Heute erst guckten wir die am Heiligabend aufgenommene Spezial-Maus an. Warum die denn so lang sei, fragten die Kinder. „Damit es die deutschen Kinder ein bisschen einfacher haben beim Warten auf die Bescherung“, antwortete ich.
Verstanden sie nicht, unsere Kinder. Denn bei uns ist Heiligabend immer ruckzuck um.

9:00 Uhr: Der Ähämann hat uns den Wecker gestellt. Hier schlafen schon seit Beginn der Weihnachtsferien alle bis mindestens um zehn. Aber heute müssen wir ein bisschen eher aufstehen. Zu Heiligabend haben wir immer viel vor. Viel Ruhiges und viel Schönes.
10:00 Uhr: Der Ähämann hat den Frühstückstisch gedeckt, ich habe Milchreis vorgekocht. Die Kinder sind nach und nach aufgestanden, ich bringe den Milchreis zu Bett, wir frühstücken.
11:15 Uhr: Wir steigen in den Bus. Er wird an jeder Haltestelle voller; wir haben alle das gleiche Ziel. Weil unsere Buslinie ja seit einem Jahr eine veränderte Route fährt, beschliessen wir, diesmal noch eine Haltestelle weiter zu fahren zu sonst. Dort werden gerade zwei Sisu-LKWs in Stellung rangiert, die Ampeln blinken gelb, und mitten auf der grossen Kreuzung tänzeln zwei Polizisten und schwenken wie immer in solchen Situationen eher unbeholfen ihre Stäbe, um den Verkehr zu regeln.
(In meiner Geburtsstadt gab es noch lange Zeit mehrere grosse Kreuzungen, auf denen der Verkehr von Hand geregelt wurde. Die Polizisten standen würdevoll in der Mitte und vollführten eine exakte Choreographie, die alle verstanden. Einmal versuchte ich, mich mit dem Fahrrad an einer T-Kreuzung einfach hinter dem Rücken des Verkehrspolizisten vorbeizuschleichen, was mir einen sofortigen Anpfiff desselben, ohne dass er seine Handzeichen auch nur eine Millisekunde dafür unterbrochen hätte, einbrachte.)
12:00 Uhr: Weihnachten fängt an.

12:30 Uhr: Unser Bus ist der erste, der sich durch die sich auflösende Menschenmenge geschoben hat. Fast alle Busfahrer tragen Wichtelmützen (einmal fuhr uns auch der Weihnachtsmann nach Hause) – unser Busfahrer fährt ein echtes kleines Weihnachtsbäumchen mit sich herum.

13:00 Uhr: Wir decken schnell den Tisch, wecken den Milchreis auf und essen. In einer Stunde müssen wir ja schon wieder los.
14:30 Uhr: Kinderkirche. Weihnachten muss ja sein wie immer.

15:15 Uhr: Leider ist gestern der Einkaufsbeutel mit dem frischen Fisch fürs Weihnachtsessen unausgepackt in der Küche stehengeblieben – wir knobeln noch aus, wer daran schuld ist – und wir merkten es erst, als heute nach dem Frühstück jemand nach Bananen fragte, die sich auch nicht im Obstkorb befanden. Wir brauchen also neuen Fisch. Nicht unbedingt sofort, weil wir an Heiligabend eigentlich schon seit Jahren nichts Besonderes mehr essen, weil keiner Zeit und Lust zum Kochen und auch niemand wirklich Hunger hat abends, und weil man, seit die Ladenöffnungszeiten hier noch weiter gelockert wurden, auch an den Weihnachtsfeiertagen einkaufen könnte, aber dann haben wir wahrscheinlich noch weniger Lust dazu als jetzt. Im Prisma sind die Regale voll, vier Kassen geöffnet und zehn Leute am Einkaufen, und wir beschliessen spontan, dass wir ab nächstem Jahr unseren gesamten Weihnachtseinkauf immer um diese Zeit machen.
15:45 Uhr: Bevor wir heimfahren, besuchen wir noch die beiden Über-Weihnachten-Pflegekatzen. Sie bekommen natürlich ein extra Weihnachtsleckerli.
16:30 Uhr: Es liegen Geschenke unterm Weihnachtsbaum!

17:30 Uhr: Alle Geschenke sind ausgepackt und bejubelt. Der Ähämann räumt zum zweiten Mal heute den Geschirrspüler ein, das Fräulein Maus schneidet Gemüse und rührt Dippi an, ich verräume Geschenkband und mache einen Pappmüllpappkarton für Legoverpackungen und Packpapier auf, mit dem wir wohl in den nächsten Tagen zum grossen Container hinterm Supermarkt fahren werden müssen, weil unser hausgemeinschaftseigener Pappcontainer schon seit Tagen überquillt und sich die Situation erfahrungsgemäss an Heiligabend drastisch verschärft.
18:30 Uhr: Weihnachtssauna. Die Herren Maus wollen eigentlich lieber an ihrem neuen Lego weiterbauen, kommen dann aber doch für zwei Saunagänge mit, weil es so schön ist, dampfend auf der Gartenbank neben dem Weihnachtsbaum zu sitzen. Nebenher essen wir, süss und salzig und gesund und ungesund durcheinander, draussen, drinnen, wie jeder will. (Ich trinke alkoholfreie Bierbrause – die mit den hübschen Kronkorken – und verstosse damit wenigstens gegen eine deutsche Saunaregel nicht.)
20:00 Uhr: Es wird ein Märchenfilm gewünscht. Zum Glück wurden und werden gerade mehrere neue ARD-Märchenfilme gesendet. Die „Regentrude“ ist schon immer mein Lieblingsmärchen gewesen, und der Film ist auch ganz prima. Wenn auch vielleicht nicht so gaaanz zu Weihnachten passend. Zum ersten Mal heute haben wir Zeit rumzubringen. Als der Film zu Ende ist, haben wir noch eine Viertelstunde Zeit, um uns anzuziehen. Gutes Timing!
22:00 Uhr: Wir waren dieses Jahr noch gar nicht Weihnachtslieder singen, und deshalb nutzen wir die allerletzte Chance. Womit wir nicht gerechnet hatten: in der Kitschkirche zweitgrössten Kirche der Stadt haben sich um diese Uhrzeit noch um die tausend Leute versammelt, um gemeinsam Weihnachtslieder zu singen, und wir finden kaum noch einen Platz. (Und leider quetschen sich dann kurz vor knapp direkt hinter uns noch zwei Männer, die zum traditionellen Weihnachtschinken offensichtlich schon reichlich Alkohol genossen haben und besonders lautstark und… äh… schön… mitsingen.) Eine Stunde lang singen wir fast das gesamte Weihnachtsliederheftchen durch, der Pfarrer ist sehr cool, und wir erfahren, dass Finnlands einziger Kantor, der sowohl Orgel spielen als auch Dampflok fahren kann, unser Singen begleitet, und er antwortet mit einem sehr echt klingenden Dampflokpfeifen von der Orgelempore.

23:30 Uhr: Die Kinder sind jetzt dermassen bettreif, dass sie direkt vom Flur ins Bad ins Bett gescheucht werden müssen. Wir wollten doch noch Bowle trinken, beschwert sich der kleine Herr Maus. Und er wolle eigentlich noch bis in die Nacht mit seinen Weihnachtsgeschenken spielen.
Hör zu, kleiner Herr Maus, sage ich, als ihm schon fast die Augen zufallen, zum Glück fängt Weihnachten ja gerade erst an.