Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku


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Allsommerliches Dilemma

Wir haben so gut wie alle Varianten der Sommerurlaubsplanung ausprobiert, und keine hat sich als wirklich geeignet erwiesen.

Wegzufahren, wenn der finnische Sommer noch nicht einmal offiziell angefangen hat – dafür dann aber den ganzen Sommer lang hier zu sein – erschien mir da dieses Jahr durchaus verlockend.

Bis letzte Woche. Denn ausgerechnet jetzt fällt es besonders schwer.

Die Wiesen sind gelb von Löwenzahn. Überall riecht es nach Apfelblüten und frisch entfalteten grünen Blättchen. Die Sonne strahlt 18 Stunden lang vom wolkenlosen Himmel. Um Mitternacht ruft der Sprosser, und halb vier flötet die Amsel vorm offenen Schlafzimmerfenster, und draussen ist es sommernachtsblau.

Sehr schwer fällt das Wegfahren.
Trotz Vorfreude.


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Finnisierung XLI

Oder: Der Tag, an dem unsere Kinder Eishockeyfans wurden.

Einmal endete der Palmsonntagsbesuch bei den Paten des kleinen Herrn Maus vor dem Fernseher. Es lief Skispringen. (Weltcup. Wichtig.) Der zweijährige kleine Herr Maus bekam einen kleinen Hocker hingestellt, und dann sass er da so in seinem Katerkostüm, guckte gebannt, streckte den Zeigefinger aus und fachsimpelte mit dem Patenonkel übers Skispringen. Auf Finnisch! (Vorher wusste ich nur, dass er im Kindergarten irgendwie zurechtkommt. Aber ich hatte noch kein einziges Wort, geschweige denn ganze Sätze auf Finnisch von ihm gehört.) Das war unglaublich süss.

Gestern, als wir die halbe Stunde Klavierunterricht des grossen Herrn Maus bei den Paten des kleinen Herrn Maus verbrachten, lief Eishockey. (WM-Viertelfinale. Wichtig.) Das Fräulein Maus und der kleine Herr Maus hatten sich mit dem Patenonkel gemeinsam auf einen Sessel gequetscht, guckten gebannt, fachsimpelten und murrten ein bisschen, als wir gehen mussten. (Aber es warteten ja zwei Frühlingsfeste.)

Das in der Schule war übrigens so, dass gar nicht genug Platz für Eltern und Schüler war. Es hiess also vorher, die Schüler seien nur zu ihrem jeweiligen Auftritt im Saal, ansonsten im Klassenzimmer, wo man vielleicht einen Film angucken würde. „Was habt ihr denn gemacht?“, fragte ich das Fräulein Maus und den grossen Herrn Maus hinterher. „Wir haben ein bisschen gemalt. Und uns über alles Mögliche unterhalten. Und nebenher haben wir Eishockey geguckt!“, berichtete das Fräulein Maus begeistert. „Und ihr?“, fragte ich den grossen Herrn Maus. „Wir haben auch Eishockey geguckt. Das war spannend!“ „Das gleiche Spiel, Mama, das wir bei Esa gesehen haben“, erklärte das Fräulein Maus weiter. „Die Jungs haben die ganze Zeit geschrien. Und Finnland hat 5:1 gewonnen! Jussu hat gesagt, weil Finnland so einen guten Torwart hat…“

Und dann fachsimpelten sie auf der Rückbank weiter, unsere finnisierten Kinder, und jetzt bin ich wenigstens so im Groben auf dem Laufenden, was die Eishockey-WM betrifft, von der ich bis gestern noch gar nichts wusste.

[Finnisierung I, II, III, IV, V, VI, VII, VIII, VIIIa, IX, X, XI, XII, XIII, XIV, XV, XVI, XVII, XVIII, XIX, XX, XXI, XXII, XXIII, XXIV, XXV, XXVI, XXVII, XXVIII, XXIX, XXX, XXXI, XXXII, XXXIII, XXXIV, XXXV, XXXVI, XXXVII, XXXVIII, XXXIX, XL]


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kaksisataakolmekymmentäyksi

„War das eigentlich heute, als wir in der Autowerkstatt waren?“, fragte der kleine Herr Maus vorhin beim Abendbrot, und die Frage war durchaus berechtigt, denn der heutige Tag – mitten in den Maifeierlichkeiten, und der Ähämann auf Dienstreise – war ein bisschen… voll:

Ich musste nämlich das humpelnde Fräulein Maus in die Schule fahren und den grossen Herrn Maus zum Zahnarzt begleiten und auf dem Weg dahin schnell noch in zwei verschiedenen Läden einkaufen gehen und dann mittagessen mit dem grossen Herrn Maus, der den Mund jetzt voller Metall hat und sich an das neue Gefühl beim Essen erst gewöhnen muss, und ihn dann in die Schule zurückfahren und kurz nach Hause und die Einkäufe ausräumen und dann das Fräulein Maus aus der Schule abholen und dann aber wirklich zu Hause endlich ein bisschen arbeiten wollen, aber dann auf dem Heimweg vom Herrn Picasso, der gestern schon gezickt hat, angepiept werden, ich solle jetzt sofort anhalten, ihm wäre zu heiss im Motor, und dann statt zu arbeiten in der Werkstatt anrufen, die uns drannimmt, wenn wir in der nächsten halben Stunde da sein können, also wieder losstürzen und die Herren Maus in Windeseile aus Hort und Kindergarten in den Herrn Picasso verfrachten, der sich glücklicherweise kooperativ zeigt, so dass der Zettel mit der Telefonnummer vom Abschleppdienst in der Tasche bleiben kann, und mit den Herren Maus, die alle zwei Minuten fragen, ob wir es denn auch wirklich zu ihren jeweiligen Frühlingsfesten schaffen werden, eine Stunde in der Sonne vor der Werkstatt sitzen, um dann zu erfahren, es sei kein Fehler zu finden, und mit den Herren Maus nach Hause rasen und eiligst drei Vesperbrote schmieren und anreichen und alle Kinder wieder ins Auto verfrachten und den grossen Herrn Maus zur Klavierstunde fahren und mit den beiden anderen die halbe Stunde bei den Ersatzgrosseltern im Haus gegenüber verbringen und dann zur Schule rasen und die beiden Grossen für ihr Frühlingsfest aus dem Auto werfen und mit dem kleinen Herrn Maus weiter zum Kindergarten fahren, wo sein Frühlingsfest stattfindet, und danach wieder zur Schule fahren und noch den letzten zehn Minuten dem Schulkonzert lauschen und dann mit allen nach Hause fahren und das gewünschte Spiegelei braten und Abendbrot essen und ein bisschen alle gemeinsam über die lustige Aussprache des grossen Herrn Maus lachen („Sag mal ‚Zahnspange‘!“ „Shahnshange.“) und die Kinder bettfertig machen, wobei eins Hilfe beim Umziehen braucht und eins in die Dusche gehoben werden muss, und ein Kapitel Mumins vorlesen und das gewünschte längste unserer Schlaflieder vorsingen und… umfallen einschlafen.

(Irgendwo bei der ganzen Fahrerei habe ich übrigens auch die 231 gesehen, ein furchtbar trödelndes weisses Pakettiauto. Wo und wann genau, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Um es mit dem kleinen Herrn Maus zu sagen: War es heute? Oder doch schon gestern? Oder letzte Woche?)

[1-3, 4, 5, 6, 7, 8, 9-10, 11, 12, 13, 14, 15, 16-17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32-35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59-61, 62, 63, 64, 65, 66, 67-68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106], 107-108, 109, 110, 111, 112-113, 114, 115, 116-117, 118, 119, 120, 121, 122-123, 124-130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139-140, 141, 142, 143, 144, 145, 146-147, 148-149, 150, 151, 152, 153-155, 156, 157, 158, 159-160, 161, 162, 163-164, 165, 166-167, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 192, 193, 194, 195, 196, 197-198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205-206], 207-208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 215-216, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224-225, 226, 227, 228, 229-230]


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Auswanderer-Stöckchen

Claudia hat mich mit einem Stöckchen Award bedacht, dessen Fragen sich speziell an ausgewanderte Blogger richten.

1. Warum bist du in dem Land, in dem du gerade bist?

Eigentlich durch Zufall. Als ich auf der Suche nach einem Diplomarbeitsthema war – was sich als eher schwierig gestaltete, denn, man kennt das ja: die tollen Themen hatten Betreuer, die ich eher nicht wollte, und das, was die tollen Betreuer anboten, kam eher überhaupt nicht als Thema für mich in Frage – stolperte ich eines Tages über den Aushang, auf dem die ebenfalls für ihre Diplomarbeit aus Jena nach Jyväskylä gegangene und dann dort gebliebene Doktorandin jemanden suchte, der die Feldarbeit für seine Diplomarbeit im finnischen Winter machen wollte. Unter den finnischen Studenten hatte sich nämlich dafür („Im Winter?!“) niemand gefunden.

Ich wusste praktisch nichts über Finnland. Ausser dass der Winter vermutlich kalt und schneereich sein und ich mit Glück vielleicht Nordlichter sehen würde. Ich erlebte den besten und verrücktesten Winter meines Lebens. Als er vorbei war, hatte ich mich verliebt in Land und Leute, und es fiel mir sehr schwer, nach Deutschland zurückzugehen. Deutschland war laut und eng, die Leute unfreundlich, es gab dort zu viele Autos und zu wenig Natur. Ich wollte unbedingt wieder zurück nach Finnland.

Witzigerweise hat mir dabei gerade die Tatsache geholfen, dass ich vorher im Winter da war. Denn als sich mein zukünftiger Doktorvater über mich erkundigte, war ihm meine wissenschaftliche Qualifikation sehr viel weniger wichtig als die Antwort auf die Frage: „Ist sie taff genug?“ Die Tatsache, dass ich von Oktober bis Mai in Mittelfinnland Mäuse gefangen hatte, überzeugte ihn offensichtlich davon, dass ich der Arbeit im Archipelago auch gewachsen sein würde.

2. Kannst du dir vorstellen wieder in dein Heimatland zurückzukehren?

Mit drei Kindern? Und ohne Job? Nie im Leben!
Und auch sonst nur sehr schwer.

3. Welches Ziel verfolgst du mit deinem Blog?

Eigentlich gar keins. Ich blogge, weil es mir Spass macht. Anfangs, weil ich Freunde und Bekannte auf dem Laufenden halten wollte, ohne sie mit Sammelmails zu behelligen. Mittlerweile auch, um das eine oder andere Klischee über Finnland aus der Welt zu schaffen. Oder um zu zeigen, dass in anderen Ländern manche Dinge ganz anders gehandhabt werden – und trotzdem funktionieren. Für den Blick über den Tellerrand eben.

4. Welche Dinge über dein neues Land verstehen Deutsche irgendwie immer falsch?

Das Prinzip Sauna.
Die Sache mit dem finnischen Schulsystem und der Pisa-Studie.
Und auch sonst sind sehr viele sehr zweifelhafte Gerüchte über Finnland im Umlauf. Leider mit offizieller Unterstützung des Verlagswesens.

5. Was sind drei Orte in deinem Land, an die du Touristen mitnehmen würdest?

Ich beschränke mich mal auf die nähere Umgebung:
Auf das zugefrorene Meer
Nach Seili.
Zum Badehäuschen, um riesige Fähren anzugucken.
(Nur so als winzige Auswahl.)

6. Auf was in deinem neuen Land könntest du gar nicht mehr verzichten?

Auf die Natur. Auf die Jahreszeiten. Auf die Gelassenheit der Leute. Darauf, auf Ämtern wie ein Mensch behandelt zu werden. Auf die Kinderfreundlichkeit.

7. Was kochst du zuhause?

Ich? Griessbrei. (Für’s Kochen ist bei uns der Ähämann zuständig.)

8. Was war für dich der schwierigste Teil der Auswanderung?

Die Zweifel, ob die Entscheidung, die für mich die richtige ist, das auch für die Kinder ist.

9. Was würdest du Leuten, die in dein Land auswandern wollen, sagen?

Ich kenne nur zwei Sorten Ausländer in Finnland: solche, die es lieben, und solche, die es hassen. Man sollte also – bevor man auswandert – wissen, dass man sich in dem Land wohlfühlt und dass man gewissermassen dahin passt.

10. Ohne welches Essen könntest du gar nicht mehr leben?

Auf finnisches Essen zu verzichten fiele jetzt nicht so schwer… aber finnische Erdbeeren und Roggenbrot würde ich anderswo schon vermissen.

11. Was ist das Beste daran zu wohnen, wo du wohnst?

Das deckt sich jetzt, glaube ich, ziemlich mit Punkt 6. :-)

(Eigentlich müsste ich mir jetzt elf neue Fragen ausdenken und weitere Blogger nominieren. Aber weil die Fragen so gut passen, lasse ich sie hier und gebe sie an alle Blogger, die auch im Ausland wohnen, zur Selbstbedienung weiter. Und ggf. dann mal „piep“ machen, ja?)


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Das bisschen Regen…!

Ab und zu ist so ein verregnetes Wochenende ja gar nicht so schlecht. (Denn allzuoft geht es uns so.) Aber nachdem wir das halbe Wochenende geputzt, aufgeräumt und Wäsche gewaschen hatten, hielten wir es doch nicht mehr aus und machten uns gestern Nachmittag noch auf den Weg zu unserem Lieblings-Sommerausflugsort.

So musste nach der ganzen Putzerei wenigstens nicht auch noch ein Mittagessen gekocht werden. Und wir konnten endlich mal wieder dem Tomatenmann einen Besuch abstatten. Und die funkelnagelneuen Sommerreifen, deren Qualität sich angeblich besonders bei Starkregen zeigt, mussten schlieslich auch getestet werden.


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1,20 €

Vor dem Hintergrund, dass hier jedes Schulkind sämtliche Bücher, Hefte, Stifte, Malsachen und Bastelutensilien kostenlos zur Verfügung gestellt sowie jeden Tag ein kostenloses Mittagessen vorgesetzt bekommt, hat mich die Nachricht, in der die Lehrerin darum bat, dem grossen Herrn Maus eine Briefmarke mit in die Schule zu geben, damit sie ihm – wir werden zur Zeugnisausgabe schon auf Reisen sein – sein Zeugnis per Post zukommen lassen kann, gerade sehr erheitert.


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Neumodischer Scheiss

Wahlfachalternativen für Viertklässler im Schuljahr 2016/2017:

A) Lösungsorientiertes Lernen
B) Erfahren und Erforschen

Dazu pro ”Fach” jeweils eine A4-Seite Blabla Erklärung der Inhalte, die von modernen Schlagworten und Phrasen nur so strotzen, der Drittklässlerin aber genau gar nichts sagen und den Eltern die Haare zu Berge stehen lassen.

Auf die Frage, ob wir denn nun A) oder B) in das Formular eintragen sollen, bricht die zukünftige Viertklässlerin dann auch prompt in Tränen aus und schluchzt: ”Ich wollte doch nächstes Schuljahr Werken machen!”