Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku


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Myyrätyö

Da ich in letzter Zeit sehr oft gefragt worden bin, was ich hier eigentlich tue, was das ist und wozu das gut ist, habe ich beschlossen, meine Arbeit mal ein bisschen genauer zu erklären.

Zunächst einmal: ich bin Biologin und habe mich auf Ökologie spezialisiert. Zu „Ökologie“ fallen den Leuten ja meist die komischsten Sachen ein. Meist das, was es nicht ist. Ich möchte hier gern eine Anekdote weitergeben, die mein Jenaer Ökologieprofessor seit Jahren in der ersten Stunde der Grundvorlesung in Ökologie zum Besten gibt: Als er gerade nach Jena gezogen war, wurde er von seiner Nachbarin gefragt, was er denn so mache in Jena, und er antwortete ihr, dass er an der Uni als Professor für Ökologie arbeiten würde. Die Nachbarin horchte auf: “Ökologie! Oh! Ich trenne ja auch immer meinen Müll!“ *pruuuust*

Nein, Ökologie ist nicht gleich Umweltschutz. Nachdem ich das ungefähr 30 Leuten vergeblich klarzumachen versucht hatte, klagte ich einem anderen Jenaer Kollegen mein Leid, der mir darauf erzählte, wie ER versucht, den Leuten zu erklären, was Ökologie ist: Ökologie hört sich nicht zufällig fast genauso an wie Ökonomie. Ökologie ist die Haushaltslehre der Natur.

Jedes Lebewesen hat in der Natur seinen Platz, an dem es sich am wohlsten fühlt. Wo es genau so warm ist, wie es es gern hätte, wo es die Sachen gibt, von denen es sich am liebsten ernährt, wo es genau so viel oder so wenig regnet, wie es es braucht. Aber es ist nicht allein dort. Es ist umgeben von vielen, vielen anderen Lebewesen. Von Lebewesen, von denen es sich ernährt, von Lebewesen, von denen es gefressen wird, von Lebewesen, die mit ihm um den gleichen Platz an der Sonne kämpfen oder die ihm genau das wegfressen, was es für sich selbst haben wollte. Und vielleicht entscheidet das Lebewesen dann, lieber dort zu leben, wo es fünf Grad kälter ist, ein bisschen zu frieren, aber dafür sein Fressen nicht teilen zu müssen. Oder sicher zu sein vorm selbst Gefressenwerden. Die Natur ist voll von solchen Entscheidungen zwischen dem kleineren und dem grösseren Übel, und das ist, was uns Ökologen besonders interessiert. Natürlich sind diese „Entscheidungen“ keine bewussten Entscheidungen, sondern haben sich im Laufe der Evolution durch Selektion entwickelt. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.

So hat nun jedes Lebewesen seinen Platz in der Welt gefunden, in dem es leben kann und Nachwuchs bekommen. Aber was, wenn sich auf einmal etwas ändert? Was, wenn der Mensch für eine globale Klimaerwärmung sorgt und es dort, wo Lebewesen x bisher ein bisschen frierend, aber mit ausreichend Futter und ohne selbst gefressen zu werden, lebte, plötzlich warm genug ist für Lebewesen y, das sich am liebsten von Lebewesen x ernährt? Wird es x ausrotten? Wird x umziehen, irgendwohin, wo es wieder so kalt ist, das y nicht hinterherkommt? Auf die Art hat Ökologie sehr wohl etwas mit Umweltschutz zu tun. Aber nicht, indem wir Ökologen fleissig Müll trennen (Das tun wir sowieso! ;-) ), sondern indem wir zu verstehen versuchen, welche Auswirkungen das Eingreifen des Menschen auf den Naturhaushalt haben könnte.

Meine Mäusearbeit hier finde ich insofern besonders spannend, als sie ökologische Grundlagenforschung und Umweltschutz vereint.

Unser Umweltproblem hier ist der Mink, eine Art Nerz, der eigentlich aus Nordamerika stammt und in Finnland in Pelztierfarmen gehalten wird (Japaner tragen immer noch Pelze aus finnischen Minkfarmen, hab’ ich mir sagen lassen.) Ab und zu bricht mal ein Mink aus, oder sie werden zu Tausenden von sogenannten Naturschützern in nächtlichen Aktionen freigelassen. Viele überleben das freilich nicht. Sie sind das Leben in der freien Natur nicht gewöhnt. Sie verhungern. Sie werden überfahren. Sie werden gefressen. Am schlimmsten ist es für die, die ein weisses Fell gezüchtet bekommen haben. Die überleben nie. Aber die Minks, die überleben, fangen an, sich entlang der Ostseeküste und im Archipelago niederzulassen und sich zu vermehren. Und dabei fressen sie alles, was ihnen vor die Nase kommt: Seevogeleier, Küken, Frösche, Mäuse… Und die wissen nicht, wie ihnen geschieht. Im Archipelago hat es noch nie derartige Raubtiere gegeben. Greifvögel, ja, aber gegen die muss man sich ganz anders wehren als gegen einen Räuber auf dem Land. Und weil der Mink den Tieren im Archipelago gänzlich unbekannt ist, können sie sich gegen ihn nicht wehren. Wehren heisst natürlich nicht, dass eine Maus zum Zweikampf mit einem Mink antritt. Da hätte sie wenig Chancen. Aber sie könnte Taktiken entwickeln, dem Mink zu entgehen. Sie könnte in der Zeit, in der der Mink meistens aktiv ist, in ihrer Höhle sitzen, und erst dann rauskommen, wenn der Mink schläft. Sie könnte lernen, wo sich der Mink am liebsten aufhält und diese Gebiete meiden. Oder sie könnte versuchen, auf eine andere Insel umzuziehen, wo es vielleicht keinen Mink gibt. (Mäuse können gut schwimmen!) Vielleicht aber ist sie auch gar nicht so böse, dass es auf ihrer Insel einen Mink gibt. Solange sie nicht selbst gefressen wird, sondern recht viele von den Anderen, dann bleibt für sie selbst mehr Futter. Grössere Territorien. Gar nicht so schlecht, oder?! Futter, ach ja. Mäuse sind so ziemlich unersättlich. Das Nahrungsangebot auf den kleinen Inseln dagegen eher dürftig. Wenn fünfzig Mäuse an einem kleinen Stück Rasen nagen, dann geht’s den Pflanzen da drauf nicht sehr gut. Wenn der Mink von den fünfzig Mäusen dreissig wegfrisst, müsste es der Vegetation besser gehen, weil dann nicht mehr so viele Mäuse fressen. Klar, oder? Es kann aber auch genau umgekehrt sein: dass nämlich die Vegetation eine gewissen Störung braucht um besonders vielseitig zu sein. Wenn diese Störung wegfällt (also keine Mäuse mehr fressen), dann setzt sich vielleicht eine einzige Pflanzenart durch, die besonders konkurrenzstark ist, aber bisher von den Mäusen kurzgehalten wurde, so dass die anderen Arten auch eine Chance hatten. Und dass es nur noch eine Art gibt (oder einige wenige) ist ja auch nicht im Sinne eines ökologischen Gleichgewichts.

Was wir also insgesamt herausfinden wollen, ist, ob der Mink tatsächlich auf lange Sicht das ökologische Gleichgewicht stört oder ob er zwar vielleicht ein bisschen was verändert auf kurze Sicht, auf lange Zeit aber doch nicht wirklich was kaputtmacht.

Dazu haben wir jede Menge Inseln zur Verfügung, auf denen wir unsere Experimente machen dürfen. Auf zwei Gruppen dieser Inseln wird der Mink seit mehr als 10 Jahren regelmässig jedes Jahr abgeschossen, auf den anderen Inseln darf er sich weiterhin ausbreiten wie er will. Das ist eine tolle Möglichkeit, zwischen diesen Gruppen von Inseln zu vergleichen. Von den Seevögeln weiss man zum Beispiel, dass sie vom Mink fast ausgerottet waren, aber sich dort, wo der Mink abgeschossen wird, wieder gut erholen. Bei den Kleinsäugern weiss man nicht so recht. Also guck’ ich mir das an. ;-)

Rein praktisch sieht das so aus, dass wir die meiste Zeit mit Mäusefangen beschäftigt sind. Wir verwenden dazu sogenannte Lebendfallen, in die die Mäuse über eine Wippe reinlaufen, aber dann nicht wieder rauskommen. Herkömmliche Mausefallen wären ja auch ein bisschen doof für unsere Zwecke, oder? Jede Maus wird individuell markiert, damit wir später noch wissen, wer wer ist. Die neueste Methode, die wir gerade anwenden, ist, den Mäusen die Zehen zu tätowieren. Klingt komplizierter als es ist: die Maus bekommt einfach einen kleinen grünen Punkt (nee, das heisst nicht, dass sie recycelfähig ist, ich sagte doch schon, wir sind nicht IMMER mit Mülltrennen beschäftigt) auf eine ihrer 18 Zehen tätowiert, und hinterher weiss man, ach das ist Mausi Nr. 3 oder Mausi Nr. 15 oder… Wenn man dann wieder fängt, ist immer ein Anteil markierter und ein Anteil unmarkierter Mäuse in den Fallen. Daraus kann man z.B. ungefähr abschätzen, wie gross die Mäusepopulation auf der Insel ist. Und man weiss z.B. wie lange eine ganz bestimmte Maus überlebt. Also ungefähr. Wenn man sie nicht wieder fängt, dann kann das zwei Gründe haben. Entweder sie lebt nicht mehr, oder sie ist umgezogen und wohnt ausserhalb des Quadrats, in dem wir die Fallen aufstellen (5×5 Fallen in 10x10m-Abstand). Wenn man ganz unbedingt das Schicksal einer einzelnen Maus verfolgen will, dann kann man ihr einen ganz, ganz leichten Sender an einem Halsband umbinden und die Maus dann mit Antenne verfolgen. Allerdings mag ich das nicht so sehr.

Hingegen mag ich sehr, diese kleinen, pelzigen, warmen, wütenden und beissenden Tierchen in der Hand zu haben. Und besonders mag ich, sie hinterher freizulassen und zuzuschauen, wie sie, ein wenig verwirrt noch, aber sehr erleichtert, in Richtung ihres Baus verschwinden…

Wenn alle diese Mäusefangerei beendet ist und der Sommer um, dann kommt der Teil der Arbeit, den ich nicht sonderlich mag. Dann heisst es nämlich, wochenlang vor dem Computer zu sitzen und die Ergebnisse unserer Experimente auszuwerten. Viel, viel Statistik. Keine (sogenannte beschreibende) Statistik, die einem sagt, dass 49% der Bevölkerung männlich sind, sondern Statistik, die uns hilft, Unterschiede zwischen Versuchsgruppen aufzudecken. Wenn ich auf fünf verschiedenen Minkinseln je 2, 5, 0, 2 und 3 Mäuse fange und auf fünf verschiedenen minkfreien Inseln je 5, 0, 7, 2 und 4 Mäuse – kann ich dann wirklich sagen, dass es auf Minkinseln weniger Mäuse gibt? Der richtige statistische Test sagt mir, ob es so ist. Natürlich nicht hundertprozentig, aber zumindest mit einer hohen Wahrscheinlichkeit.

Und wenn ich dann etwas ganz Neues und Spannendes herausgefunden habe, dann muss ich das noch niederschreiben und veröffentlichen, damit andere Wissenschaftler auch davon erfahren. Man schreibt dazu sogenannte ca. 10-seitige paper, die in entsprechenden Fachzeitschriften veröffentlich werden. In wirklich guten Zeitschriften zu veröffentlichen ist ziemlich schwierig. Jedes paper wird ganz genau unter die Lupe genommen, ob der Versuch auch wirklich was ganz Neues ist, ob er korrekt geplant war, ob die richtigen statistischen Tests durchgeführt wurden, ob alles schlüssig beschrieben und begründet wurde. Ablehnungen sind sehr frustrierend, und meist muss ein paper mehrmals um- und überarbeitet werden, bevor es endgültig von einer Zeitschrift angenommen wird. Letztendlich, wenn man wissenschaftliche Karriere machen will, fragt auch keiner mehr nach irgendeiner Abschlussnote, sondern nur noch, wie viele paper man wo veröffentlicht hat.

Deutsche Doktorarbeiten werden häufig immer noch in Buchform niedergeschrieben. Dann hat man so ein hundertseitiges Buch, in das sowieso nie jemand wieder reinguckt. Ich habe sogar gehört, diese Bücher müssten auf Deutsch geschrieben sein, obwohl in der Wissenschaft alle nur noch englisch kommunizieren. In Finnland wird eine Doktorarbeit von vornherein so geplant, dass ungefähr fünf paper dabei herauskommen. Zwei davon, glaub’ ich, müssen zum Zeitpunkt der Verteidigung der Doktorarbeit schon veröffentlicht sein, die anderen dürfen als Manuskripte vorliegen. Das finde ich sehr gut, weil man dann keine Arbeit verschwendet, um erst eine deutsche (oder finnische oder was auch immer) Abhandlung zu schreiben und dann später daraus noch eine Veröffentlichung zu machen. Falls man dann dazu überhaupt noch Lust hat. Aber diese ganze Arbeit dafür, dass sie in einem Buch steht, das keiner liest?! Andererseits steht man mit dem finnischen System auch unter ziemlichem Druck, wirklich fünf gute Manuskripte zu produzieren. Im Moment erscheint mir das alles noch als sehr, sehr schwierig. Aber ich bin ja auch erst am Anfang und weiss, dass ich noch eine Menge lernen werde. Und in zwei Jahren schreckt mich das vielleicht alles gar nicht mehr.

Sagte ich schon, dass mir meine Arbeit grossen Spass macht? :-)


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Ich glaube, ich habe es es mittlerweile genügend zum Ausdruck gebracht, dass meine ersten acht Tage im Feld dieses Jahr wider Erwarten sehr schön waren. So schön, dass ich mich regelrecht danach sehne, im Juni endlich wieder rauszukönnen. So schön, dass mich der von den Gummistiefeln und dem Mäusepelz im Flur ausgehende Mäuse-Insel-Boot-Geruch ausnahmsweise einmal nicht wahnsinnig macht, sondern mich jedesmal tief einatmen und lächeln und denken lässt: “Jaja, bald wieder…“ Aber auf ein Andenken an unseren Abenteuertrip nach Hause in Form von nun schon neun Tagen andauernden Halsschmerzen hätte ich gut verzichten können. Wenigstens sind es diesmal nicht die Mandeln. Wenigstens helfen heisse Getränke. Nur eigentlich hielt ich die Heisse-Saft-Saison für abgeschlossen. Und nun sitz ich sogar mit einer Thermosflasche heissen Johannisbeersafts auf Arbeit! Nu’ reicht’s aber, ja?! Ich vergess es auch so nicht.


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Manchmal kann ich es immer noch nicht glauben. Manchmal überfällt mich die Freude immer noch unerwartet aus kleinen Hinterhalten:

In einen Ort, 80 km von Turku entfernt, fahren zu müssen, und vor dem Losfahren mal eben die Karte aufzuschlagen – unsere riesige „Skandinavien und Finnland“-Karte, die doch immer die „Urlaubskarte“ war.
Eine Einladung nach Oulu zu bekommen – und dafür keinen ganzen Finnlandurlaub einplanen müssen. Sondern uns einfach in den Zug setzen können.
Sowas.

Wir wohnen jetzt seit 1 ½ Jahren in Finnland. Ob ich mich jemals nicht mehr wundern werde, nicht nur auf Urlaub hier zu sein?


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Zum LIDL, ins PRISMA…?

Am liebsten in den Citymarket in Kupittaa!

Wer schon länger hier liest, wird sich vielleicht erinnern, dass der Citymarket im Länsikeskus mir regelmässig schlechte Laune verursacht hat und zu den von mir am meisten gehassten Geschäften gehörte. Gross, unübersichtlich, unsortiert und immer voller Menschenmassen.

Aber seit es den Citymarket in Kupittaa gibt – genau genommen gibt es ihn genau so lange, wie wir in Finnland sind, nur dass das Einkaufen in einer riesigen, aber erst halb mit Waren gefüllten und noch im Bau befindlichen Halle nicht so wirklich grossen Spass machte – aber seit der Citymarket in Kupittaa fertig gestellt ist, gehört er zu meinen Lieblingsläden. Nicht, dass er kleiner wäre. Er ist RIESIG. Der gigantischste Supermarkt, den ich je besucht habe.

Das allein ist die Brotabteilung:

Und das ein kleiner Ausschnitt aus der Milchabteilung:

Die neben Brot- und Milchabteilung drittwichtigste Abteilung finnischer Supermärkte:


Riesige Auswahl an Süssigkeiten.

Trotz seiner Grösse ist er der aufgeräumteste und übersichtlichste Supermarkt, in dem ich je war. Dort schiebe ich gern in aller Ruhe meinen rot-gelben Einkaufswagen durch die Gänge zwischen den Regalen, auch gern nur zum Gucken, nicht zum Kaufen. Wo sonst gibt es beispielsweise Hunde- und Katzenwurst in solcher Auswahl?

Heute habe ich sogar Sauerkirschen im Glas dort entdeckt, die bisher in keinem finnischen Laden zu finden waren, auch nicht im LIDL. Wer sagt’s denn – wir werden doch noch europäisch! ;-) (Aber bitte nicht zu sehr!!!)

Und besonders gern geh’ ich dort einkaufen, weil dort nie viel los ist, es ruhig ist und man nicht mal mit Musik berieselt wird, und es bis zur Kasse äusserst entspannt zugeht. Ich packe schon lange nicht mehr meine Sachen vom Fliessband schnellschnellschnell wieder in den Einkaufswagen. Sondern nach dem Bezahlen in aller Ruhe in Rucksack und Einkaufsbeutel. Wenn ich damit nicht, bis der übernächste Kunde dran ist, fertig geworden bin, dann warten sowohl Kunde als auch Kassiererin geduldig. (Meine in Deutschland erworbenen Schnell-Einpack-Fähigkeiten kann ich immer noch gezwungenermassen im LIDL zur Anwendung bringen.)

Und während ich mit meinen Beuteln Richtung Ausgang gehe, muss ich mich immer noch ein bisschen über die da amüsieren, die mit ihrem Wechselgeld ihr Glück versuchen:


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Hochzeitsvorbereitungs-Randbemerkungen

1) Bürokratie

Ich erwähnte schon das eine oder andere Mal, dass finnische Bürokratie etwas sehr angenehmes ist im Vergleich zu deutscher Bürokratie?! Ich erwähnte auch schon, dass mein Rufname zwar Karen ist, meine Vornamen aber als Monika Karen auf meiner Geburtsurkunde stehen, ja? Und dass mich das ein wenig annervt, seit ich in Finnland wohne, immer Briefe zu bekommen, die eigentlich an meine Mutter adressiert sind? Beim letzten derartigen Brief hat der Liebste gesagt:“Willst du die Namen nicht einfach mal umdrehen lassen?“ In Deutschland hätte ich es gar nicht erst probiert, aber da ich schon von verschiedenen Leuten gehört hatte, dass es in Finnland zumindest recht einfach ist, seinen Nachnamen ändern zu lassen (Nicht nur in Zusammenhang mit einer Eheschliessung, sondern auch auf persönlichen Wunsch – Williams Bruder z.B. hat seinen Nachnamen vor ein paar Jahren vom eingefinnischten Velmala zurück zum Wellmann seines deutschen Urgrossvaters ändern lassen.) und beim ersten Mal nicht mal etwas kostet, dachte ich, geh ich mal fragen.
Heute auf dem maistraatti:“Ich werde im Mai heiraten und meinen Nachnamen ändern. Und wenn ich schon einmal beim Namenändern bin, wäre es dann vielleicht auch möglich, die Reihenfolge meiner Vornamen zu ändern?“ „Ja, kein Problem…“ *formularrüberschieb* „…das kannst du gleich machen.“ Kaum hatte ich meine Sozialnummer obenan geschrieben, fing die Frau an, sie in ihren Computer zu hacken und mir nebenher zu erklären:“Du bekommst dann nämlich eine neue KELA-Karte.“ „Aber das lohnt sich doch gar nicht für die die drei Wochen… danach brauche ich ja dann wieder eine neue. So eilig ist es ja nun auch wieder nicht.“ „Na gut, wenn du meinst. Dann bringst du einfach das Formular zu eurer Hochzeit mit und wir machen das alles dann.“

Irgendwie hatte ich dabei auch erwähnt, dass ich aus Deutschland bin. „Wenn ihr beide Deutsche seid, warum wollt ihr denn dann die Trauung auf englisch?“ „Na, ich dachte, das ist das einzige, was möglich ist.“ „Ach wo, wir können das auch auf deutsch machen!“ „Na dann…“ „Nur deutsch, oder…?“ „Naja, deutsch wär’ echt schön für unsere Eltern, aber wir haben natürlich auch jede Menge finnische Gäste…“ „Na, dann machen wir es deutsch und finnisch, kein Problem!“

2) Kirchensachen

Dass wir die beste Gemeinde überhaupt haben, erwähnte ich auch schon mal, ja? Als wir unsere Organistin Matleena fragten, ob sie auch auf unserer Hochzeit Orgel spielen würde, sagte sie ein wenig schüchtern:“Wenn euch das reicht, was ich kann… dann gern.“ Oh, diese Finnen! Wir dachten natürlich an einen Konzertorganisten! ;-) Ruth, die auch sonst die Lieder für den Gottesdienst auswählt, hat für uns lauter Lieder ausgesucht, die man englisch und deutsch und finnisch gleichzeitig singen kann. :-) Und Mia klärt weiterhin Unwissende mit Vergnügen darüber auf, dass wir nicht in Deutschland heiraten werden, sondern *grins* *rumzappel* „…bei mir!“ Und gestern kündigte sie uns schon mal an:“If you don’t cry – I will!“ Und wer hat schon eine Pfarrerin, die sagt:“Natürlich komm’ ich zu eurer Trauung auf dem maistraatti!“?

Es ist euch schon allen klar, dass ich hier in diesem Land sehr glücklich bin?!


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April, April…

So jedenfalls sah’s gestern zeitweise vor meinem Bürofenster aus. Schnee, Sonne, Schnee, Regen, Sonne, Hagel, Sonne… Seit vorgestern ist es sogar in der Stadt so eisig kalt, dass ich froh bin, dass wir wieder zurück sind. Obwohl ich eigentlich doch am liebsten gleich wieder rausfahren möchte… *sehnsüchtigseufz*

Und nachdem ich gestern mit meiner Mutter telefoniert habe und mir sagen liess, dass in Deutschland schon die Kirsch- und Birnbäume blühen, wollte ich nur noch schnell erwähnt haben, dass in Turku der Huflattich blüht, ich auf Utö die ersten Schneeglöckchen gesehen habe und gestern vor der Uni die ersten blauen Träubchen! Jawohl! Kevät tulee!


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Natürlich wollten wir noch gar nicht vorgestern zurückkommen. Natürlich hat uns mal wieder das Wetter dazu gezwungen.

Dabei haben wir diesmal richtiges Glück gehabt. Nicht, dass alles reibungslos geklappt hätte, dass wir pausenlos schönes Wetter gehabt hätten. Aber es ist immer noch gerade rechtzeitig schön geworden.

Freitagnachmittag auf Utö z.B. war mir ganz flau im Magen. Weil wir die Fallen zuhatten und sie nachmittags nochmal kontrollieren und dabei einsammeln wollten. Um drei wollten wir los, und halb drei war auf einmal vor lauter Nebel keine 100 m weit mehr zu sehen. Und wir warteten und warteten… und wir konnten ja nicht ewig warten, irgendwann wird es ja auch dunkel, und das ist für unser Boot genausowenig geeignet wie Nebel. Aber die Mäuse in den Fallen lassen? Die wären doch am nächsten Morgen fast alle tot gewesen! Mensch, war mir schlecht. Wir haben hin und her gerechnet, wann wir spätestens losfahren müssen, wenn wir nichts weiter machen – die Mäuse nicht wiegen, neue Mäuse nicht markieren – als die Fallen auf und die Mäuse freilassen, und sind auf nicht später als um sechs gekommen. Dreiviertel sechs zog es sich wieder auf, wir nichts wie los und die Fallen aufgemacht und reingeholt. Puh!
Auch in der Nacht vorher war es schon recht neblig gewesen. Nach so einer Nebelnacht – William hat mir erklärt, dann landen auf Utö nicht nur die schwächlichen Vögel, sondern alle Zugvögel sind ein bisschen orientierungslos und werden vom Leuchtturm angelockt – fühlt sich die Insel an wie eine grosse Vogelvoliere. Überall piepst und flattert es, und man kann keinen Schritt tun ohne zehn bis zwanzig Vögel aufzuscheuchen.

Samstag sind wir bei schönstem Sonnenschein nach Vänö umgezogen. Mit Zwischenstopp in Kasnäs, weil wir tanken mussten und ausserdem den Liebsten abholen, der mich für das Wochenende besuchen gekommen ist. Kaum waren wir von Kasnäs wieder Richtung offenes Meer gestartet – bei strahlender Sonne – wollte ich meinen Augen nicht trauen: da vorn sind doch normalerweise Vänö und andere Inseln zu sehen, nicht nur offenes Meer bis zum Horizont? Eine Minute später wusste ich, warum das so komisch aussah: da befanden wir uns mitten im Nebel. In so seltsamem Nebel, wie wir ihn auch letztes Jahr schon erlebt haben, der einen keine 100 m weit geradeaus sehen lässt, aber den blauen Himmel, und in den die Sonne hineinscheint. So ein bisschen wie beim Fliegen, wenn man gerade aus den Wolken herauskommt. Wir also zurück nach Kasnäs, Kaffee getrunken, Eis gegessen, nach zwei Stunden nochmal versucht. Diesmal waren wir fast sofort im Nebel, als wir aus dem Schutz der Hauptinsel herauskamen (wo immer noch die Sonne schien, versteht sich). Mist. Wieder zurück. Und wir wollten doch noch die Fallen auf die Inseln bringen am gleichen Nachmittag! Als wir uns nach zwei Minuten nochmal umblickten, war auf einmal Vänö wieder zu sehen. Also nichts wie wenden und hin, an Vänö vorbei zu unserer Campsite-Insel Stora Buskär, Klamotten aus dem Boot schmeissen und Fallen rausbringen. Puh! Wieder Glück gehabt.
Die nächsten zwei Tage waren unglaublich warm und sonnig und fast windstill, und das Fangen hat Spass gemacht. (Ich hasse es, nasse Mäuse zu handeln, am allermeisten deshalb, weil es ihnen ja selbst nicht guttut). Der Liebste hat uns tatkräftig geholfen, so dass wir ganz schnell waren, ausserdem hat er frisches Obst mitgebracht und Saft und Limo, was’n luxuriöses Leben!

Am Dienstag wollten wir umziehen nach Trunsö, aber schon in der Nacht war es ziemlich stürmisch gewesen, und am Vormittag war nicht daran zu denken. Wir warteten also bis zur Wettervorhersage um 11:50 Uhr, aber die klang auch nicht wirklich vielversprechend, so dass wir beschlossen, dass Umziehen nach Trunsö um einen Tag zu verschieben, falls es nicht noch schlimmer kommen sollte… Mittlerweile hatte William noch ein paar Anrufe bekommen:“Du weisst aber, dass eine Kaltfront kommen soll und es wirklich kalt werden soll, vielleicht sogar schneien? Wollt ihr nicht lieber zurück nach Turku kommen?“ Nein, wollten wir nicht. Oder doch wenigstens den nächsten Seewetterbericht um 18:50 Uhr abwarten. Der sagte uns dann, dass es zumindest Mittwoch UND Donnerstag nichts werden würde mit arbeiten, und da ich ungern untätig auf einer Insel festsitze und sowieso das Wichtigste getan war, fiel die Entscheidung nicht schwer:“Zurück nach Turku!“ Ich dachte freilich an mittwochfrüh zurück nach Turku, aber William meinte, wenn wir sofort losführen, könnten wir es bis zum Einbruch der Dunkelheit noch schaffen nach Turku, und ausserdem könne es sehr wohl sein, dass der Wind bis morgen früh so stark zugenommen hat, dass wir gar nicht mehr wegkommen. Zwei Minuten Bedenkzeit. „Let’s go NOW!

Okay, Zeit läuft. Es ist 19:02 Uhr. Sonnenuntergang ist 21:01 Uhr. Nicht, dass das unser erster überstürzter Aufbruch von Stora Buskär wäre. Keine Frage, dass sowieso nach dem letzten Sommer und dieser Woche jeder Handgriff sitzt. 19:25 Uhr ist unsere Hütte aufgeräumt, ist der Liebste angerufen, dass er uns halb zehn von Hirvensalo abholen soll, sind alle Sachen in wasserdichten Müllbeuteln im Boot, sind wir verpackt in mehrere Lagen Kleidung plus Überlebensanzug. Und los! Fünf Minuten können wir volle Geschwindigkeit fahren, dann sind wir auf dem Stück offenen Meeres vor Kasnäs, und ja, der Wind hat sich doch schon zu einem ordentlichen Sturm ausgewachsen, die Wellen sind RIESIG, jede verpasst uns eine Salzwasserdusche. Kein Gedanke an schnell fahren. Hauptsache wir kommen da überhaupt noch irgendwie durch. William macht das. Er macht das prima. Nach unendlich langer Zeit sind wir endlich in der Hafeneinfahrt nach Kasnäs. Dort ist’s ruhiger, dort geht’s schneller. „Kannst du die Seekarte umblättern während ich fahre? Damit es schneller geht?“ Klar, kann ich. „703.“ Handschuhe aus, Karte aus der Hülle gezerrt, Hülle zwischen die Knie geklemmt, dass sie bloss nicht fortfliegt, mühsam gegen den Wind die Karte umgeblättert, wieder in die Hülle gefriemelt, zurückgereicht, die gefühllosen Hände wieder in die Handschuhe gestopft. „704.“ Gleiche Prozedur. Wumm. Wumm. Aha, hier sind die Wellen wieder höher. Egal. Festhalten, locker bleiben, Zähne nicht zusammenbeissen, dann tut’s auch nicht weh, und durch. Zeit für Bequemlichkeitsspirenzchen haben wir jetzt nämlich nicht. Zwischendurch noch schnell die Ladung umsortiert, weil der Wind das Boot unheimlich nach der einen Seite drückt. Endlich! Paraisten Portti! 20:50 Uhr. Die Sonne ist schon hinter den Bäumen der grösseren Inseln verschwunden. Geschwindigkeitsbegrenzung? Ach was. Ist ja eh noch keiner hier um diese Jahreszeit. Licht einschalten. „708.“ Nun muss man schon ganz schön gucken nach den Seezeichen. Die ersten Minileuchttürme fangen an zu blinkern, rot oder grün. Kalt wird’s auch langsam, trotz der vielen Sachen. Endlich! Die Fähre zwischen Parainen und Nauvo! 21:10 Uhr! Von hier geht’s auch ohne Seekarte. Aber hier sind auch die Wellen wieder höher. Dann taucht die Beleuchtung des Hafens von Naantali auf. Dann das „Zieltor“ – der Kran der Raisioer Werft, auf den wir immer lange Zeit zufahren müssen. Dann kommt uns die „Isabella“ von Viking Line entgegen, beleuchtet wie ein Weihnachtsbaum. Wir mit unserem rot-grünen Buglämpchen und dem kleinen weissen Hecklicht kommen uns so winzig vor dagegen. Und Radar haben wir auch nicht. Und es ist schon so finster. Und jetzt müssen wir auch nochmal fast anhalten um die Bugwellen der „Isabella“ gefahrlos zu passieren. Es ist 21:20 Uhr. Und nicht mehr weit. Als wir in die Bucht nach Hirvensalo einbiegen, fängt das Mondlicht gerade an zu leuchten. 21:40 Uhr sind wir da, das einzige Boot am Steg (Wer bitte fährt auch schon im April draussen rum?!), sogar unsere Leiter müssen wir erst ins Wasser stellen, die liegt noch winterfest auf dem Steg.
Angekommen. Im letzten blauen Licht. Was haben wir da eigentlich gerade gemacht die letzten zweieinhalb Stunden? “What a trip!“ *nick* „You are hero! Really! Thank you so much!“ Dann fallen wir geschafft und eher sprachlos ins Auto.


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An meine Haut lasse ich nur…

…eisigen Wind, Salzwasser und Sonne. Wenn diese Doktorarbeit fertig ist, habe ich gewiss ein Gesicht wie ein alter Fischer… Kopfschmerzen habe ich auch noch, von der Kälte und vom Zusammenstauchen bei jeder Welle gestern Abend. Aber wir sind heil wieder da, das wollte ich nur vermelden.
Und dass ich unheimlich stolz auf meinen Bootsfahrer bin und froh, dass er mit mir draussen war in Kälte und Sturm und Sonne und Nebel.

Jawohl, das musste mal gesagt werden!


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Draussen

Ist das schön, wieder draussen zu sein! :-)

Auf dem Meer zu sein, auf Utö zu sein, fühlt sich an, als hätte ich nie was anderes gemacht. Als wären wir erst letzte Woche hier gewesen, nicht vor sieben Monaten.

Es ist natürlich noch furchtbar kalt hier draussen. Wir waren ganz froh, dass wir nicht von Hirvensalo aus losfahren konnten, weil dort das Meer noch vereist ist, sondern uns Jorma mit dem Boot auf dem Anhänger nach Nauvo gebracht hat, wo wir im Hafen des Grenzschutzes unsere Nussschale zu Wasser lassen durften. (Die haben vielleicht Schiffe dort!)

Das hat uns nämlich einige Fahrzeit auf dem Meer erspart. So als Winter- und Inselökologin bin ich zwar mittlerweile ganz gut darauf eingestellt und mache mir nichts draus, fünf Lagen Kleidung mehr anzuziehen als man an Land brauchen würde, aber trotzdem. Auch die Überlebensanzüge haben wir diesmal lieber wieder benutzt. Mit 1 Grad warmem Wasser ist nicht zu spassen!

Als wir auf unseren Inseln in Utö ankamen, fühlte sich das alles ein bisschen wie Polarexpedition an: wir in den orangen Overalls, die Inseln alle noch mit türkis schimmernden Eiskappen auf der Nordostseite, und das Sonnenlicht durch Schleierwolken seltsam gedämpft. Die Sonne hatte ausserdem einen gigantischen Halo, einmal rundrum, nicht nur ein Stückchen, wie man es üblicherweise sieht.

Als wir alle unsere Fallen rausgebracht hatten und auf Utö angekommen waren, schlang sich William schnell zwei „Leberwurstmunkkis“ runter und war auch schon mit Stativ und Teleskop auf dem Weg zum Vögelgucken. Das ist aber auch beeindruckend hier, wie die ganzen Zugvögel nach der langen Ostseeüberquerung hier auf der Insel einfallen und nur mit Fressen, Fressen, Fressen beschäftigt sind und überhaupt nicht ängstlich!
Man hört fast nichts hier ausser dem Piepsen der Vögel und den Wellen, die hinter dem Leuchtturmberg auf den Klippen brechen. Ab und zu das Knirschen von Fahrradreifen im Sand neben unserer Hütte, wenn einer der Soldaten von der Kaserne auf der einen Seite der Insel zum Tower auf der anderen Seite der Insel fahren muss. Und aus einem der Bootsschuppen hämmert es immer mal.
Getroffen habe ich bis jetzt zwei Leute – die Lehrerin, die sich um unsere Hütte kümmert und die uns schon im Hafen erwartete, um ein langes Schwätzchen mit uns zu halten, und einen der Soldaten auf dem Fahrrad, der sich extra nach mir umdrehte um mir ein fröhliches „Hei!“ zuzurufen. Was die wohl hier im Winter so machen, so ganz allein unter sich, die ca. 15 Inselbewohner und die paar Soldaten?

William hat angekündigt, wenn er mal Rentner ist, zieht er hier her. Ich kann ihn ja dann immer besuchen kommen. :-)