Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku


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Teure Kleider

Wer jetzt denkt, für das Fräulein Maus, der liegt komplett daneben!

Das Fräulein Maus nämlich, das ist recht anspruchslos. Das spillrige Kind trägt seit drei Jahren die gleichen Röcke, Kleider und kurzen Hosen, und diesen Sommer wird sie ihre geliebte Kleinstkindhose in Grösse 80 als Caprihose tragen. Selten einmal wünscht sie sich ein bestimmtes Kleidungsstück, noch seltener hat sie etwas gegen die Sachen einzuwenden, die ich ihr zum Anziehen rauslege.

Der grosse Herr Maus, der ist da ganz anders. Der hat seine ganz eigenen Vorstellungen, was er anziehen möchte. „ICH such‘ mir was aus!“, fordert er lautstark jeden Morgen. Und er hat da seine ganz besonderen Vorlieben und Abneigungen.

Ich habe in den letzten Jahren eine handfeste Abneigung gegen Schweinchenrosa für Mädchen und Dunkelblau für Jungs, gegen Totenköpfe, Comicfiguren aller Art sowie aufgedruckte Texte und Zahlen entwickelt. Sowas kommt mir nicht ins Haus.

Das Fräulein Maus liebt zwar Rosa, aber man kann sie ohne Probleme zu Rot überreden. Im finnischen Internetauktionshaus kann man ihr preiswert wunderschöne rote, grüne und hellblaue Sachen kaufen, die sonst keiner will, weil die Läden von den gleichen Sachen in Rosa überquellen. Überhaupt findet sich für ein Mädchen zur Not immer noch irgendwas mit Blümchen oder Schleifchen.

Für Jungs dagegen ist es richtig schwer. Ohne Comicfiguren und blöde Aufdrucke bleiben meist nur bunte Streifen. Bunte Streifen werden allerdings höchstens stillschweigend akzeptiert. Wirklich geliebt wird vom grossen Herrn Maus das T-Shirt mit dem Holzlaster drauf. Oder das mit dem Kamel. (So ein olles Touristenteil aus Ägypten.) Oder das mit den Schiffen. Und wenn er noch hineinpasste, hätte er dem kleinen Herrn Maus das Shirt mit der Feuerwehr drauf, das der zum Geburtstag bekam, schon längst entwendet. Das Internetauktionshaus ist auch keine Hilfe. Dort geht der Retrohype um. Der ist mir höchst suspekt, wird mir aber von Monat zu Monat verständlicher: Was bitte soll ich denn einem Jungen auch anziehen, der nicht wie ein kleiner Erwachsener gekleidet werden soll, sondern bunte Bilder von Tieren, Fahrzeugen und Häusern auf seinen Anziehsachen liebt? Bleibt der Lieblingsklamottenladen mit den horrenden Preisen für zweifelhafte Qualität, oder irgendein Onlineshop mit horrenden Versandkosten, oder eben doch das Bieten eines Fast-Neupreises für ein zwei Jahre altes Shirt mit Elefanten drauf. Oder Zügen. Oder roten Holzhäuschen.

Und da sage noch einer, Mädchen wollten immer nur teure Kleider!


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Liebe finnische Post,

ich bin eigentlich ein grosser Fan von euch. Aber dass unsere Postfiliale, einst an strategisch günstiger Stelle gelegen, dann zwei Mal umgezogen, jetzt ganz geschlossen wurde und die ab sofort für uns zuständige Postfiliale mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht unter einer Dreiviertelstunde zu erreichen ist und keinerlei Parkplätze, dafür jede Menge Politessen in der Umgebung bietet, und dass auf der anderen nächstgelegenen Post solche Krümelkacker angestellt sind, die das versteigerte Kinderklamöttchen im Brief für einen Millimeter zu dick befinden und mir das dreifache Porto für einen Maxibrief abknöpfen wollen, während die Kollegin ebenjenen Brief – nach zehnminütiger Neuverpackung des Klamöttchens – von der Waage ohne Umweg durch den Messschlitz direkt in den Postausgang befördert, und dass auf der auch schon zweimal umgezogenen Hauptpost, die jetzt eher ein Kabüffchen als die Hauptpost einer Grossstadt ist, zehnminütiges Anstehen normal ist, und dann der Kunde, dessen Brief nie beim Empfänger angekommen ist, kurz angebunden beschieden wird, dass man einen Suchauftrag nur stellen könne, wenn es sich um eine Sendung mit Sendungsverfolgungscode handele – wohingegen online das Ganze auch für einen simplen Brief kein Problem ist, wie sich hinterher herausstellt – das, liebe Post, bringt euch bestimmt nicht wieder in die schwarzen Zahlen!


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24/7

Finnland ist kinderfreundlich. Finnland ist vor allem auch elternfreundlich. Mütter und Väter kleiner Kinder, die weiterhin ihrem Beruf nachgehen möchten, bekommen auch die Möglichkeit dazu. Einen Kindergartenplatz (sprich: Ganztagsbetreuungsplatz) zu bekommen, ist kein Lotteriespiel. Und wenn es die Arbeit der Eltern erfordert, abends, nachts oder am Wochenende ausser Haus zu sein, dann ist eine Kinderbetreuung auch dann möglich.

Ob das schön ist, seinen Alltag so zu verbringen, sei dahingestellt. Aber es ist schön, dass es so eine Möglichkeit gibt.

Und jetzt – angucken: 24-Stunden-Kitas in Finnland.

(Obwohl mich der Satz „…dürfen ihre Kinder hier abgeben“ und die anklagende Aufzählung, wie viele Nächte und wie viele Stunden insgesamt dieses und jenes Kind im Schichtkindergarten zubringt, sehr auf die Palme gebracht haben.)


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Sechsjährig

Die grossen Mäusekinder hatten ihren wöchentlichen Frei-Tag diese Woche schon am Montag. Damit wir nicht direkt vom Geschenkeauspacken, Kerzenauspusten und Kuchenessen loshetzen mussten.

Das Fräulein Maus verschwand dann direkt in ihrem Zimmer und kam bis zum Mittagessen nicht wieder heraus. Sie rückte Möbel, legte Kinder schlafen, kochte, deckte den Tisch, füllte die Badewanne, nahm Wäsche ab, half beim Händewaschen, gruppierte alle im Wohnzimmer zum gemeinsamen Singen, schaltete Lampen aus und an. „Schade, dass ich heute Abend schlafen muss!“, seufzte sie mir einmal zwischendurch durch den Türspalt zu. „Ich würde am liebsten immer nur mit meinem Puppenhaus spielen!“

Der grosse Herr Maus half mir währenddessen begeistert beim Papageienkuchenbacken und Pizzazubereiten, wobei er allerdings am brennendsten an der Frage interessiert war, wann er endlich die Rührwendeln ablecken und die Teigschüsseln auskratzen dürfe.

Der kleine Herr Maus nervte ein bisschen, weil er entweder die Temperatur am Herd verstellen oder jetztgleichundsofort vom Kuchen kosten wollte.

Am späten Nachmittag kamen viele kleine Gäste. Zum ersten Mal hatten wir nicht nur befreundete Familien mit Kindern zu Gast, sondern das Fräulein Maus hatte auch ihre besten Freunde aus dem Kindergarten eingeladen. Einer musste sich eine trockene Hose leihen. Eine kotzte auf die Picknickdecke. Alle waren unheimlich lieb und höflich und wild und aufgedreht und brachten dem Fräulein Maus richtig tolle, liebevoll ausgesuchte (und bestimmt nicht billige) Geschenke mit. Die miteingeladenen Eltern waren ebenfalls alle nett.

„Am schönsten war, dass wir auf dem Fussboden essen durften!“, strahlte das Fräulein Maus hinterher.

(Und ich kann jetzt auch Kindergeburtstage auf Finnisch!)

Abends, während der Ähämann und ich das gröbste Chaos beseitigten und die beiden Herren Maus bettfertig machten, legte das Fräulein Maus die ihr anvertraute Grossfamilie schlafen und löschte alle Lichter im Haus. Dann zog sie sich allein um, putzte sich allein die Zähne und machte sich auf den Weg ins Bett, in ihr „Schreibezimmer“, wo sie schon seit ein paar Wochen schläft, aber nur, wenn der Papa bei ihr bleibt, bis sie eingeschlafen ist, oder wenn die Tür aufbleibt. „Der Papa braucht heute nicht zu kommen!“, teilte sie uns gestern mit, rief uns ein „Gute Nacht!“ zu, schloss die Tür und legte sich schlafen, das grosse Mädchen.


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Zur Abschreckung

Samstagnachmittag. Vielbefahrene vierspurige Strasse. Völlig demoliertes Buswartehäuschen. Daneben ein anderthalb Meter hoher, schwarz zusammengeschmolzener Schneehaufen. Darauf ein kaputtes Auto. Entgegen der Fahrtrichtung. Die kaputte Motorhaube Richtung Bushäuschen.

Oh, schlimmer Unfall, denkt der unerfahrene Vorüberfahrende zunächst. Aber, keine Polizei? Kein Krankenwagen? Kein Abschleppauto? Und sogar der kaputte Werbeschaukasten des Bushäuschens ist schon professionell verhüllt und gesichert. Und das Unfallauto steht immer noch da? Und keine Menschenseele daneben?

Jahaa, grinst der erfahrene Vorüberfahrende, da hätten wir also mal wieder ein Beispiel finnischer Verkehrserziehung.

Statt teurer Plakate, wie an deutschen Autobahnen, werden in Finnland nämlich schrottreife Unfallautos in Strassengräben, an Brückenpfeilern und vor Laternenmasten drapiert. Einst stand sogar in unserer ruhigen Nebenstrasse drei Tage lang ein Auto in einer Vorgartenhecke.

Nützt vermutlich genauso wenig wie makabre Plakate.