Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku

Allerletzter Grundschultag

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Hierzulande ist es ja so, dass die Zeugnisausgabe vor den Sommerferien immer an einem Samstag stattfindet – sehr feierlich mit Eltern und mindestens gemeinsamem Suvivirsi-Singen.

Ich finde das sehr schön – bis auf die Tatsache, dass wir uns nicht dreiteilen können.

(Glücklicherweise haben unsere Kinder Altersabstände, bei denen sich ihre ganze Schulzeit über keine besonders wichtige Zeugnisausgabe – 6.-Klasse-Abschluss, 9.-Klasse-Abschluss, Abiturfeier – mit der eines Geschwisterkindes überschneidet.)

Dieses Jahr begleiteten wir Eltern also den kleinen Herrn Maus zu seiner Zeugnisausgabe, was besonders emotional war, weil es für unsere Familie der allerletzte Tag in dieser Schule war.

Die Zeugnisausgabe beginnt immer mit einer Festveranstaltung in der Aula zum Festsaal umfunktionierten Turnhalle. Es wurden Reden gehalten, der kleine Herr Maus spielte ein Stück auf dem Klavier, die Schulband trat auf, die ganze Schule sang den Sechstklässler*innen ein Abschiedslied, und es gab diverse Auszeichnungen.

Der kleine Herr Maus erhielt dieses Jahr die „lächelnde Statue“, mit der in Finnland seit 1954 per Wahl durch die Mitschüler*innen am Schuljahresende die besten Kumpel nettesten, hilfsbereitesten und rücksichtsvollsten Schüler*innen einer Klasse ausgezeichnet werden. Ich möchte das vor allem deswegen erwähnen, weil es die Statue bisher für Jungs als Junge und für Mächden als Mädchen gab, in diesem Jahr aber an der Schule des kleinen Herrn Maus zum ersten Mal die neue, geschlechtsneutrale Skulptur überreicht wurde, was ich für die einzige zeitgemässe Art halte, diese Tradition aufrechtzuerhalten.

Hinterher wechseln alle zur eigentlichen Zeugnisausgabe in ihre jeweiligen Klassenzimmer, und obwohl die Sechstklässler*innen ihre Zeugnisse plus Rose schon vor der ganzen Schule überreicht bekommen hatten, wurden im Klassenzimmer der 6B weitere Reden gehalten, die Klassenlehrerin hatte alle Klassenfotos von der 1. bis zur 6. Klasse aufgehängt, der kleine Herr Maus und seine Freund*innen zeigten ein Video, das sie aus Fotos und kurzen Videosequenzen aus dem Schuljahr zusammengestellt hatten, die Klassenlehrerin hatte für jede*n das Foto gerahmt, das neulich bei einem Fotoprojekt jede*r von sich gemacht hatte, und ein Blatt beigelegt, auf das zum Ende der 5. Klasse die ganze Klasse etwas Nettes über den betreffenden Mitschüler geschrieben hatte, es wurde spontan nochmal gemeinsam Cha cha cha gesungen und getanzt und das obligatorische Eis gegessen.

Die Klassenlehrerin hatte in weiser Vorraussicht auf dem Lehrertisch einen Stapel Papiertaschentücher für alle zurechtgelegt, der schnell an Höhe abnahm.

Mit dieser Klasse ist es nämlich so: die allermeisten sind schon gemeinsam in den Kindergarten gegangen – mit vier von ihnen ist der kleine Herr Maus mit anderthalb sogar in der gleichen Woche eingewöhnt worden! – und sie haben ihre Klassenlehrerin seit ihrem ersten Schultag gehabt. Diese Klassenlehrerin hat sich von Schuljahr zu Schuljahr als cooler herausgestellt, die Klasse ist von Schuljahr zu Schuljahr mehr zusammengewachsen, die Freundschaften wurden von Schuljahr zu Schuljahr tiefer. Im letzten Schuljahr ist kaum ein Tag vergangen, an dem sich der kleine Herr Maus nicht noch mit einem Schulfreund oder einer Schulfreundin oder einer ganzen Gruppe von Freunden getroffen hätte. Manchmal in den letzten Monaten hatte sich, wenn wir nach Hause kamen, seine halbe Klasse in das Zimmer des kleinen Herrn Maus gequetscht. Irgendwann fingen sie an, sich mit „Hallo!“ und „Tschüss!“ zu begrüssen und zu verabschieden, und manchmal, wenn der Ähämann und ich mit dem Rad am Spielplatz vorbeifuhren, rief es von irgendwoher laut „Hallo!“, und eine Horde Jungs winkte uns fröhlich zu.

Es gab viele Tränen und viele Umarmungen an diesem letzten gemeinsamen Schultag.

Erst nach anderthalb Stunden waren sie einigermassen bereit, sich zu trennen, und sie taten es zum letzten Mal mit dem geklatschten Reim, der eigentlich nur für Schulanfänger*innen gedacht ist, aber mit dem ihre Klassenlehrerin sie sechs Jahre lang nach jedem Schultag verabschiedet hat. ♥

5 Kommentare zu “Allerletzter Grundschultag

  1. Das klingt sehr schön und stimmungsvoll. Ich wünsche dem Jüngsten an der künftigen Schule ebenso coole Lehrer*innen und Mitschüler*innen.

    • Und ich wünsche mir, dass der Kontakt zu seinen wichtigsten Freund*innen nicht ganz abreisst, auch wenn sie alle auf verschiedene Oberschulen gehen werden.

      Einer seiner besten Freunde zieht jetzt in den Ferien mit seiner Familie ins 600 km entfernte Oulu. Zugtickets für den kleinen Herrn Maus sind schon gebucht.

      • Oh – 600 km sind schon eine Hausnummer. Aber nach allem, was ich von euch so lese, packt er das. Auch mit neuen Freunden. Schade, dass alle auf verschiedene Schulen gehen

        • Er wollte natürlich mit dem Nachtzug fahren. Hätte er auch gedurft, aber der Mehrpreis im Verhältnis zu einer normalen Kinderfahrkarte von Turku nach Oulu ist mir zu horrend.

          Mal sehen, ob er die 6 Stunden Zugfahrt nach unserem Sommerurlaub für völlig unzumutbar oder etwas, das er auf der linken Pobacke absitzt, hält. ;-)

  2. Pingback: 23-06-08 Denk-Jan – iberty.de

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