„Un wenn de Peremett sich dreht, is unner schennste Zeit!“, heisst es im bekanntesten erzgebirgischen Weihnachtslied, und das ist wohl wahr!
Als Kind hat mich von allen Weihnachtsdingen die Pyramide am meisten beeindruckt: wie sich der Spanbaum in der Mitte um sich selbst drehte, wie die Engel immer schneller dahineilten, je kürzer die Kerzen brannten, und welch sonderbare, vierfache Schatten die Pyramidenflügel an die Decke warfen!
Als Grundschulkind bekam ich meine eigene Pyramide, weil mein Vater zufällig eine bei einer Betriebsweihnachtsfeier geschenkt bekommen hatte und wir ja dann zwei hatten. Auf ihr rennen Rehe um eine Raufe, und sie hat mich und uns seither in jede neue Wohnung begleitet. (Praktischerweise braucht sie nur drei Kerzen, das spart eine Packung Pyramidenkerzen, die wir hier nicht kriegen, pro Saison!)
Am Dienstag verpackte ich unsere Pyramide vorsichtig in ihren Karton, verstaute den in der Fahrradtasche und fuhr sie für einen Nachmittag in den Hort, um den Kindern ein bisschen was über meinen Urlaub zu erzählen und gleichzeitig beim wöchtenlichen Wissenschaftsdienstag ein bisschen was mit Thermodynamik zu machen.
Weil im Erzgebirge zur Weihnachtszeit aber alles noch ein bisschen wundersamer ist als anderswo, gibt es dort nicht nur Pyramiden für drin, sondern auch grosse für draussen. (Die funktionieren freilich mit Strom, und ich liebe das leise Brummen, mit dem sie sich auf den stillen Plätzen kleiner Ortschaften drehen.)
Die älteste dieser Pyramiden dreht sich seit 1934 in Schwarzenberg. Und obwohl nach der Wende noch etliche dazugekommen sind, gab es schon in meiner Kindheit so viele, dass wir oft an den Adventswochenenden, abends, wenn es dunkel geworden war, auf „Pyramidentour“ gingen und von einer zur anderen fuhren. (Das, was wir jetzt auch mit unseren Kindern machen, wenn wir im Advent im Erzgebirge sind.)
Manche haben die Form eines Weihnachtsbaums, manche den eines Förderturms oder eines Huthauses. Sie haben weisse Flügel oder rote oder blaue oder welche mit Sternen drauf oder welche aus Metall. Alle haben sie mehrere Stockwerke, auf denen geschnitzte oder gedrechselte Figuren gemächlich im Kreis laufen: Kurrendesänger, Engel, manchmal die heilige Familie, Bergleute natürlich und alle Berufe vom Holzweibel bis zum Schuster, die es im Erzgebirge gab und gibt – auf manch einer Pyramide ist auch ein Bergmann mit Presslufthammer oder ein Waldarbeiter mit Motorsäge zu sehen. Und auf einer meiner Lieblingspyramiden gibt es ganz viele Spanbäume! Diese Ortspyramiden sind klein oder gross und sie sind alle – mit Ausnahme der grössenwahnsinnigen neuen Pyramide in Johanngeorgenstadt – eine schöner als die andere!
(Überhaupt gar nichts mit einer erzgebirgischen Pyramide zu tun haben die unsäglichen Fresspyramiden aus Pappe, die neuerdings auf allen grossen deutschen Weihnachtsmärkten stehen!)
Zu Hohneujahr werden sie übrigens alle wieder abgebaut, die Figuren vorsichtig verpackt und eingelagert, um dann zu Beginn der nächsten Adventszeit wieder aufgebaut und vielerorts mit einer kleinen Zeremonie feierlich wieder „angeschoben“ zu werden.
Freitag, 20. Dezember 2019 um 19:31
Selbst zum Basler Weihnachtsmarkt gehört seit eh und je eine erzgebirgische (sagt man so?) Pyramide (zumindest habe ich sie immer für eine solche gehalten), es hat dort auch „schon immer“ einen Stand mit Erzgebirge-Figuren und Krippen und Schwibbögen.
„Hohneujahr“ habe ich noch nie gehört und gleich mal gegoogelt. Man lernt hier eine Menge!
Samstag, 21. Dezember 2019 um 19:03
Falls du die hier meinst, die ist allenfalls die Schweizer Interpretation einer erzgebirgischen Pyramide.
(Mir fiel vor zwei Tagen, als eine Freundin auf Instagram ein Video der Pyramide auf dem Greifswalder Weihnachtsmarkt postete, auch ein ganz deutliches Unterscheidungskriterium auf: ich weiss nicht, wer auf die Idee kommt, dass die Pyramidenfiguren seitwärts fahren müssen. Denen wird doch schlecht! ;-) Und das ist doch keine Ausstellung, die sind doch alle auf dem Weg irgendwohin!)
Samstag, 21. Dezember 2019 um 21:12
Okay, danke.
Ich kenne in Gross ja nur diese, ich war leider noch nie im Erzgebirge. Ich glaube, die seitliche Bewegung ist analog den Glockenspiel- und Turmfiguren an vielen Orten.
Samstag, 21. Dezember 2019 um 15:05
Die unsäglichen fresspyramiden gibt’s hier auch.und in Hildesheim wurde eine solche um ein Stockwerk erhöht. Man hatte aber leider nicht bedacht dass der vorgesehene Standort mit einer Tiefgarage unterkellert ist.nun darf niemand das Obergeschoss betreten wegen Einsturzgefahr.ich meine dass immer grosser nicht sein muss .die erzgebirgischen pyramiden magich meine grosstante kam aus Annaberg.
Samstag, 21. Dezember 2019 um 19:05
Nee, grösser ist tatsächlich nicht schöner. Die 25m hohe Weltrekordpyramide in Johanngeorgenstadt ist auch deswegen so hässlich, weil bei dieser Höhe die Proportionen nicht stimmen. Und dass man bei dieser Höhe ausser den untersten drei die angeblich so toll geschnitzten Figuren gar nicht erkennen kann – von unten sowieso nicht, und wenn man weit genug zurücktreten würde, bräuchte man ein Fernglas! – hat auch niemand bedacht.
Freitag, 27. Dezember 2019 um 10:31
Ich mag auch die in Wiesenbad, die ist auch anders, aber auf eine elegante Art (Kurort für die feinen Leute ;))