Suomalainen Päiväkirja

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Turku-Istanbul mit dem Zug: (18) Pisa-La Spezia-München-Berlin-Stockholm-Turku

Dienstag, 18. Juli 2023

Der lange Ritt nach Hause begann in Pisa Centrale um 12:34 Uhr.

Wir waren alle wehmütig, denn von nun an würde es unweigerlich nach Hause und die Reise zu Ende gehen.

(Ich hatte vorher gedacht, dass wir irgendwann vielleicht doch genug haben würden vom Zugfahren, vom Nomadenleben, von immer neuen Städten. Aber jede neue Zugfahrt, jede neue Stadt war wieder toll. Das hätten wir noch eine Weile so weitermachen können. Ausserdem fühlte sich dieser Urlaub viel länger an als alle Urlaube sonst: War das wirklich auf dieser Reise, dass wir in Wien waren?! Vor drei Wochen erst sollen wir in Bukarest gewesen sein?!)

Was wir von der italienischen Bahn in Erinnerung behalten werden: das umfassende Wellnessprogramm für Züge auf jedem Bahnhof. Die weissen Schienen. Die wohlklingenden Bahnhofsdurchsagen. Die tollen Züge und vielen Zugverbindungen.

Die Fahrt mit der Regionalbahn nach Le Spezia dauerte nur eine Stunde.

Der arme Berg…!
(Nein, das ist kein Schnee!)

Trotzdem hatten wir danach schon wieder Hunger.

Da traf es sich gut, dass es in La Spezia ein Bahnhofsrestaurant gibt, das Tische auf Bahnsteig 1 stehen hat; man kann lecker Pizza essen und dabei Züge gucken. ♥

Danach suchten wir einen nahegelegenen Supermarkt auf, um Proviant für die anstehende Nachtzugfahrt zu besorgen. Der Ähämann bestand darauf, mir eine Flasche Limoncello nach Hause zu tragen.

(Es ist nämlich so, dass ich einst eine italienische Mitdoktorandin hatte, zu deren Doktorfeier ihre italienische Familie nicht nur kistenweise Wein, sondern auch viele Flaschen Limoncello nach Finnland mitbrachte, und seitdem muss ich leider bei jeder Fährüberfahrt eine neue Flasche kaufen. Oder – die bessere Alternative – bei jeder Reise nach Italien.)

Dann assen wir ein allerletztes Abschiedseis.

Und dann gingen wir zurück zum Bahnhof und warteten auf den Zug nach München, obwohl wir eigentlich lieber wieder in die andere Richtung davongefahren wären.

Der Zug kam erst zwei Minuten vor Abfahrt, und von der fröhlichen Klassenfahrtatmosphäre, die wir im Herbst im Nachtzug von München nach Venedig erlebt hatten, war diesmal nichts zu spüren. Die Schaffnerinnen ranzten uns erstmal prophylaktisch wegen allem und jedem an; die eine der beiden entschuldigte sich schliesslich mit Stress und Überarbeitung und zu straffen Fahrplänen, die andere hörte praktisch bis zur Ankunft in München nicht auf zu meckern. (Sekt gab’s auch nur auf ausdrückliche Nachfrage.)

Wir gingen, nach der Wanderung zum Bahnhof in Pisa und den paar hundert Metern Spaziergang zum Supermarkt in La Spezia schon wieder völlig nassgeschwitzt, erstmal duschen. Das geht zum Glück auch im Zug.

(Generell ist mir aufgefallen, dass in Schlaf- und Liegewagen die gemeinsam genutzten Sanitäranlagen sehr viel weniger eingesaut sind als in Sitzwaggons; vermutlich, weil sich alle Passagier*innen darüber im Klaren sind, dass sie für eine lange Zeit darauf angewiesen sind.)

Man beachte die schicken ÖBB-Pantöffelchen…!

Zwischen La Spezia und Genua befindet sich ein landschaftlich besonders schönes Stück Eisenbahn: wir fuhren abwechselnd immer am Meer entlang oder den Leuten durch ihre Hinterhöfe. Das zu fotografieren war allerdings schwer, denn immer, wenn man gerade auf den Auslöser drücken wollte, wurde der Blick durch den nächsten Tunnel oder die Säulen der nächsten Galerie verdeckt.

Dann ging es in die Berge und durch den ersten Regenschauer seit Sofia. Noch vor Mailand, wo das Fräulein Maus und ich noch eine Mitfahrerin in unser Dreierabteil bekommen sollten, hatten wir Zähne geputzt, Schlafanzüge angezogen, unser Gepäck verstaut, die Reisepässe bereitgelegt und uns hingelegt.

Mittwoch, 19. Juli 2023

Beim Frühstück kamen wir mit unserer in Mailand zugestiegenen italienischen Mitfahrerin über unser Woher und Wohin ins Gespräch. Als sie hörte, dass wir in Finnland wohnen, sagte sie gleich: „Ihr habt ja jetzt auch so eine rechte Regierung.“ Augenrollend erörterten wir, wie es dazu kommen konnte, dass solche Vollpfosten gewählt werden:

In Italien denken alle, egal, wer an der Regierung ist, das sind sowieso alles Diebe.
Und in Finnland denken alle, bei uns wird es schon nicht so schlimm werden, egal, wer an der Regierung ist.

Die deutsche Bundespolizei machte an der Grenze diesmal nur Stichproben; wobei diese ja keine echten Stichproben sind, sondern sich schon immer nur auf augenscheinlich Nicht-Deutsche beziehen, was ich noch mehr zum Kotzen finde als Passkontrollen für alle innerhalb des Schengen-Gebiets.

Unsere italienische Mitfahrererin erzählte uns von ihrer Grosstante, einer Nonne, die im zweiten Weltkrieg mal in einem Abteil gereist ist, in dem sich ein junger Mann unter den Sitzen versteckt hatte, und wie sie und ihre Ordensschwestern bei einer Polizeikontrolle ihre Röcke ausgebreitet haben und der Mann tatsächlich nicht entdeckt worden ist. ♥

In München traf uns zum ersten Mal seit Wochen nach dem Aussteigen keine heisse Wand; im Gegenteil, es war ziemlich kühl und ich hätte fast meinen zuletzt auf der Fahrt durch die Karpaten benutzten Pullover von ganz unten aus dem Rucksack gekramt.

Nach dem Zug nach Berlin musste diesmal auch nicht erst gefahndet werden. Wir rauschten in vier Stunden recht unspektulär einmal durch halb Deutschland; der kleine Herr Maus freute sich sehr, als der ICE auf der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke durch den Thüringer Wald dann doch endlich mal 300 km/h fuhr und ihm damit zu einem neuen persönlichen Rekord verhalf.

In Berlin angekommen, freuten wir uns erstmal wieder sehr über die Bargeldgesellschaft: Schliessfachbenutzung nur mit Münzen („Kein Rückgeld!“), und selbstverständlich waren alle drei daneben befindlichen Münzwechsler defekt und die Verkäufer*innen der umliegenden Geschäfte genervt. Aber Hauptsache, es heisst nicht mehr Schliessfächer, sondern Gepäckcenter…!!!

Nachdem der Ähämann die Misere durch den Erwerb zweier Streuselschnecken an zwei verschiedenen Backständen gelöst hatte, fuhren wir mit der U-Bahn zum Alexanderplatz, denn die Kinder Jugendlichen wollten noch ein bisschen im Alexa shoppen.

Abendbrot beim Steh-Taiwanesen, zurück mit der U-Bahn, letzter Proviantkauf im Bahnhofs-Supermarkt und bei einem der vielen Bahnhofsbäcker.

Und dann hatte sich der Kreis geschlossen.
(Obgleich wir noch einen Tag und zwei Nächte Reise vor uns hatten).

Der Snälltåget fährt immer von Gleis 14, und das ist  ist prima, denn Gleis14 hat im Gegensatz zum Tiefbahnhof Aussicht bis zum Fernsehturm und auf S-Bahnen und jede Menge Züge von Regionalbahn bis ICE. Manchmal fahren vier oder fünf Züge gleichzeitig und man kommt sich vor wie auf einer Modellbahnanlage.

Der Anfang der Fahrt verlief ein bisschen schleppend und wir mussten ziemlich oft anhalten, um Gegenverkehr durchzulassen. Zwischendurch bat die Schaffnerin darum, wegen eines in Kürze zu erwartenden Gewittergusses die Fenster zu schliessen. Als der durch war, mussten wir wieder anhalten, diesmal in Stendal, und der kleine Herr Maus sagte: „Mach mal das Fenster nochmal auf, ich will die gute Stendaler Luft riechen!“, und tatsächlich roch es genau so, wie es in Deutschland riecht im Sommer  auf dem Lande, und wir wurden alle noch ein bisschen wehmütiger.

Dann – wir sind inzwischen völlig routiniert darin – Gepäcktetris, Bettenrichten, Zähneputzen im schaukelnden Gang mit Blick auf in der Dämmerung aus den Feldern aufsteigenden Nebel und rotblinkende Windräder.

Der Ähämann wollte eigentlich den planmässigen Aufenthalt in Hamburg nutzen, um eine leere Pfandflasche und zwei leere Pfand-Joghurtgläser auf den Bahnsteig zu stellen, aber noch vor Hamburg waren wir alle fünf fest eingeschlafen und schaukelten dem Norden zu.

Donnerstag, 20. Juli 2023

Ich wachte kurz davon auf, dass der Ähämann – „Wir sind in Padborg! Gleich kommen die Dänen!“ – in meinem Rucksack nach unseren Pässen grub, die ich allerdings vorsorglich schon griffbereit zurechtgelegt hatte. Dankenswerterweise blieben wir diesmal jedoch, trotz Ankündigung, von der dänischen Passkontrolle ebenso verschont wie von der ausführlichen Anschlüsse-Durchsage in drei Sprachen früh halb sieben in Malmö, so dass wir – von einmal kurz aufstehen und aufs Klo gehen abgesehen – bis halb zehn durchschlafen konnten. Danach Streuselschneckenfrühstück und faules Rumgeliege bis zur Ankunft um 14:10 Uhr in Stockholm.

In Stockholm war es ziemlich frisch, nur 18 Grad; und das war wirklich saukalt, wenn man bedenkt, dass wir zwei Tage vorher noch 20 Grad mehr gehabt hatten. Die Luft war ganz klar und die Farben ganz kräftig, und das alles zusammen fühlte sich echt wie – NEIN!!! – Frühherbst an.

Allerletzter, dringend auf dieser Reise zu tätigender Einkauf.

Dann bestiegen wir die „Glory“ und gingen auf Wunsch der Herren Maus vor dem Schlafengehen noch das Schiff erkunden – aber es bleibt dabei, die in China gebaute „Glory“ ist einfach kein schönes Schiff. Sogar die Dinge, die eigentlich baugleich sind mit denen auf der „Grace“, sind auf der „Glory“ unpraktischer / schlechter verarbeitet / hässlicher.

Freitag, 21. Juli 2023

Wir schliefen wie die Ratze und wachten erst auf, als wir eine Stunde vor Ankunft in Turku geweckt wurden. Das war allerdings immer noch viel zu zeitig, denn wir brauchten ja nur eine Viertelstunde, um uns anzuziehen und das Schiff zu verlassen. Frühstück konnten wir ja zu Hause essen.

Als wir beim Umsteigen am Markt, der julibedingt noch ganz still und leise war, von einem Bussteig zum anderen liefen und ich gewohnheitsmässig an der roten Ampel stehenblieb, obwohl weit und breit kein Auto zu sehen war, sagte der grosse Maus mit leisem Vorwurf in der Stimme: „Weisst du noch, wie wir in Istanbul über die Strasse gegangen sind?!“

Eine halbe Stunde später waren wir zu Hause und versammelten uns, noch bevor wir den Frühstückstisch deckten, andächtig vor der vor fünf Monaten aufgehängten Karte, deren Fähnchen und Fädchen, die viereinhalb Wochen vorher noch nur vage Vorstellungen gewesen waren, sich alle in unvorstellbar schöne Erinnerungen verwandelt hatten.

Das war die tollste Reise, die wir je gemacht haben!

***
(1) Turku-Stockholm-Berlin-Prag
(2) Prag
(3) Prag-Wien
(4) Wien
(5) Wien-Bukarest
(6) Bukarest
(7) Bukarest-Istanbul
(8) Istanbul
(9) Istanbul-Sofia
(10) Sofia
(11) Sofia-Athen
(12) Athen
(13) Kineta
(14) Kineta-Patras-Bari-Rom
(15) Rom
(16) Florenz
(17) Pisa
(18) Pisa-La Spezia-München-Berlin-Stockholm-Turku


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Turku-Istanbul mit dem Zug: (17) Pisa

Montag, 17. Juli – Dienstag, 18. Juli 2023

Die Regionalbahn nach Pisa war gerammelt voll mit – vorzugsweise schlafenden und dabei die Fensterplätze belegenden – amerikanischen und asiatischen Tourist*innen.

Eigentlich hatte ich da schon keine Lust mehr auf Pisa, aber bis wir die obligatorischen Bahnhofsfotos gemacht hatten, hatten sich die Menschenmassen zerstreut. (Und tauchten auch bis zum nächsten Mittag, bis wir weiterfuhren, nicht wieder auf.)

Weil wir alle keine Lust hatten, nach den ausgedehnten Spaziergängen durchs heisse Florenz auch noch die knapp anderthalb Kilometer vom Bahnhof zu unserer Ferienwohnung zu laufen, nahmen wir den Bus.

Dafür waren es von dort dann bis zum Schiefen Turm nur noch 300 Meter, wohin wir nach unserem üblichen Ferienwohnungseinzugsritual – Waschmaschine an und duschen – auch gleich noch gingen.

Als er hinter der letzten Häuserecke auftauchte, war ich sehr erstaunt: der ist ja noch schiefer und noch hübscher, als ich ihn mir vorgestellt hatte! (Selbst wenn er nicht schief wäre, wäre er total hübsch!)

Ich hatte als Kind, ich weiss nicht woher, ein ausgeschnittenes Bildchen von ihm, und ich erinnere mich noch genau, wie mir erklärt wurde: „Das ist der Schiefe Turm von Pisa.“ Der weisse Turm mit seinen vielen Säulen und seine mysteriöse Neigung, der seltsame Name und nicht zuletzt die Tatsache, dass er völlig unerreichbar war, liessen ihn mir als etwas zutiefst Märchenhaftes erscheinen.

Und jetzt standen wir 40 Jahre später einfach so davor!

Wir machten die obligatorischen lustigen Touristenfotos, und gern wären wir auch auf den Turm gestiegen, aber die Preise waren noch gepfefferter als in Florenz, und die Turmbesteigung hätte uns einfach mal 100 € gekostet. Ich verstehe ja, dass seine Unterhaltung viel Geld kostet  und dass man die Touristen, solange sie freiwillig solche horrenden Beträge bezahlen, ruhig ausnehmen kann, aber dann bitte ohne uns.

Die am Turm eingesparten 100 € gingen dann (nicht ganz, aber fast) im Restaurant drauf, in dem wir nach dem auch nicht sehr üppigen Frühstück in Florenz abends um neun endlich die zweite Mahlzeit des Tages einnahmen. (War so nicht geplant, aber in Florenz konnte man wirklich nicht essen gehen und in Pisa hätte man es auch lieber gelassen, aber irgendwann muss man ja doch mal wieder eine vernünftige Mahlzeit zu sich nehmen.) Das Beste war: an der beleuchteten Wand über dem Eingang zum Restaurant tummelten sich jede Menge Fliegen jagende Geckos.

Am nächsten Morgen beschlossen wir, den Weg zum Bahnhof diesmal zu Fuss zurückzulegen, um wenigstens noch ein bisschen was Anderes von der Stadt zu sehen als nur ihr Wahrzeichen.

Ausser auf direktem Weg und um den Turm herum war Pisa übrigens überraschend leer. Dabei ist es auch sonst wirklich hübsch da.

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(1) Turku-Stockholm-Berlin-Prag
(2) Prag
(3) Prag-Wien
(4) Wien
(5) Wien-Bukarest
(6) Bukarest
(7) Bukarest-Istanbul
(8) Istanbul
(9) Istanbul-Sofia
(10) Sofia
(11) Sofia-Athen
(12) Athen
(13) Kineta
(14) Kineta-Patras-Bari-Rom
(15) Rom
(16) Florenz
(17) Pisa
(18) Pisa-La Spezia-München-Berlin-Stockholm-Turku


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Turku-Istanbul mit dem Zug: (16) Florenz

Sonntag, 16. Juli – Montag, 17. Juli 2023

Als wir in Florenz aus dem Frecciarossa gestiegen waren und auf den Bahnhofsvorplatz traten, erschien uns die Stadt nach dem vollen Rom wohltuend ruhig und menschenleer.

Wie sehr man sich täuschen kann…!

Der kleine Herr Maus war, nebenbei bemerkt, mit der Fahrt mit dem Roten Pfeil überhaupt nicht zufrieden, denn  nach unserer Herbstferienreise hatte sich sinngemäss folgender Dialog zwischen dem kleinen Herrn Maus und seinem Schulfreund E., der mit seiner Familie ein Jahr in Rom gelebt hat, entsponnen:

Kleiner Herr Maus: „Wir sind mit 280 km/h mit dem ICE durch Deutschland gefahren!“
Schulfreund E.: „Ich bin in Italien schon mal 300 km/h mit dem Zug gefahren!“

Ein Rekord also, den es zu brechen oder zumindest einzuholen galt. Und dann fährt dieser Kackzug nur 250 km/h…!

Vom Bahnhof zum Hotel waren es nur drei grosse Ampelkreuzungen und eine Handvoll enger Gassen.

Im Hotel fühlten wir uns um mindestens 40 Jahre zurückversetzt: an der Rezeption gab es statt eines Computers schicke Ledermappen, und unser Badezimmer war ein Traum in Moosgrün und Waldbraun. Das ältere Ehepaar, das das Hotel führt, war aber ausgesprochen nett und der Ausblick aus unseren Zimmern im vierten Stock ausgesprochen schön. (Allerdings steppte dann auch bis früh um drei unten in den Gassen der Bär. Wenn nicht gerade die Müllabfuhr kam und Glascontainer ausleerte. Ein Hoch auf Ohrenstöpsel! Und auf Ferienwohnungen in Aussenbezirken!)

Nachdem wir geduscht und die bei unserem Gepäckmarsch durch Rom durchgeschwitzten Klamotten durch frische ersetzt hatten, machten wir noch einen kleinen Abendspaziergang um den riesigen, durch seine Grösse und mit seinen Verzierungen wirklich atemberaubenden Dom. Wir freuten uns schon: da würden wir am nächsten Tag als erstes reingehen. Und auf den Turm steigen.

Allerdings überfiel uns dort auf dem abendlichen Domplatz schon so eine Ahnung, dass Florenz vielleicht noch mehr überlaufen ist als Rom. Allein die Anzahl an Strassenhändlern, Taschenspielern und anderen zwielichtigen Gestalten, die ungerührt ob der missbilligenden Blicke der Heiligen und sogar Gottvater persönlich auf dem Domplatz ihren zweifelhaften Geschäften nachgingen, liess nichts Gutes ahnen.

Die Restaurantsituation war dementsprechend, weswegen wir kurzerhand beschlossen, uns unser Abendbrot in einem noch geöffneten Supermarkt zusammenzukaufen.

Die Flasche Bier mussten wir allerdings an der Kasse zurücklassen. Wo gibt’s denn sowas ausser in Finnland?!

Am nächsten Vormittag führte uns unser erster Weg zu einer Bank, um Bargeld für die Bezahlung der Kurtaxe (hier heftiges Augenrollen einfügen) abzuheben. Der zweite in ein Café zum frühstücken. Der dritte endlich zum Dom. Leider wurde uns ziemlich schnell klar, dass weder aus einer Dombesichtigung von innen noch aus einer Turmbesteigung etwas werden würde: überall standen hunderte Meter lange Schlangen. Tickets für die Kuppel waren um elf schon für den Rest des Tages ausverkauft, für den Glockenturm hätten wir mindestens eine Stunde auf dem Domplatz – 35 Grad, pralle Sonne; es musste dann auch prompt, während wir an den Wartenden vorbeigingen, ein Mädchen aus der Schlange herausgetragen werden – anstehen müssen. Ausserdem hätte uns die Glockenturmbesteigung 4 x 20 € + 1 x 7 € gekostet. Die spinnen doch!!!

Wir liefen dann einfach ein bisschen durch die Stadt, und es war wie überall: wenn man ein paar hundert Meter weitergeht, kann man den Touristenmassen ganz gut entgehen.

Lange guckten wir uns den Neptunbrunnen mit seinen vielen Fabelwesen an und entdeckten immer noch neue Details: Pferdefüsse, spitze Ohren, Meerjungenfrauenflossen, befellte Oberschenkel, Penisse mit Tentakeln. Und erwähnte ich schon, dass Neptun einen sehr sexy Hintern hat?

Der grosse Herr Maus hatte uns einen Park rausgesucht, in den er gerne gehen wollte, und so spazierten wir lange durch den riesigen und beeindruckenden Boboli-Garten, der ebenfalls voller Skulpturen von Fabeltieren ist: Schildkröten, die einen Obelisken tragen, eine Ziege mit Meerjungfrauenschwanz, Nymphen, wasserspeiende Affen. Ausserdem gab es wohltuende schattige Plätzchen, denn inzwischen waren 37 Grad.

Von Bäumen solchen Ausmasses kann man in Finnland nur träumen.

Dann Rückmarsch zum Hotel, Rucksäcke holen und zum Bahnhof.

Während der Ähämann am Ticketschalter anstand, um Fahrkarten für die Regionalbahn nach Pisa zu kaufen, guckten wir anderen uns ausführlich im Bahnhof um. Der Bahnhof Santa Maria Novella hat zwar einen sehr poetischen Namen (wie viele italienische Bahnhöfe), ist aber auch so ein nüchterner Klotz aus der Zeit des italienischen Faschismus (wie viele italienische Bahnhöfe).

Dann kam der Ähämann mit den Fahrkarten sowie der Ansage, dass der nächste Zug nach Pisa in vier Minuten fährt, und so legten wir einen kleinen Spurt nach Gleis 3 ein und verliessen Florenz ohne Bedauern.

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(1) Turku-Stockholm-Berlin-Prag
(2) Prag
(3) Prag-Wien
(4) Wien
(5) Wien-Bukarest
(6) Bukarest
(7) Bukarest-Istanbul
(8) Istanbul
(9) Istanbul-Sofia
(10) Sofia
(11) Sofia-Athen
(12) Athen
(13) Kineta
(14) Kineta-Patras-Bari-Rom
(15) Rom
(16) Florenz
(17) Pisa
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Turku-Istanbul mit dem Zug: (15) Rom

Freitag, 14. Juli – Sonntag, 16. Juli 2023

In Rom war kurzzeitig meine Thermoregulation kaputt.

Dabei hatte alles ganz gut angefangen: wie in jeder neuen Stadt kauften wir zuerst für uns alle  Metrokarten, denn auch in Rom hatte der Ähämann für uns eine Wohnung ein bisschen ausserhalb ausgesucht. Wir stiegen aus der Metro, liefen 200 Meter, bekamen den Schlüssel zur Ferienwohnung überreicht, losten die Duschreihenfolge aus, stellten eine Waschmaschine an, zogen nicht-durchgeschwitzte Sachen an und gingen 300 Meter bis zu einem sehr kleinen, sehr tollen Pastarestaurant. Man stellte uns einen zusätzlichen Tisch auf die Strasse, und das Essen war ausgesprochen lecker. Zum Nachtisch gingen wir 100 Meter weiter in die nächste Gelateria, wo es ebenfalls ausgesprochen leckeres (und preiswertes!) Eis gab.

Dann gingen wir schlafen. Seit Athen hatten wir durchgängig Klimaanlagen in den Ferienwohnungen gehabt; etwas, was wir sehr zu schätzen gelernt hatten, auch wenn wir sie nur auf ca. 27 Grad einstellten – denn nichts ist schlimmer, als wenn draussen Brüllhitze herrscht, man entsprechend gekleidet ist und sich vielleicht auch schon ein bisschen an die Hitze gewöhnt hat, und dann einen auf 18 Grad runtergekühlten Bus oder Laden betreten muss. Aber die Wohnung in Rom hatte eine etwas seltsame Klimaanlage, und immer, wenn sie ansprang, fing ich an zu frieren, und immer, wenn sie wieder ausging, bekam ich einen heissen Kopf; so ein bisschen wie wenn man abwechselnd Fieber und Schüttelfrost hat. Offensichtlich kann ich problemlos bei 38 Grad in praller Sonne einen Berg besteigen , aber nicht unbeschadet vier Stunden bei 33 Grad in einer geschlossenen Blechbüchse sitzen.

Am nächsten Morgen war ich deshalb zwar nicht wirklich ausgeschlafen, aber immerhin funktionierte nach dem Frühstück meine Thermoregulation wieder.

Auf Wunsch des kleinen Herrn Maus fuhren wir zunächst zum Colosseum.

Schon in der Metro war es supervoll. (Und heiss.)

Aber als wir am Colosseum ausstiegen, waren da eine Million Touristen und 5000 Leute, die einen alle zehn Sekunden anquatschten, ob man Wasser / Sonnenschirme / voll günstige Tickets… kaufen möchte.

Da wir auf die voll günstigen Tickets (haha!) dankend verzichteten, stellten sich der Ähämann und der grosse Herr Maus eine halbe Stunde bei 36 Grad und Prallsonne am offiziellen Ticketverkauf an.  Und weil wir auf die angebotenen Flaschen mit einem halben Liter Wasser – zur Hälfte gefroren (nichts ist kontraproduktiver bei Hitze als eiskalte Getränke!) – zum Preis von 2 Euro, ebenfalls dankend verzichteten, machten das Fräulein Maus, der kleine Herr Maus und ich währenddessen einen Spaziergang zu einem nahegelegenen Supermarkt, um dort unsere Wasservorräte aufzustocken (30 Cent für anderthalb Liter wohltemperiertes Wasser).

Ausserdem klärte sich auf dem Weg zum Supermarkt die wichtige Frage, ob italienische Polizeiautos die gleiche Signalmelodie spielen wie italienische Krankenwagen. „Hier kommt gleich deine Antwort gefahren!“, zeigte der kleine Herr Maus in eine Seitenstrasse, und tatsächlich, tun sie nicht.

Dann aber hatten wir Tickets und Wasser und durften nach ausgiebigen Sicherheitskontrollen ins Colosseum eintreten. Drinnen war es immer noch viel zu voll für meinen Geschmack, aber immerhin nur noch halb so viele Leute wie draussen. Ausserdem kamen wir zum ersten Mal mit der in Italien offensichtlich sehr verbreiteten Spezies Touristen in Kontakt, die die  Sehenswürdigkeiten nur mit dem Rücken angucken, weil sie ja Selfies machen müssen: „Wir machen hier Fotos!“, blaffte uns ein Pärchen an, nachdem wir eine Minute geduldig zugeguckt hatten, wie sie sich in verschiedene Posen warf und er diese mit dem Handy festhielt, aber wir dann doch mal einen Blick vom dafür vorgesehenen Aussichtspunkt ins Innere des Colosseums werfen wollten, worauf mir nur zu erwidern blieb: „Und wir würden gern mal hier runtergucken!“

Clever, die alten Römer: eine Veranstaltaltungshalle für 70 000 Leute bauen und gleich Sicherheitskontrollen installieren!

(Es war trotzdem gut, dass wir reingegangen sind, waren wir uns einig.)

Dann fuhren wir zum Petersdom.

Ich hatte ähnliche Zustände wie am Colosseum erwartet, aber in den Petersdom kamen wir mit unter fünf Minuten Wartezeit an den Sicherheitskontrollen. Auch die Kleiderkontrolle passierten wir ohne Probleme: die Männer der Familie ärgerten sich ein bisschen, dass sie extra den ganzen Tag in langen Hosen herumgelaufen waren, denn angesichts der 36 Grad draussen hatte man offensichtlich ein Einsehen mit den vielen Männern in Shorts gehabt; ausserdem tat mir das Fräulein Maus leid, das durchaus einen langen Rock dabeigehabt hätte, aber sich lieber für lange Hosen entschieden hatte und dann tatsächlich ziemlich unter der Hitze litt.

Wir liefen lange im Petersdom herum und bestaunten die Grösse und den Prunk, stiegen auch in die Papstgrotte hinunter und fanden zuletzt endlich den Eingang zum Ticketverkauf für die Turmbesteigung.

Auch da waren vergleichsweise wenig Leute, vor allem, weil wir uns – was sonst?! – dafür entschieden hatten, alle 535 Stufen zu laufen statt die ersten 230 mit dem Fahrstuhl zu fahren.

Der Aufstieg auf den Turm des Petersdoms ist fast noch beeindruckender als die Aussicht von oben: zuerst geht es ewig auf breiten, flachen Wendeltreppen in die Höhe, dann über die „Dachterrasse“ über dem Hauptschiff, und dann in die Kuppel hinein. Auf halbem Weg kann man nochmal vom verzierten  Kuppelumgang auf die ameisenkleinen und -gleichen Menschen unten im Kirchenschiff gucken, dann geht es durch immer schmaler und geneigter werdende Gänge zwischen äusserer und innerer Kuppelschale, über eine Holzleiter und zuletzt eine sehr enge Wendeltreppe bis zur Aussichtsplattform am unteren Ende der Turmlaterne.

Passend zum Thema der Reise: auch der Vatikan hat einen Bahnhof und 600 m Gleise, die von der Vatikanischen Staatsbahn betrieben werden. Niedlich.

Dann aber hatten wir genug von Menschenmassen und Hitze – wir haben im Laufe des Tages bestimmt jede*r drei Liter Wasser ausgeschwitzt und dachten sehnsüchtig an die trockene Hitze Athens – und traten den Rückzug an. Schon die Metro Richtung Ferienwohnung war – weil „falsche“ Richtung – wohltuend leer. Die Kinder hatten den Wunsch geäussert, das genau gleiche Abendbrot wie am Vortag einzunehmen, und das taten wir mit Freuden. Lecker!

Als wir am nächsten Morgen – ein Sonntag – aufwachten, zirpten die Zikaden von den Bäumen vorm Fenster, und in der Kirche nebenan wurde bei weit geöffneter Tür Gottesdienst gefeiert; wir frühstückten zu Gesang und Orgelklängen.

Eigentlich wollten wir die Rucksäcke am Bahnhof einschliessen, aber sämtliche Schliessfächer waren belegt, und die Schlange an der Gepäckaufbewahrung war so lang, dass wir sowohl zum Abgeben als auch zum Wiederabholen eine Stunde hätten warten müssen; ausserdem kostete es 6 € pro Gepäckstück, und das lohnte sich einfach nicht für die zwei Stunden, die wir unter diesen Umständen die Rucksäcke dortlassen hätten können.

Wir kämpften uns also durch die Menschenmassen am Bahnhof zurück zur Metro und fuhren bis zur Station Spanische Treppe. (Das hätten wir einfacher haben können, wenn wir um die Gepäckaufbewahrungssituation am Bahnhof gewusst hätten!) Dort beschlossen wir (sprich: wir Eltern; bei den Kindern stiess der Vorschlag zunächst auf wenig Gegenliebe) relativ spontan, die zwei Kilometer von da zurück zum Bahnhof zu laufen. Das war zugegebenermassen schon recht herausfordernd bei 37 Grad, Prallsonne, ziemlicher Luftfeuchtigkeit und mit den schweren Rucksäcken auf dem Rücken – aber wir sahen auf dem Weg immerhin mal ein bisschen normales Rom ohne Touristenmassen! ♥

Spanische Treppe, dank Hitze und Prallsonne nahezu menschenleer.

Unterwegs machten wir noch eine Eispause; zufällig befand sich direkt neben der Gelateria, in der man sich unter 50 Eissorten entscheiden musste, der schattige Garten einer innen sehr hübschen anglikanischen Kirche: Sternenhimmel an der Decke, bunte Fenster, glänzende Mosaike und ein Josef, dem sehr deutlich die Frage „Worauf habe ich mich da nur eingelassen?!“ ins Gesicht geschrieben steht.

Dann kämpften wir uns am Bahnhof wieder durch die Menschenmassen, bestiegen einen Roten Pfeil und sausten in anderthalb Stunden – durch viele Tunnel, aber auch durch viel hübsche Landschaft mit an Hügeln geklebten Dörfern; überhaupt kamen wir uns in Italien immer wie auf der Modellbahnanlage vor, weil sich neben den Hochgeschwindigkeitsstrecken immer auch Regionalstrecken durch die Gegend winden, die mal oben, mal unten kreuzen, und in regelmässigen Abständen gibt es Auf- und Abfahrten – nach Florenz.

Aber das ist ein anderes Kapitel.

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(1) Turku-Stockholm-Berlin-Prag
(2) Prag
(3) Prag-Wien
(4) Wien
(5) Wien-Bukarest
(6) Bukarest
(7) Bukarest-Istanbul
(8) Istanbul
(9) Istanbul-Sofia
(10) Sofia
(11) Sofia-Athen
(12) Athen
(13) Kineta
(14) Kineta-Patras-Bari-Rom
(15) Rom
(16) Florenz
(17) Pisa
(18) Pisa-La Spezia-München-Berlin-Stockholm-Turku


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Turku-Istanbul mit dem Zug: (14) Kineta-Patras-Bari-Rom

Donnerstag, 13. Juli 2023

Der Strandurlaub nahm ein jähes Ende, denn der Wecker klingelte schon um acht. Auch unsere ausgesprochen nette, aber ein bisschen döselige Vermieterin, die im gleichen Haus wohnte, mussten wir erst herausklingeln, damit sie uns das Tor zur Strasse aufmachte. „Ach, ihr geht schon?! Ich wollte euch doch noch was zum Mitnehmen zurechtmachen“, sagte sie, „aber ja, wenn ihr jetzt zum Zug müsst…“

(Wahrscheinlich wird sie noch in 20 Jahren davon erzählen, wie einmal diese Familie bei ihr übernachtet hat, die mit dem Zug! angereist ist.)

Jedenfalls fühlte sich auch kurz vor neun der Weg zum Bahnhof schon wieder so an, als würde er geradewegs durch einen Backofen führen.

Dann bestiegen wir eine gut, aber nicht zu sehr gekühlte Regionalbahn aus Athen und fuhren mit ihr weiter nach Westen.

Kurz hinter Korinth war vorläufige Endstation. Theoretisch gibt es eine Bahnstrecke von Athen nach Patras, praktisch wird an ihr noch gebaut, und zwischen Kiato und Patras gibt es so etwas wie dauerhaften Schienenersatzverkehr.

Während der einstündigen Wartezeit auf den Bus schleppten wir uns und unsere Rucksäcke bei gefühlten 80°C zu einem nahegelegenen Café.

Dann fuhr uns der Schienenersatzverkehr immer am Meer entlang nach Patras.

In Patras ging’s weiter mit dem Stadtbus, der früher offensichtlich mal in einer deutschen Stadt im Einsatz gewesen war.

(Wir mussten direkt wieder daran denken, wie wir 2001 in Albanien gewesen waren und dort vom Kleinbus bis zum Müllauto alles mit deutschen Firmenaufschriften herumgefahren war.)

„Nicht rauchen“ galt dabei nicht für den Busfahrer, und die nicht ganz… äh… passende Haltestellenanzeige machte nichts, weil der Busfahrer die Haltestelle „Hafen“ netterweise ausrief.

Von der Bushaltestelle schleppten wir uns und unsere Rucksäcke durch Brüllhitze zum Terminal, wo wir unsere Online-Tickets am Superfast-Schalter gegen Papiertickets tauschen mussten, und dann nochmal 200 Meter zurück, um ein spätes Mittagessen zu essen.

(„Gibt es Buffet auf der Fähre? Haben wir Buffet gebucht?!“, fragte der grosse Herr Maus – was so passiert, wenn man sonst immer nur zwischen Stockholm, Turku, Helsinki und Tallinn Fähre fährt – und wir antworteten mit einem übertragenen „Träum weiter!“. )

Mit Superfast sind wir in unseren ersten Jahren in Finnland viel gefahren, als die griechische Reederei zwei Fähren zwischen Hanko und Rostock betrieb. Wir trafen allerdings kein bekanntes Schiff wieder, denn die Superfast VII und VIII fahren jetzt in Grossbritannien. Die derzeit die planmässige Fähre zwischen Patras und Bari ersetzende Ariadne wurde uns als besseres und luxuriöseres Schiff als das planmässige angepriesen, aber sagen wir mal so: es ist uns jetzt klar, warum die hier ausgemusterte Amorella solche Begeisterungsstürme in ihrem neuen Einsatzgebiet auslöst.

Als wir vom Essen zurückkamen, gingen wir einfach gleich mal zum Boarding, und tatsächlich durften wir direkt durch die Sicherheitskontrolle, bekamen eine Hafenbusfahrt nur für uns fünf und konnten auch schon an Bord gehen.

Tschüss, Griechenland! War superschön mit dir!

(Gibt es eigentlich Wanderwege in den griechischen Bergen? So für wenn keine fast 40 Grad herrschen?)

Bis zum Sonnenuntergang sassen wir noch auf Deck, während das Schiff durch die ionischen Inseln zog.

Freitag, 14. Juli 2023

Früh um neun legten wir in Bari an.

In Bari gibt es keinen Hafenbus, sondern man latscht als Fussgänger*in einfach zwischen den LKWs durch.

Wir fuhren mit dem Stadtbus zum Bahnhof, gingen erstmal frühstücken, kurz darauf auch gleich noch sowas wie mittagessen, und erledigten einen mittelgrossen Provianteinkauf für die Zugfahrt im Bahnhofssupermarkt.

Ich fühlte mich, als der erste Krankenwagen vorbeifuhr, direkt nach Venedig zurückversetzt, weil wir dort die Signalmelodie der italienischen Krankenwagen zum ersten Mal gehört hatten – von einem Krankenboot.

Als unser Zug einfuhr, witzelten wir noch: „Oh, ein italienischer X2000!“. Das Lachen sollte uns bald vergehen.

Draussen waren 36°C, und drinnen funktionierte die Klimaanlage nicht. Das heisst, sie funktionierte schon, aber schaffte es nicht, die geschlossene Blechbüchse, in der wir sassen, auf weniger als 33°C herunterzukühlen. Wenn man ein Fenster hätte öffnen können, wäre alles halb so schlimm gewesen, aber so erlebten wir die unangenehmsten vier Stunden Zugfahrt der Reise. Ich verfiel irgendwann in eine Art Hitzestarre, der Rest der Familie ging einmal pro Stunde für zehn Minuten in den Speisewagen zum Abkühlen; irgendwann teilte die italienische Bahn Dosen mit Wasser aus. Besser hätten wir nicht vor Augen geführt bekommen können, warum italienische Schienen weiss lackiert sind…

Wir waren jedenfalls sehr froh, als wir nach drei Stunden gemächlicher Fahrt durchs Gebirge und einer Stunde auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke- der Frecciargento kann 250 km/h fahren, allerdings wackelt er ab 230 km/h ziemlich – Roma Termini erreichten. Nicht, dass es in Rom kühler gewesen wäre als im Zug – aber die Luft war deutlich sauerstoffreicher und bewegte sich sogar ab und zu ein bisschen; Hitze an sich ist ja nicht schlimm.

Roma Termini war übrigens seit Wien der erste Bahnhof der Reise, der wirklich weltstädtisch wirkte: ständig kamen Züge an und fuhren Züge ab, strömten Menschen aus Zügen auf die Bahnsteige oder drängten sich zwischen Bahnsteigsperre und Bahnsteig. So viele Menschen auf einem Haufen haben wir nicht einmal in Istanbul gesehen.

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(2) Prag
(3) Prag-Wien
(4) Wien
(5) Wien-Bukarest
(6) Bukarest
(7) Bukarest-Istanbul
(8) Istanbul
(9) Istanbul-Sofia
(10) Sofia
(11) Sofia-Athen
(12) Athen
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Turku-Istanbul mit dem Zug: (13) Kineta

Dienstag, 11. Juli – Donnerstag, 13. Juli 2023

Die Kinder hatten sich – wenn schon Urlaub im Süden, dann richtig! – neben den ganzen Zugfahrten und Städten auch ein bisschen Strandurlaub gewünscht.

An die türkische Mittelmeerküste kommt man leider nicht mit dem Zug. Wer nicht einen Tag lang im Bus sitzen will – und wer will das schon? – fliegt. Und sitzt dann in Antalya und Co. in Hotelburgen fest. Das war beides nicht, was wir uns für diesen Urlaub vorgestellt hatten (oder jemals für einen Urlaub vorstellen würden).

(Unvergessen, wie der Ähämann einmal von Arbeit nach Hause kam und mitteilte, er würde gern an einer Tagung in der Türkei teilnehmen, aber leider wäre die genau über Ostern, und ich sagte, kein Problem, wir können ja mitkommen, weil ich dachte, die Tagung fände in Istanbul oder Ankara statt, aber Tagungsort war ein Hotel in Antalya, weswegen der Ähämann dann doch alleine hinflog und berichten konnte, dass alles noch schlimmer ist, als wir es uns vorgestellt hatten.)

Jedenfalls hatte uns der Ähämann stattdessen einen kleinen griechischen Badeort mit Bahnanschluss gesucht, und so dauerte, als wir aus Athen abreisten, der Weg zum Bahnhof länger als die Zugfahrt zum nächsten Reiseziel.

Als wir in Kineta aus der Regionalbahn stiegen, fühlte es sich an wie im Backofen. Es dauerte allerdings noch ein bisschen, bis wir ins Meer springen konnten, denn zuerst erreichten wir unsere Vermieterin nicht, und dann standen wir ewig vor dem Tor, weil sie auf ein Auto wartete. „Ihr seid zu Fuss?!“, fragte sie ganz erstaunt, als wir sie nochmal angerufen hatten. (Und bot uns sofort an, uns zum Supermarkt zu fahren, falls wir was brauchten.)

Tatsächlich sollten wir ziemlich schnell feststellen, dass in Kineta kein Mensch auch nur einen einzigen Schritt läuft: man fährt zum Strand, in den Laden, ins Restaurant, zum Eiskiosk.

Dabei kamen wir auch ohne Auto gut klar: der Strand war gleich hinterm Haus, ein Strandrestaurant 200 m, ein Kiosk 700 m, eine Konditorei 800 m, ein Dorfkonsum – einen derart bestückten Laden habe ich zuletzt in meiner Kindheit gesehen  – anderthalb Kilometer entfernt. Nur der richtige Supermarkt wäre drei Kilometer weg, am anderen Ende des Ortes, gewesen. Aber den brauchten wir in den anderthalb Tagen auch nicht unbedingt.

Kineta hat nur ein einziges, kleineres Hotel, und den Strand teilten wir uns mit nur einer Handvoll Einheimischer. Wir lagen einen ganzen Tag lang unter Bastschirmchen am Strand und schwammen im klaren, warmen, unglaublich blauen und unglaublich salzigen Wasser. Die Kinder bekamen eine Taucherbrille gekauft, die sich später am Tag noch als nützlich zum Tränken einer durstigen Strandkatze herausstellen sollte. Mittagessen holte uns der Ähämann aus der Souflaki-Bar, Abendbrot machten wir am Sandwichkiosk, und zum Nachtisch gab’s ein Softeis aus der Konditorei. Der grosse Herr Maus und ich guckten ein bisschen sehnsüchtig zu den Bergen hinauf. Abends sassen wir auf der Terrasse, hörten – nachdem die Zikaden, die früh im ersten Dämmerlicht alle gleichzeitig zu zirpen angefangen hatten, verstummt waren – die Wellen an den Strand schwappen, sahen ewig einem Auto mit Blaulicht nach, das auf der Autobahn am Berghang entlang Athen zustrebte, und wurden dabei von einer Million Mücken zerstochen.

Um nichts in der Welt hätte ich das gegen eine Pauschalreise in eine Hotelburg eintauschen wollen.

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Turku-Istanbul mit dem Zug: (12) Athen

Samstag, 8. Juli – Dienstag, 11. Juli 2023

Den ersten Vormittag in Athen begannen wir mit Wäscheaufhängen mit Aussicht. (Nach dem Frühstück konnten wir die Sachen direkt wieder anziehen.)

Überhaupt waren wir von dem Stadtviertel, in dem wir wohnten, direkt sehr angetan: kleine Häuser, so weit man gucken kann!  Lauter enge, von exotischen Bäumen gesäumte Strassen!

Direkt um die Ecke gab es einen kleinen Supermarkt, eine Bäckerei, einen Getränkehändler, der unter Anderem Cocktails von A. Le Coq (!) im Angebot hatte. (Die liessen wir aber stehen und beschränkten uns auf griechische Limo, griechisches Radler und eine Flasche griechischen Wein.) Vom Obsthändler schleppten wir gleich erstmal eine halbe Melone nach Hause; endlich mal nicht schon durch ganz Europa gereiste und nach gar nichts schmeckende Früchte essen zu müssen war auch eine der besten Sachen der Reise!

Vor allem war es nicht weit bis zur nächsten Metrostation.

Die Athener Metro – ich erwähnte es schon – war nach unserer völlig subjektiven Einschätzung die zweitbeste der Reise. Sie hat vor allem sehr hübsche Stationen.  (Und ist so leise!)

((Sorry, liebe Lissabonner*innen, aber das ist jetzt leider ein Running Gag in unserer Familie.))

Metrostation Akropolis

Metrostation Monastiraki

Zur Akropolis waren es dann auch nur zwei kurze Metrostationen.

Wir hatten ja befürchtet, erstmal eine Stunde um Tickets anstehen zu müssen und dann nur durchgeschoben zu werden, aber die Menge an Besuchern war – vielleicht lag es an den 35°C – echt überschaubar. Ausserdem haben Jugendliche unter 25 aus EU-Ländern freien Eintritt!

(Natürlich fragte auch dort die Ticketfrau erstmal: „Finnland? Ist das EU?!“, aber sie glaubte es uns immerhin, ohne dass ich erst meinen finnischen Führerschein mit der EU-Flagge drauf rauskramen musste.)

Die Sonne knallte auf uns herab, in den Bäumen sassen Zikaden und waren unbeschreiblich laut, der grosse Herr Maus sprang begeistert von Ausgrabung zu Ausgrabung. Mindestens ebenso faszinierend wie die alten Gemäuer war der Blick über Athen von der Akropolis:  Athen ist eine Stadt ganz ohne Wolkenkratzer und fast ohne höhere Hochhäuser! Nur unendlich viele weisse, würfelförmige Häuser, von den Bergen im Norden bis zum Meer im Süden. Und immer mal dazwischen stehen und liegen antike Säulen rum.

Überhaupt hatte ich mir Athen viel grösser, voller, lauter, dreckiger… vorgestellt und fand es dann voll schön da.

Von der Akropolis aus entdeckten wir auch unser Ausflugsziel – wir sind ja die, die auf jeden Turm und jeden Berg hochmüssen – für den nächsten Tag:

Der steile Aufstieg auf den Berg mitten im Athener Häusermeer ähnelte ein bisschen dem Südaufstieg auf den Jenzig; nur dass es am Jenzig selbst im Hochsommer nicht so heiss ist – auf den Lykavittos stiegen wir bei 38°C! – und an seinen Hängen keine Feigenkakteen und kein Aloe wachsen.

Was wir von Weitem für Bäume hielten, stellte sich bei näherem Hingucken als die schon verwelkten Blüten des Aloe heraus – was ich nur deswegen erkannt habe, weil unser Aloepflänzchen zu Hause dreimal im Jahr eine im Massstab ähnlich gigantische Blüte produziert.

So toll! Ich glaube, nach Athen müssen wir irgendwann nochmal!

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Turku-Istanbul mit dem Zug: (11) Sofia-Athen

Samstag, 8. Juli 2023

Nach dem erholsamen Tag in Sofia klingelte der Wecker um kurz nach sechs.

Wir holten uns an der Rezeption einen Beutel mit unserem Frühstück ab – sie hatten uns dicke, osteuropäische Käsebrote geschmiert, die uns für den halben Tag satt machten – schulterten die Rucksäcke und liefen zum nahegelegenen Busbahnhof, denn die ersten 300 km mussten wir an diesem Tag mit dem Bus zurücklegen.

(Die grenzübergreifende Zugverbindung ist Corona, der Anschlusszug in Thessaloniki dem Zugunglück in Griechenland Anfang dieses Jahres zum Opfer gefallen.)

Die Busstrecke aber war gar nicht schlecht. Es ging immer durchs Gebirge – erst auf der Autobahn, später auf der Landstrasse. Ab und zu machte der Bus einen Abstecher in einen grösseren Ort.

Wo wir eigentlich langgefahren wären.

Zuerst sah die Landschaft, obwohl wir nun schon so weit im Süden waren, noch aus wie in der Slowakei. (Auch die Ortsnamen waren ähnlich, nur auf Kyrillisch.)

Kein Grund zu Panik. Wir sind schliesslich im Osten.

Aber dann fuhren wir über den letzten Pass vor der griechischen Grenze, und dahinter waren die Landschaft, die Häuser, die Vegetation auf einmal… griechisch.

(Ich wiederhole mich, aber: was einem beim Fliegen alles entgeht…!)

An der Grenze war es ganz anders als mit dem Zug: die Bulgaren, die sonst alle Pässe zur Kontrolle eingesammelt hatten, winkten den Bus einfach durch. Die Griechen kamen nur kurz in den Bus und warfen einen Blick auf die Pässe. Ob jemand aus der Ukraine oder Moldawien im Bus sei, fragten sie. (Der Bus hatte schon eine sehr viel längere Reise hinter sich als wir an dem Tag; er kam aus einem kleinen rumänischen Ort an der Grenze zu Moldawien, so dass die Frage nicht ganz so komisch war, wie sie klang.) Ob er denn nicht wisse, wen er an Bord habe, meckerten sie den Busfahrer an, woraufhin der zurückmeckerte, er sei Busfahrer und kontrolliere nur Tickets, keine Pässe. Schliesslich hatten sich aber die vier Nicht-EU-Bürger*innen im Bus gefunden; die drei Leute aus der Ukraine und die Albanerin mussten aussteigen, ihre Pässe abgeben und fünf Minuten später wieder abholen. Nach einer Viertelstunde Klo- und/oder Kaffeepause ging’s weiter.

Neues Land, neue Buchstaben. Kyrillisch lesen in Bulgarien ging ziemlich problemlos – schliesslich haben wir in der Schule Russisch gelernt. Griechisch ging auch so halbwegs, aber wir kamen uns die ganze Zeit vor wie Leseanfänger, die jeden Buchstaben einzeln entziffern und manchen auch einfach erraten müssen. Mein liebstes griechisches Wort war gleich von den ersten Autobahnkilometern an έξοδος, denn es steht nicht nur für Ausgang, sondern auch für Autobahnabfahrt, was ich beides gleichermassen lustig finde.

In Thessaloniki, wo wir in den Zug umstiegen, hatten wir zwei Stunden Aufenthalt. Es war so heiss und wir vom zeitigen Aufstehen so müde, dass wir beschlossen, sie einfach im Bahnhof abzusitzen.

Ich kam endlich mal dazu, ein paar Seiten zu lesen! (Man sollte meinen, ich hätte in den Tagen, die wir auf dieser Reise insgesamt im Zug gesessen haben, eine halbe Bibliothek auslesen können. Aber ich musste ja immerzu rausgucken!)

Dann ging es weitere fünf Stunden durch Gebirge und Tunnel, am Meer entlang, durch Tiefebenen und dann wieder durch den nächsten Höhenzug. Vor Athen fuhren wir eine knappe Stunde lang durch verbrannte Wälder. (Ich frage mich, wie die Leute immer noch massenhaft in diese Gegenden fliegen können, ohne irgendeinen Zusammenhang zu kapieren. Oder ihn einfach zu ignorieren.)

Und dann standen wir abends um acht in Athen auf dem Bahnsteig, und ich merkte sofort, dass dort genau mein Wetter war: es war viel heisser als in Istanbul, aber auch viel trockener. Wetter zum In-heisser-Luft-baden. (Und zum Vorräte-für-den-finnischen-Winter-anlegen.)

Vom Bahnhof fuhren wir noch ein paar Stationen mit der Metro, liefen zehn Minuten durch schmale Strassen zu unserer Ferienwohnung, programmierten die Waschmaschine, gingen duschen und assen ein schnelles Abendbrot auf der Terrasse. Mit Blick auf die beleuchtete Akropolis.

Gute Nacht!

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Turku-Istanbul mit dem Zug: (10) Sofia

Freitag, 7. Juli 2023

Nach Istanbul fühlte sich Sofia an wie Urlaub auf dem Lande.

Da Teile der Familie, nachdem wir die Rucksäcke im Hotel abgestellt hatten, darauf bestanden, dass wir erstmal frühstücken müssten, gingen wir mittags um eins eben erstmal… frühstücken. Und weil es im Café so gemütlich war, sassen wir bestimmt zwei Stunden dort; die Kinder, denen wir in der Türkei jegliche mobile Datennutzung wegen sehr teuer untersagt hatten, nutzten erstmal ausgiebig das WLAN, um ihren Freund*innen Fotos und Videos zu schicken, ich schrieb Reisetagebuch, und der Ähämann ärgerte sich, dass er den Laptop im Hotel gelassen hatte.

Ebenfalls sehr lange hielten wir uns  in der Alexander-Newski-Kathedrale auf, während draussen ein gewaltiger Gewitterguss niederging.

Ausserdem entdeckten wir den Gelben Backsteinweg und trafen einen alten Bekannten wieder. Zar Alexander II., dem in Helsinki auf dem Senatsplatz vor dem Dom ein prächtiges Denkmal errichtet wurde, weil er Finnland, das damals ein Teil Russlands war, zum ersten Mal eine gewisse Autonomie zugestanden hatte, hat auch in Sofia ein Denkmal: weil er Bulgarien von den Osmanen befreit hat. Auch mit Hilfe finnischer Soldaten, wie auf einer Gedenktafel in der Alexander-Newski-Kathedrale zu lesen ist. Die Welt war schon immer klein.

Dann stand nur noch Flaggenkauf für den kleinen Herrn Maus auf dem Programm, wobei wir in die letzte Moschee der Reise stolperten. Sie wird uns immer als die Wahre Blaue Moschee mit den Bonbonfenstern in Erinnerung bleiben.

Danach assen wir ein sehr spätes Mittagessen, kauften Proviant für den anstehenden Reisetag, checkten endgültig im Hotel ein und stürzten uns – fast hätte es Prügeleien um die Reihenfolge gegeben – in die Dusche. (Zuletzt hatten wir am vorherigen Morgen in Istanbul geduscht und waren danach zwei Tage schwitzend durch Städte gelaufen.)

Den Rest des Abends sassen wir auf dem Balkon und guckten – ein bisschen sehnsüchtig – über die Dächer Sofias auf die gewaltigen Berge des Witoschagebirges.

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Turku-Istanbul mit dem Zug: (9) Istanbul-Sofia

Donnerstag, 6. Juli 2023

Als wir unsere Rucksäcke aus den Schliessfächern im Bahnhof Sirkeci – der leider gar kein Bahnhof mehr ist – geholt hatten, mit dem Marmaray eine halbe Stunde bis zum Bahnhof Halkalı gefahren waren und den Bahnsteig suchten, von dem der Nachtzug nach Sofia fahren würde, fühlte es sich zum ersten Mal auf dieser Reise nach Abschied und Rückfahrt an.

(Zum zweiten Mal, als wir in Patras die Fähre nach Bari bestiegen. Zum dritten Mal, als wir in La Spezia auf den Nachtzug nach München warteten. Und zum letzten Mal, als der Zug nach Stockholm in den Berliner Hauptbahnhof einfuhr. Von Mal zu Mal wurden wir wehmütiger.)

Aber noch waren wir in Istanbul, und so schnell ging es auch gar nicht, denn erstmal mussten wir uns bei der Sicherheitskontrolle zur Gepäckdurchleuchtung anstellen. Vorher wird man nicht auf den Bahnsteig gelassen.

Wir hatten diesmal Abteile in zwei verschiedenen Waggons: ein ganzes Vierbett-Liegewagenabteil und ein ganzes Zweibett-Schlafwagenabteil. Der Ähämann und der grosse Herr Maus fuhren im Schlafwagen, das Fräulein Maus, der kleine Herr Maus und ich im Liegewagen. Wir hatten unendlich viel Platz!

Es folgte die gleiche Prozedur wie auf der Hinfahrt: Tickets vorzeigen, Name und Passnummer in die Passagierliste eintragen, Bettwäsche vom Schaffner in Empfang nehmen. (Er war vor 20 Jahren mal in Finnland, erzählte er uns, nachdem er unsere Pässe gesehen hatte.) Dann Abendbrot aus dem Proviantbeutel, Betten beziehen, Zähneputzen. Auch diesmal verzichteten wir auf Schlafanzüge und verabschiedeten uns vom Ähämann und dem grossen Herrn Maus, die drei Waggons weiter hinten reisten, mit den Worten: „Bis dann in Kapıkule!“

Freitag, 7. Juli 2023

1:30 Uhr, Kapıkule: alle raus aus dem Zug (immerhin ohne Gepäck diesmal), um sich beim türkischen Grenzschutz den Ausreisestempel abzuholen.

2:15 Uhr, Kapıkule: Kontrolle im Zug durch den türkischen Grenzschutz, ob auch wirklich jede*r den Stempel im Pass (und sich niemand unter den Betten versteckt) hat.

3:00 Uhr, Swilengrad: Durchzählen von Pässen und Personen durch den bulgarischen Grenzschutz.

3:15 Uhr, Swilengrad: Einsammeln aller Pässe durch den bulgarischen Grenzschutz.

3:45 Uhr, Swilengrad: Rückgabe der Pässe gegen Gesichtskontrolle.

Dann konnten wir endlich für länger als zehn Minuten weiterschlafen.

Es ging dann allerdings auch stockend weiter. Zunächst gab es offensichtlich Probleme beim Lokwechsel, und als wir aufwachten, hatten wir schon so viel Verspätung, dass wir auf der grösstenteils eingleisigen bzw. nur eingleisig befahrbaren Strecke gefühlt mehr rumstanden und auf Gegenzüge warteten als fuhren.

Das machte allerdings genau gar nichts. Wir mussten keinen Anschluss schaffen und hatten auch sonst keine Eile. Und als der Ähämann nach einem Speisewagen fragte – den es nicht gab – brachten uns die drei türkischen Schaffner Tee und Zucker. Nur die Mägen knurrten uns ein bisschen, weil wir eigentlich geplant hatten, in Sofia zu frühstücken, uns aber jetzt zum Tee mit ein paar übriggebliebenen Keksen aus unserem Proviantbeutel begnügen mussten.

Mit zweieinhalb Stunden Verspätung kamen wir in Sofia an.

Ich rief: „Komm, kleiner Herr Maus!“, als der noch in der Kabine herumtrödelte, und der türkische Schaffner rief daraufhin auch: „Kleiner Herr Maus, komm!“, und dann stiegen wir aus dem türkischen Waggon und verabschiedeten uns von unserem Schaffner mit „Güle güle!“, und dann waren wir endgültig wieder in Europa angekommen.

In Sofia war es sehr heiss, sehr schwül, und irgendwie sehr… ruhig. Auf dem Weg zum nahegelegenen Hotel begegneten wir einer Strassenbahn, drei Autos und zehn Menschen.

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