Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku


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Hans im Glück

Vor drei Jahren, als ich den ganzen Sommer lang mit Antenne hinter Eichhörnchen herrannte, blieb der Ähämann im Juli – Kindergarten geschlossen – mit den Kindern zu Hause.

Vor zwei Jahren wollte der Ähämann wieder mit den Kindern im Juli – Kindergarten und Hort geschlossen – zu Hause bleiben. Er wechselte dann aber kurzfristig im Mai den Job, und tja. Kein Urlaub im Juli. Für die Kindergartenkinder hätte es einen Notkindergarten gegeben, aber die Erstklässlerin hätte ganz allein dagestanden für einen Monat. Das Eichhörnchenjagen war auch fast beendet – die Auswerterei noch lange nicht, aber die ist nicht saisongebunden – und da fiel mir wieder ein, was der Kollege gesagt hatte, als er mich zum Stipendium von der Fahrstuhlstiftung beglückwünscht hatte: „Die ist super. Die zahlen nicht nur mehr als andere, die sind auch total flexibel, wenn du deine Arbeit eine Zeitlang unterbrechen willst.“ Zwei Mails später hatte ich mir den Juli unbezahlt freigenommen.

Letztes Jahr rechnete ich kurz und beschloss, weil das im letzten Sommer so schön gewesen war, ganze zwei Monate freizumachen. Juli und August, denn der Hort hat die ganzen zehn Wochen Sommerferien lang geschlossen, und externe Ferienbetreuung gibt es nur im Juni. Die drei Jahre Stipendium näherten sich auch langsam dem Ende, und da wäre es ja sowieso schöner, dann ab Mai statt ab März arbeitslos zu sein.

Das Stipendium reichte dann wegen der vier Wochen Krankschreibung sogar bis Ende Mai. Genau bis zum Beginn der langen Sommerferien. Perfekt. Das Fräulein Maus wäre inzwischen sowieso zu alt gewesen für die Ferienbetreuung im Juni, und den grossen Herrn Maus meldete ich gar nicht erst dort an. Allein die Frage nach der unklaren beruflichen Perspektive dämpfte das Glücksgefühl ein bisschen. Dann kam der Kollege, dem ich das ganze Eichhörnchenprojekt verdanke, zu mir und bot mir noch ein paar Monate Finanzierung an, er hätte noch Projektgelder übrig. Ich fragte vorsichtig nach, ob es vielleicht für sechs Monate reichen würde – denn dann würde ich nach jahrelangen Stipendien endlich wieder als vollwertiger Arbeitnehmer zählen und z.B. das Arbeitslosengeld hinterher sehr viel höher ausfallen – und ob ich vielleicht trotzdem einfach erstmal die Ferien mit den Kindern zu Hause verbringen könnte. Die ganze Sache hing unter Anderem von unserer Doktorandin und einem Mathematiker, der auch für unser Projekt arbeitet ab, aber am letzten Arbeitstag vor unserem Deutschlandurlaub kam der Kollege und sagte: „Ich mach‘ dir dann den Arbeitsvertrag fertig. Ab 1. September, und das mit den sechs Monaten geht auch klar.“

Ich bin jetzt also drei Monate arbeitslos. Und fühle mich wie Hans im Glück.

(Dieses Nur-acht-Monate-Vollzeit-im-Jahr-Teilzeitmodell wäre genau meins. Ich geniesse diese Ferienmonate mit den Kindern so sehr. Andererseits arbeite ich gerne ganze Tage, nicht nur, weil ich das Gefühl habe, an halben Tagen gar nichts zu schaffen, sondern auch, weil ich an verschiedenen (west)deutschen Freundinnen sehe, wie sehr sie sich aufreiben dabei, früh zeitig vor den Kindern zur Arbeit zu hetzen, sie mittags müde und hungrig abzuholen, ihnen Mittagessen zu kochen und den Nachmittag mit Kinderbetreuung und Haushalt zu verbringen.)


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Invalide

Ob ich eine Krankschreibung bräuchte, fragte man mich in der Notaufnahme. Ja, nickte ich, so für alle Fälle. Eine Minute später drückte mir jemand einen Zettel in die Hand, dessen Text ich erst am nächsten Tag wieder gänzlich zu verstehen in der Lage war, aber auf dem klar und deutlich ein Zeitraum von vier (!) Wochen (!) vermerkt war.

Das ist insofern äusserst bemerkenswert, da hier noch nie einer von uns länger als drei Tage – der Tag des Arztbesuchs inbegriffen – krankgeschrieben worden ist. Auch nicht bei Grippe. Auch nicht bei fiebriger Angina.

Ob sie den Krankengeldantrag gleich mal für mich ausfüllen solle, fragte die KELA-Sachbearbeiterin dann gestern, nachdem sie einen Blick auf meinen bandagierten Arm geworfen hatte.

Ich werde es am Ende tatsächlich geschafft haben, ein Drei-Jahres-Stipendium auf dreieinhalb Jahre auszudehnen.


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Unter Eichhörnchenforschern

Letzte Woche war ich in Helsinki auf einer Tagung von Eichhörnchenforschern aus aller Welt.

Warum fährst du denn immer weg?!“, hatten mich die Kinder vorher vorwurfsvoll gefragt. Angesichts der Tatsache, dass ich vor Jaaaahren zum letzten Mal auf einer Tagung war und vor anderthalb Jahren zum letzten Mal drei Tage ohne sie verreist bin, haben die Kinder da wohl eine etwas verzerrte Wahrnehmung.

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Ich war ganz erstaunt, wie schnell man früh aus dem Haus kommt. Und wie schön man abends im Bett lesen kann.

(Ich habe trotzdem viel zu wenig geschlafen.)

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Ich wusste gar nicht, wie sehr mir der Austausch mit Leuten, die das Gleiche machen wie ich, gefehlt hatte.

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Diese kleinen, sehr speziellen Tagungen, werden oft ein bisschen abfällig belächelt. Ich finde es grossartig, dass man nicht zwischen verschiedenen Sessions hin und her hetzen muss, dass man mit jedem einzelnen Teilnehmer reden kann, dass man sich darüber austauschen kann, wie viele Löcher man von so einem Halsbandsender am besten abschneidet und welche Frequenz man am besten einstellt, wenn man mit einem Fledermausdetektor die Rufe eines Flughörnchens aufspüren möchte.

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Und es ist ja nicht so, dass wir nur so ein bisschen niedliche Eichhörnchen beobachten. Am meisten haben mich die Modellierungen, wie sich die globale Erwärmung auf alle möglichen kleinen und grossen Zusammenhänge in der Natur auswirken wird, beeindruckt. (Und ziemlich schockiert.)

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Obwohl die Leute da alle kluge und wichtige Dinge machen, nimmt sich keiner furchtbar ernst. Es wurde sehr viel gelacht und gewitzelt.

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Und ich weiss schon gar nicht mehr, wann ich zuletzt Zeit mit einer Gruppe verbracht habe, in der ich eine Woche lang keine einzige Person an ihrem Handy herumwischen sehen habe.

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Am schönsten ist es sowieso, Leute aus der ganzen Welt zu treffen und über den Tellerand zu schauen. Den Australier zu fragen, was ihn nach Hamburg verschlagen hat. Der Kanadierin zuhören, wie sie von ihren verschiedenen Begegnungen mit verschiedenen Bären („Och, Braunbären sind ja harmlos…“) bei ihrer Feldarbeit erzählt. Mit der Slowakin, die in Stockholm ihre Doktorarbeit macht, und dem amerikanischen Professor, der slowakische Vorfahren hat, zahntropfend die gemeinsame Vorliebe für Halušky bereden. Mit der Amerikanerin über ihren selbsterdachten Test lachen, bei dem sie in jeder fremden Stadt zählt, wie viele Menschen zurücklächeln.

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Ich dachte, es wäre voll cool, wenn ich zu meinem Vortrag das Eichhörnchen-T-Shirt, das mir die liebste Freundin geschenkt hat, als ich mit dem Eichhörnchenprojekt anfing, anzöge. (War es auch.) Aber andere waren da noch ganz anders ausgestattet:

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Auf so einer kleinen Tagung ist auch Zeit für einen ganzen Exkursionstag. Wir fuhren in einen… finnischen Urwald. Eigentlich sieht der überall gleich aus. Aber mein Herz hüpft trotzdem immer, wenn ich in so einem Wald bin.

Biologen besichtigen einen Wald

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Der finnische Busfahrer hat mir ja fast ein bisschen leidgetan. Eine sich pausenlos so lautstark unterhaltende Fuhre hat er bestimmt schon lange nicht mehr gehabt. Und ob sein Bus schon jemals solche Strassen fahren musste…

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Vor der Forschungsstation, auf der wir anschliessend Dinner serviert bekamen, sahen die Japaner zum ersten Mal in ihrem Leben ein Europäisches Eichhörnchen. Sie kriegten sich gar nicht wieder ein vor Freude. Wir Europäer lächelten milde.

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Ich habe nach fünfzehn Jahren wieder ein Flughörnchen gesehen. Punkt dreiviertel elf steckte es seinen Kopf aus seiner Baumhöhle, starrte fünf Minuten lang mindestens genauso verdutzt zu uns herunter wie wir zu ihm hinauf, kletterte auf den höchsten Baumwipfel und… segelte 30 Meter durch den Vorstadtwald. Landete an einem Baumstamm, kletterte auf den höchsten Baumwipfel… und wiederholte das Schauspiel für uns noch dreimal. Wow!

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Dann fuhren wir mit dem letzten Stadtbus zurück ins Stadtzentrum. Um Mitternacht.

Über dem Stadtzentrum hing ein riesiger Mond. Der Himmel war sommernachtshellblau.

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Von früh bis abends, aber besonders abends, schwärmten alle vom Licht. Ich kann davon auch nicht genug bekommen.

Abends um zehn in Helsinki

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Und ich bin sooo gerne in Helsinki.

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Ich habe jede Menge Kastanien entdeckt.

Überhaupt sah die Stadt ganz anders aus mit grünen Bäumen. Ich glaube, im Sommer war ich zum letzten Mal in Helsinki, als der grosse Herr Maus ein Baby war. Im November ist es aber eigentlich schöner. Es gibt doch sehr viele Touristen in dieser Jahreszeit. Sehr, sehr viele.

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Den diesjährigen Ausflug zur deutschen Botschaft habe ich nebenher auch gleich hinter mich gebracht. Ich habe mich diesmal wohlweislich an die Angaben auf meiner antiken Geburtsurkunde gehalten und damit diesmal jegliche Verwirrung vermieden. Die 12 Jahre alte Abmeldebescheinigung aus Jena hatte ich auch brav dabei.

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Erst am Freitag habe ich es geschafft, auf die Domstufen zu klettern und den Schiffen zuzuwinken.

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Das war eine ganz wunderbare Woche!