Nirgends ist es im Advent schöner als im Erzgebirge.
Ich bin aufgewachsen mit Lichterengeln und -bergmännern, mit Schwibbögen in den Fenstern und Pyramiden auf den Marktplätzen. Beim Wort Weihnachtsdeko rollen sich mir die Fussnägel hoch. Die Adventszeit ist die einzige Zeit im Jahr, in der ich manchmal ein bisschen Heimweh habe.
Ich bin sozusagen von einer Gegend, in der Licht im Winter besonders wichtig ist, in eine andere gezogen. Denn die Bergmänner im Erzgebirge – und der Bergbau hat da eine seeehr lange Tradition: im 12. Jahrhundert wurde das erste Silber gefunden, und noch zu DDR-Zeiten wurde in den Berg gefahren, um WismutUran und Zinn zu fördern – sahen den ganzen Winter über kein Tageslicht, weil sie in den Stollen einfuhren, bevor es hell wurde, und wieder heraufkamen, als es schon wieder dunkel war. Die Frauen stellten ihren unter Tage arbeitenden Männern und Söhnen kerzentragende Schutzengel in die Fenster, die ihnen heimleuchten sollten, und auch die Schwibbögen und Weihnachtspyramiden gehen auf den Bergbau zurück. Zudem machte der Silberbergbau zwar die ganze Gegend reich – was sehr schön an sehr prächtigen Kirchen in ganz kleinen Orten zu sehen ist – aber die Bergleute und ihre Familien waren trotzdem arm und verdienten sich mit Klöppeln, Schnitzen und Spielzeugmachen ein Zubrot, weswegen auch der Nussknacker, das Räuchermännchen und die Reifentiere aus dem Erzgebirge stammen.
Mein allerliebstes erzgebirgisches Weihnachtsding aber sind die Weihnachtsberge. Grosse Landschaftsmodelle mit geschnitzten Figuren, die sich darin bewegen, mit Beleuchtung, manchmal mit echtem Wasser, das über einen kleinen Wasserfall in einen Teich fliesst, auf dem Ruderer ihre Kreise ziehen. Es gibt uralte Weihnachtsberge und erst ein paar Jahrezehnte alte. Ein richtiger Weihnachtsberg zeigt eine biblische Landschaft, aber viel schöner sind die, die ein verschneites Dorf im Erzgebirge darstellen, mit Skilift und Schlittenfahrern, und es gibt auch einen, auf dem man den Bau der Talsperre Sosa sehen kann. Am allerschönsten aber sind die, die einem einen Blick unter Tage gewähren: oben dreht sich ein Pferdegöpel, da fahren Bergmänner in einen Stollen ein, es wird gehämmert und geklopft, einer dreht eine Winde, einer schiebt einen Hunt, zwei machen Pause und essen eine Fettbemme und bemerken gar nicht, dass der Berggeist neben ihnen aus einer kleinen Tür kommt und wieder darin verschwindet.
Ich weiss nicht, warum wir bis zu diesem Jahr noch nie da waren, aber in Schneeberg gibt es das Museum für bergmännische Volkskunst, das neben ein bisschen Stadt- und Bergbaugeschichte, alten Pyramiden und vielen beeindruckenden Schnitzereien vor allem jede Menge Weihnachtsberge zeigt. Stunden hätte ich da zubringen können und gucken! Der kleine Herr Maus durfte eine Bergmannstracht anlegen, originalgetreu samt Arschleder und Knieschützern und gelben Hosen, die nur die Schneeberger Bergleute tragen, weil einmal zu irgendeinem Jubiläum des sächsischen Königshauses eine Bergparade stattfinden sollte, aber nicht genügend Stoff für die Paradehosen aufzutreiben war, weswegen die Soldaten des in Schneeberg stationierten Regiments ihre – zufällig gelben – Hosen zur Verfügung stellen mussten. Warum unser Lichterbergmann zu Hause eigentlich gar keine Knieschützer anhat, war die erste Frage der Kinder nach unserer Rückkehr.

Wie es im Inneren eines Weihnachtsbergs aussieht, damit sich auch alles bewegt.

Raum für einen Weihnachtsberg ist in der kleinsten Hütte Nuss
Weihnachtsberge und andere schöne Dinge angucken, abseits von Seiffen und Co. – eine Liste unserer Lieblingsmuseen:
Museum für bergmännische Volkskunst, Schneeberg
Museum sächsisch-böhmisches Erzgebirge, Marienberg
Turmmuseum in Geyer
Mauersberger Museum
Donnerstag, 19. Dezember 2019 um 15:33
Hach, ich liebe den Advent hier im Erzgebirge auch sehr. Leider liegt in diesem jahr mal wieder kein Schnee. Aber die Lichter in den Fenstern in der Dunkelheit sind einfach wunderschön.
Ich würde mich freuen, wenn es bei Eurem nächsten Besuch vielleicht mal mit einem Punsch auf einem der kleinen Weihnachtsmärkte in Chemnitz klappt (100m Weihnachtsmarkt auf dem Kassberg oder Baumwollbaum auf dem Brühl)
Samstag, 21. Dezember 2019 um 18:48
Wir hatten Schnee! :-)
(Also im Erzgebirge. Hier in Turku regnet es bei 5 Grad plus!)
Donnerstag, 19. Dezember 2019 um 18:14
Das Innere des Weihnachtsfestes erinnert mich ein bisschen an das Innere einer Orgel
Samstag, 21. Dezember 2019 um 18:50
Ich hatte auch ein Déjà-vu. ;-)
Freitag, 20. Dezember 2019 um 04:22
Meine Großmutter schickte mir vor Jahren alte handgemachte Tannenbaumfiguren aus dem Erzgebirge, die wir jetzt jedes Jahr am Baum hängen haben. Da fährt sogar der Weihnachtsmann Ski. :) Ich wünsche euch frohe Feiertage!
Samstag, 21. Dezember 2019 um 18:51
Solche haben wir auch. :-)
Freitag, 20. Dezember 2019 um 10:25
Bin zufällig ober Stories und Places hier gelandet und sehr angetan. Und musste spontan an den Schwarzwald denken (wo meine Liebst herkommt), die Berge, die Dunkelheit, das radioaktive Gestein und die lange Zeit Kuckucksuhren zu schnitzen.
Samstag, 21. Dezember 2019 um 18:52
Ja, so ist es wahrscheinlich.
(Und ich freue mich, dass überhaupt noch manchmal jemand bei Stories und Places guckt und es sich also doch lohnt, ab und zu einen Blogartikel da zu verlinken.)
Freitag, 20. Dezember 2019 um 10:46
Zu Weihnachten werden wir Erzgebirgskinder doch alle sentimental, egal wo es uns hinverschlagen hat ;) Schön, dass ihr das im Advent genießen konntet
Samstag, 21. Dezember 2019 um 18:53
Ja, so ist es wohl. <3