


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In der Zwischenzeit zu Hause so

Heute klingelte, wie vor genau einer Woche und ebenfalls vom Fährfahrplan bedingt, der Wecker um 6:40 Uhr, denn wir holten Besuch von der Fähre aus Stockholm ab.

Das war hart, denn wir haben die ganze letzte Woche jeden Morgen lange geschlafen. Sehr lange. Offensichtlich war es nötig. Ausserdem bin ich in den ersten drei Nächten zu Hause mehrmals aufgewacht und wusste erstmal eine ganze Weile nicht, wo ich mich eigentlich befand.

Grössere Traumata allerdings hat die Reise, auch bei den Kindern, nicht verursacht. Der kleine Herr Maus wird nächste Woche ins 600 km entfernte Oulu zu seinem gleich nach Schuljahresende dorthin umgezogenen besten Schulfreund fahren und sieht der sechsstündigen Zugfahrt immer noch mit Vorfreude entgegen. Die sitzt er jetzt ja wohl auf der linken Pobacke ab, meint er.

Echt schlimm allerdings sind die Temperaturen hier. Es fühlt sich an, als wäre – neeeiiin!!! – der Herbst angebrochen. Ich brauche täglich meine mitteldicke Jacke, die ich viereinhalb Wochen lang völlig umsonst im Rucksack durch Europa getragen habe. Eigentlich wollten wir den Rest der Ferien am Strand verbringen, aber angesichts dieser Saukälte – es sind fast 20 Grad weniger als während der letzten anderthalb Wochen unserer Reise – sind wir froh, mittlerweile etliche Badestellen mit sommers geöffneter Sauna zu kennen. Sogar das Wasser fühlt sich eiskalt an; dabei sind wir ja eigentlich, zumindest was Wassertemperaturen betrifft, ziemlich abgehärtet. Ich tröste mich über den kalten Sommer genauso wie über den warmen Winter: immerhin ist der Strom billig. (Als es vor unserer Reise eine Woche lang heiss recht warm war – wir sprechen von Temperaturen um die 25 Grad! – war der Strom plötzlich überraschend teuer: weil alle ihre Klimaanlagen anwarfen.)

Der von der Fähre abgeholte Besuch waren albanisch-deutsche Freunde, auf Durchreise ins Baltikum, die wir seit 20 Jahren nicht gesehen hatten. Vor 22 Jahren waren wir auf ihrer – wie die Braut uns vorher erklärt hatte – „nur kleinen“ Hochzeit mit „nur 240 Gästen“ im damals touristisch noch überhaupt nicht erschlossenen Tirana. Wir würden Albanien heute nicht wiedererkennen, sagte sie heute, alles hätte sich völlig verändert. Wir vier aber fanden uns völlig unverändert. Das war ein sehr netter Tag.


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Turku-Istanbul mit dem Zug (4): Wien

Montag, 26. Juni – Mittwoch, 28. Juni 2023

Die erste Nacht in Wien war ein bisschen unruhig, denn zunächst mussten der Ähämann und ich gegen eins nochmal aufstehen, um die Wäsche aus der Waschmaschine auf den Wäscheständer zu befördern. (Obwohl ich die Waschmaschine sofort eingeschaltet hatte, nachdem wir die Ferienwohnung betreten und alle ihre Dreckwäsche im Bad abgeliefert hatten, wusch sie, als wir wirklich spät zu Bett gingen, immer noch.) Dann wurde um 7:08 Uhr auf der Baustelle nebenan zu hämmern angefangen. Mit daraufhin geschlossenen Fenstern konnten wir alle zum Glück nochmal einschlafen und verschliefen auch den grössten Teil des Regens, der an diesem Vormittag – bis zum Gewitterschauer in Sofia für zwei Wochen der letzte Regen – niederging.

Nach dem Frühstück, das uns der Ähämann wie jeden Morgen beim Bäcker und im Supermarkt nebenan besorgt hatte – Frühstück in Wien wird den Kindern als das Frühstück mit der leckersten Milch in Erinnerung bleiben – also eher so gegen Mittag, fuhren wir mit der Strassenbahn in die Stadt, liessen uns treiben und bestaunten die Prachtbauten.

Allein am Parlament hätte ich mir stundenlang alle Figuren und Figürchen angucken können.

Da wir bekanntlich auf jeden Turm hoch müssen, bestiegen wir auch den Turm des Stephansdoms. (Fast wäre es nichts geworden, da „Nur Bargeld“, aber wir zahlten natürlich gerne 4 € Gebühr, um Bargeld abzuheben… *augenroll*) Am schönsten und einzigartigsten am Stephansdom ist allerdings, finde ich, sein buntes Dach.

Irgendwann im Laufe des Tages kamen wir an einem Klavierladen vorbei, und vermutlich hätten wir den kleinen Herrn Maus, der sich schon länger sehnlichst ein „richtiges Klavier“ wünscht, einfach dortlassen können.

Zum Abschluss des Tages besuchten wir noch ein kleines Konzert, das schon sehr… äh… auf Touristen ausgelegt war, aber das wir alle fünf sehr mochten, obwohl das „Orchester“ nur aus einer Geige, zwei Bratschen, einem Cello, einem Kontrabass, einem Klavier sowie einer Opernsängerin und einem Opernsänger bestand. Oder gerade weil: weil man so nahe dran war.

Man kann ja nicht ohne Musik in Wien gewesen sein. Und ja, Kaiserschmarrn essen waren wir auf ausdrücklichen Wunsch des grossen Herrn Maus natürlich auch.

Apropos Wünsche. Wir ziehen auf Reisen selten von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit. (Wer definiert denn, was ansehenswürdig ist?! Und vor allem: was nicht?!) Meist haben wir uns vorher ein oder zwei Plätze ausgesucht, zu denen wir gerne möchten, und der Rest ergibt sich von selbst: weil wir an einer Kirche vorbeikommen, in die wir gerne auch mal reingucken möchten, weil die Gasse rechts verlockender aussieht als die Gasse links, weil eine*r von uns noch in einen Park / ein paar Stationen Metro fahren / auf den Hügel, den wir gestern von einem Turm aus gesehen haben… möchte. Der kleine Herr Maus jedenfalls erspähte vom Turm des Stephansdoms das Riesenrad im Prater und fragte, ob es da nur das Riesenrad gebe oder ob da vielleicht ein ganzer Vergnügungspark sei. Dann bekam er leuchtende Augen, zückte sein Telefon, recherchierte Fahrgeschäfte und lag uns fortan in den Ohren, ob wir da nicht hinkönnten.

Konnten wir. Am zweiten Tag brachten wir zuerst unsere Rucksäcke zum Bahnhof und fuhren dann weiter zum Prater. Jedes Kind durfte sich zwei Fahrgeschäfte aussuchen (was uns Eltern im Übrigen nur ein Bruchteil dessen, was wir für Vergnügungspark oder Rummel hierzulande berappen müssen, kostete) und liess sich ordentlich herumwirbeln. (Mir wird ja schon vom Zugucken übel.)

Danach waren sie klaglos bereit, noch ein bisschen durch die Stadt zu laufen. Weil Schönbrunn zeitlich nicht mehr machbar gewesen wäre, gingen wir wenigstens in den Park von Schloss Belvedere. Freudiges Staunen, als das Fräulein Maus erkannte, wo wir waren: „Oh, hier tanzen sie ja auch manchmal beim Neujahrskonzert!“

Apropos Neujahrskonzert. ;-)

Vom Belvedere-Park gerieten wir eher zufällig in den Botanischen Garten, der vielleicht der schönste botanische Garten war, in dem ich je gewesen bin: es gab so viele tolle Erklärtafeln! Und zum Beispiel Bambus zu sehen! Oder acht verschiedene Brennnesselarten!

Gut gefallen haben mir übrigens auch die Wiener Ampelmännchen und -frauen und die lustigen Piktogramme, Schilder und Beschriftungen. Und ganz besonders die Regenbogen-Zebrastreifen!

Dann – sehr spätes – Mittagessen, Proviantkauf für die anstehende 19-stündige Zugfahrt, Erstehen einer österreichischen Flagge für den kleinen Herrn Maus, der seit längerem die Flaggen aller Länder, in denen er gewesen ist, sammelt, und dann fuhren wir voller Vorfreude auf die erste richtig lange Zugfahrt zum Bahnhof.

Wien war eine unerwartet tolle Zwischenstation!

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Turku-Istanbul mit dem Zug (3): Prag-Wien

Montag, 26. Juni 2023

Die viereinhalbstündige Fahrt von Prag nach Wien war eine der weniger spektakulären.

Der Zug „tuckselte“ – wie der kleine Herr Maus zu sagen pflegt – mit maximal 80 km/h durch die Gegend, dafür war die Strecke ausgeprochen schön: mitten durch dichte Laub- und dunkle Fichtenwälder, vorbei an böhmischen Dörfchen, auf deren Bahnhöfen die Stationsvorsteher mit ihren roten Mützen strammstanden und vorschriftsmässig dem Zug hinterherguckten, durch liebliche mährische Landschaft.

Tausendmal entspannter jedenfalls, als diese Strecke auf der Autobahn zu bewältigen.

Als wir auf dem Weg in unsere Ferienwohnung an der Oper von der U-Bahn in die Strassenbahn umstiegen, konnten wir schon mal einen Blick darauf erhaschen, was uns in den nächsten zwei Tagen erwarten würde: ein ganzes Stadtzentrum voller Prachbauten!

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Turku-Istanbul mit dem Zug (2): Prag

Freitag, 23. Juni – Montag, 26. Juni 2023

Wir hätten auch direkt von Berlin nach Wien fahren können.
Aber Prag ist nun einmal unsere Lieblingshauptstadt und unser Lieblingszwischenstopp auf Reisen.

Wir blieben diesmal zweieinhalb Tage, weil man unsere Lieblingsferienwohnung neuerdings für mindestens drei Nächte buchen muss. Es machte nichts. Wir schliefen aus, wir wuschen zwei Maschinen Wäsche, wir gingen den Touristenmassen in der Innenstadt aus dem Weg und spazierten trotzdem durch kleine Gässchen und bestiegen Prags schönsten Aussichtsturm, wir fuhren ausführlich Metro und Strassenbahn und assen in Vorstadtkneipen.

In Prag wurde es endlich sommerlich heiss.

Wir stolperten zufällig über einen kleinen jüdischen Friedhof, der im Gegensatz zum völlig überlaufenen in der Altstadt ein wirklich friedlicher Ort ist.

Ebenso zufällig fanden wir heraus, dass es die Metrostation Moskevská, die in „Kolja“ eine grössere Rolle spielt und von der ich hätte schwören können, dass sie für den Film frei erfunden wurde, tatsächlich vier oder fünf Jahre lang gegeben hat. Man lernt nie aus.

Extra für die Kinder fuhren wir zu den Metrostationen mit den längsten Rolltreppen, und manche von denen waren sogar noch die alten, ganz schnellen.

Überhaupt kann ich schon mal vorwegnehmen, dass die Prager Metro die beste und schönste der Reise war.
(Die zweitschönste hatte Athen.)

In unserem stillen Vorort bellten nachts Hunde und krähte jeden Morgen ein Hahn wie auf dem Lande. Wir steckten unsere Nasen in duftende Rosen, die an jedem Gartenzaun wuchsen. Immer, wenn wir über die Autobahnbrücke zur Metrostation liefen, winkten wir den LKWs zu, und wir freuten uns wie in jedem Jahr, dass die Fahrer nicht nur zurückwinken, sondern zurückhupen und -lichthupen.

Am letzten Tag, schon auf dem Weg zum Bahnhof, schleppten wir unsere Rucksäcke noch auf Prags schönsten Friedhof. Als wir ankamen, fing gerade das Glockenspiel von der Peter-und-Paul-Kirche an, das Vyšehrad-Motiv zu spielen, gefolgt vom 12-Uhr-Läuten.

Es war, als wolle Prag in besonders guter Erinnerung behalten werden. ♥

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Turku-Istanbul mit dem Zug (1): Turku-Stockholm-Berlin-Prag

Mittwoch, 21. Juni 2023

Jede Reise beginnt auf dem Meer.

(In Turku praktischerweise erst abends, so dass man noch in Ruhe zu Ende packen, die letzten Sachen aufessen, den Geschirrspüler nochmal anschalten und den Müll wegbringen kann, bevor man aufbricht.)

Seit der kleine Herr Maus 12 ist, dürfen wir nicht mehr für uns alle fünf eine Viererkabine buchen. Deshalb hatten wir diesmal zum ersten Mal eine Familienkabine, die eigentlich aus zwei verbundenen Kabinen besteht: eine mit Doppelbett und eine normale Viererkabine mit Doppelstockbetten. Das war sehr komfortabel – vor allem auch deswegen, weil wir zwei Bäder hatten.

Vorm Schlafengehen aber waren wir noch lange auf dem Oberdeck im Abendsonnenschein – schliesslich war der längste Tag des Jahres!

Auf der Ostsee war viel spannender Verkehr. Zuerst kam uns die „Icon of the Seas“, die wir in der Woche zuvor noch vom Strand aus auf der Werft gesehen hatten und die jetzt einige Tage zur Seeerprobung war, entgegen.

(Kaum vorstellbar, dass dieser Riesenpott – wenn er in ein paar Monaten fertig gebaut sein wird, wird er das grösste Kreuzfahrtschiff der Welt sein – überhaupt hier zwischen den Inseln herumfahren kann.)

Danach kreuzte eine der Autofähren der Schärenringstrasse unseren Weg, und dann überholten wir noch ein grosses Frachtschiff mit dem schönen Namen „Never on Sunday“. Zum Glück war Mittwoch.

Donnerstag, 22. Juni 2023

Wir schliefen alle – weil sich niemand ein Bett teilen oder auf dem Fussboden schlafen musste – ausgezeichnet, aber der Wecker klingelte trotzdem viel zu zeitig um 5:45 Uhr.

Anders als in den Herbst- und den Skiferien war es diesmal nicht kalt auf unserer frühmorgendlichen Wanderung durch Stockholm – juhuu! – und wir mussten auch nicht mehr so einen riesigen Umweg um die Baustelle an der goldenen Brücke laufen. Stattdessen setzten wir uns erstmal eine Weile am Fuss der Brücke auf eine Bank in der Sonne und guckten zu, wie die „Grace“ betankt wurde und wieder Richtung Turku ablegte.

Im einzigen um diese Uhrzeit schon geöffneten Café in der Altstadt frühstückten wir ausgiebig und vor allem lange, denn wie immer hatten wir viel Zeit totzuschlagen in Stockholm: unser Zug nach Berlin fuhr erst halb fünf. Weil wir im Oktober, als wir aus Venedig zurückkamen, vergeblich zum Rathaus spaziert waren, weil der Rathausturm „nur in den Sommermonaten“ bestiegen werden darf, versuchten wir erneut unser Glück – aber wieder umsonst, denn das ganze Rathaus war an diesem Tag geschlossen. Wir setzten uns dann einfach eine Stunde in die Sonne in den Park gegenüber.

Danach ausgiebiges und vor allem langes Mittagessen, Proviantkauf für den Zug, und dann hiess es doch schon: Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin! (Bequem mit dem Nachtzug.)

Die Schaffnerin wollte unser Ticket gar nicht sehen, sondern stattdessen unsere Pässe, und dann hakte sie uns auf ihrer Liste ab. Ausserdem entschuldigte sie sich, dass es im Zug so heiss war – es war aber überhaupt nicht schlimm, denn der Snälltåget fährt mit ehemaligen Liegewagen der Deutschen Bahn, bei denen man noch die Fenster öffnen kann.

(Der kleine Herr Maus hielt den „Keine Flaschen aus dem Fenster werfen“-Aufkleber für „Hier darf man keinen Alkohol trinken“. Unsere finnisierten Kinder…!)

Lange noch guckten wir raus, nebenher bezogen wir unsere Betten – was jedes Mal mit Gepäck und allem ausserordentliche Tetris-Fähigkeiten erfordert; wir wurden allerdings im Laufe des Urlaubs immer besser – putzten unsere Zähne, und kurz vor Malmö gingen wir schlafen.

Freitag, 23. Juni 2023

Ich wurde zufällig wach, als wir über die Öresundbrücke fuhren – die Wasserstrasse darunter war gigantisch beleuchtet – und (!) als wir durch den Rendsburger Bahnhof fuhren, und bei letzterem sprang ich schnell auf, denn es war schon fast ganz hell, und zum ersten Mal konnte ich mir die Fahrt über die Modellbahnanlage Rendsburger Schleife und Hochbrücke richtig angucken.

Dann legte ich mich wieder hin und schlief bis kurz vor acht.

Mit anderthalb Stunden Verspätung kamen wir in Berlin an, ausserdem ausserplanmässig in Gesundbrunnen statt am Hauptbahnhof; beides machte aber nichts, da wir genug Zeit hatten und sowieso gerne U-Bahn fahren.

In Berlin regnete es in Strömen.

Wir assen Frühstück mit Blick auf über uns vorbeifahrende S-Bahnen und erledigten schnell ein paar Einkäufe für die Reise bei DM: fünf kleine Zahnpastatuben, Deo und Sonnencreme zu zumutbaren Preisen, endlich so ein Mückenstich-wegmach-Gerät.

Dann aber schnell mit der U-Bahn zurück zum Hauptbahnhof!

Wir entrannen übrigens sehr knapp dem Unwetter, das an dem Tag grosse Teile des deutschen Bahnverkehrs lahmlegte – in Berlin hörten wir die Ansage „… hat ca. 190 Minuten Verspätung“ – sowie dem drohenden Bahnstreik.

Dafür war die Fahrt von Berlin nach Prag keine grosse Freude.

Wir fuhren drei Stunden durch brandenburgisch-sächsische Funklöcher, im Zug sassen Horden besoffener Männer, die sexistische Lieder durch den Waggon grölten, und die Reservierungssituation war die gleiche wie vor 25 Jahren bei jeder einzelnen Fahrt nach Prag: unser Waggon war statt eines 2.-Klasse-Waggons ein 1.-Klasse-Waggon, der weniger Sitze hat, und in Dresden stiegen natürlich Leute zu, die die selben Plätze reserviert hatten wie wir – aber während früher wir dann diejenigen waren, die trotz Reservierung auf dem Gang sitzen mussten, waren wir zum Glück diesmal die, die eher eingestiegen waren.

In Prag entkamen wir endlich den grölenden Horden.

Sogar in der Metro war es total still dagegen.
(Gegen die Lissabonner Metro auch. ;-) )

Bevor wir zu unserer Lieblingsferienwohnung in unserem Prager Lieblingsvorort liefen, gingen wir zum Abendbrot in die Lieblingsvorortkneipe. Als wir nach dem Essen unsere Rucksäcke wieder aufhuckelten, fragte uns eine Frau vom Nachbartisch: „Seid ihr schon lange unterwegs?“, und wir antworteten: „Erst drei Tage. Aber wir wollen noch nach Istanbul.“ Daraufhin guckte sie uns an, als wären wir von einem anderen Planeten, aber wünschte uns trotzdem eine gute Reise.

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