Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku

Turku-Istanbul mit dem Zug (5): Wien-Bukarest

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Mittwoch, 28. Juni 2023

Am Wiener Hauptbahnhof war viel los: viele verschiedene Züge aus und in viele verschiedene Orte. (Menschen eher nicht so viele.) Die Dreiviertelstunde Wartezeit, die wir noch vor uns hatten, wurde nicht langweilig.

Bald stellten wir sehr zu unserer Erheiterung fest, dass die Taurus-Loks der ÖBB beim Anfahren eine Tonleiter spielen, durch die Bahnhofshalle wie in einem Konzertsaal verstärkt. Voll toll!

Dann fuhr unser Zug ein: ungarische Lok, ungarischer Speisewagen, drei ungarische Sitzwagen, zwei rumänische Schlafwagen, ein rumänischer Liegewagen, ein rumänischer Sitzwagen.

Wir reisten im rumänischen Liegewagen  – die rumänische Bezeichung sorgte durchaus für einige Erheiterung unter den der finnischen Sprache mächtigen Follower*innen – und teilten das Sechserabteil mit einer deutschen Biologiestudentin, die in Wien studiert und zu ihren Eltern nach Rumänien fuhr.

Der rumänische Waggon war nicht der modernste, aber durchaus gemütlich, sauber und komfortabel. Und man konnte die Fenster öffnen – etwas, was wir später auf der Reise noch sehr vermissen sollten.

Hinter der ungarischen Grenze brachte uns unsere Mitfahrerin fünfmal in Tüten eingeschweisste Bettwäsche mit, die man sich nämlich beim Schaffner abholen muss. Wir klappten die zwei mittleren Betten runter und begannen – mal wieder – mit Gepäckverstau-und-Bettbezieh-Tetris.

Nebenher steckten wir an jedem Bahnhof  die Köpfe aus dem Fenster, guckten in die zunehmende Dunkelheit und lauschten den Grillen. Dann machten wir uns bettfertig, aber standen noch bis zum Bahnhof Budapest Keleti im Schlafanzug am offenen Fenster auf dem Gang, sahen Budapester Vororte, fuhren mit einer Budapester Strassenbahn um die Wette, überquerten zum ersten Mal auf dieser Reise die Donau und erhaschten einen kurzen Blick auf die Prachtbauten an ihrem Ufer.

Dann liessen wir uns – wortwörtlich – in den Schlaf schaukeln. Der rumänische Liegewagen war ausnehmend gut gefedert – so muss es sich anfühlen, in einem Kinderwagen in den Schlaf gefahren zu werden.

Donnerstag, 29. Juni 2023

Halb drei klopfte es an die verschlossene Abteiltür: „Passports, please!“. Ich brauchte eine Weile, um zu begreifen, was man um diese Uhrzeit an dieser Stelle Europas von uns wollte, da aber hatte unsere Mitfahrerin schon in mein verschlafenes Seufzen eingestimmt und erwähnt, dass sich in einer Stunde das Spiel bei den Rumänen wiederholen würde, da Rumänien ja nicht zum Schengen-Gebiet gehört. Richtig.

Warum sich allerdings der ungarische Grenzschutz bei der Ausreise (!) so dermassen ins Zeug legte, ist mir schleierhaft: der Grenzpolizist blätterte jede Seite in jedem unserer fünf Pässe einzeln um – ich war kurz davor, ihm das Daumenkino mit dem fliegenden Schwan ans Herz zu legen! – und auf der dem Bahnsteig abgewandten Seite des Zuges stand zwischen den Gleisen vor jeder (!) Waggontür ein Grenzpolizist stramm und guckte, dass niemand unerlaubt den Zug verlässt oder besteigt. Hunde waren ebenfalls beteiligt. Viel schlimmer kann es an der innerdeutschen Grenze seinerzeit auch nicht gewesen sein.

Dann fuhr der Zug eine halbe Stunde weiter in den rumänischen Grenzbahnhof – genaugenommen war es inzwischen anderthalb Stunden später, da wir in Rumänien wieder in „unserer“ Zeitzone angekommen waren – wo der rumänische Grenzschutz zustieg, der sich ebenfalls alle Pässe zeigen liess, aber deutlich freundlicher sowie moderner ausgestattet – sie hatten mobile Passauslesegeräte, was den Vorgang deutlich beschleunigte, ausserdem interessierte sich die rumänische Grenzpolizistin nicht für finnische Landschaften etwaige Vermerke auf den Zwischenseiten – war.

Dann durften wir ungestört weiterschlafen.

Als wir aufwachten, stellten wir fest, dass der Zug eine neue Lok bekommen hatte und nur noch aus fünf Waggons bestand.

Der Ähämann holte uns Kaffee aus dem Speisewagen, und wir frühstückten im Stehen im Gang am offenen Fenster. Den ganzen Vormittag tuckselte der Zug gemächlich über marode Schienen. Wir sahen Störche, Kühe, Schafe, Schweine und riesige Hütehunde. Wir fuhren an Dörfchen vorbei und durch Bahnhöfe mit rotbemützten Stationsvorstehern mit der Kelle unterm Arm. Wir schaukelten auf kurvigen Gleisen durch hügelige Landschaft. Auf dem zweiten Gleis wuchs Gras, blühte Mohn oder waren schon ganze Büsche herangewachsen, deren Äste beim Vorbeifahren die Waggons streiften und uns schnell unsere Köpfe einziehen liessen. (Aber: die gesamte Strecke ist elektrifiziert!)  Ab und zu kam uns ein Zug entgegen. Überall wurde an der neuen Bahntrasse gebaut; Gleisarbeiter und Baggerfahrer winkten fröhlich den langsam vorbeifahrenden Leuten zu.

In Brașov stieg unsere Mitfahrerin aus. Von den nahen Karpaten her zog kühle Gebirgsluft in den Waggon; so kalt, dass ich nicht nur einen langärmeligen Pullover anziehen musste, sondern auch noch ein Tuch aus meinem Rucksack kramen und mir um den Hals wickeln.

Fenster schliessen war keine Option. Denn nun ging es in die Karpaten hinauf!

Unsere tapfere kleine Lok zog uns gemächlich durch Kurven und Tunnel, vorbei an auf dem Nebengleis pickenden Hühnern und auf Bahnsteigen wartenden Hunden, bis auf den 1000 Meter hoch gelegenen Predealpass. Dann raste sie umso schneller mit unserem kleinen Zug wieder hinunter in die Walachische Tiefebene.

In der Tiefebene konnten wir sämtliche Extra-Klamottenschichten wieder im Rucksack verstauen: draussen waren 30 Grad!

Und dann ging es auf gut ausgebauten Schienen schnurstracks auf Bukarest zu.

Neunzehn Stunden nach Abfahrt in Wien rollten wir in den Bahnhof București Nord ein. Neunzehn Stunden, von denen wir ungefähr neun geschlafen und neuneinhalb zum geöffneten Fenster rausgeguckt haben. Was für eine wunderbare Zugreise durch wunderbare Landschaft!

Bevor wir den Bahnhof Richtung Hotel verliessen, gingen wir noch zum internationalen Fahrkartenschalter und holten unser online gebuchtes, aber am Fahrkartenschalter in Bukarest auszudruckendes Ticket nach Istanbul ab.

Aber erstmal: Bukarest.

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(1) Turku-Stockholm-Berlin-Prag
(2) Prag
(3) Prag-Wien
(4) Wien
(5) Wien-Bukarest
(6) Bukarest
(7) Bukarest-Istanbul
(8) Istanbul
(9) Istanbul-Sofia
(10) Sofia
(11) Sofia-Athen
(12) Athen
(13) Kineta
(14) Kineta-Patras-Bari-Rom
(15) Rom
(16) Florenz
(17) Pisa
(18) Pisa-La Spezia-München-Berlin-Stockholm-Turku

2 Kommentare zu “Turku-Istanbul mit dem Zug (5): Wien-Bukarest

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