Als wir in Lappland ankamen, schien die Sonne kroch die Sonne genau zwei Stunden am Tag am Horizont entlang: von 11:15 Uhr bis 13:15 Uhr.
Wir wussten, worauf wir uns eingelassen hatten. Im Januar 2000 waren der Ähämann und ich extra nach Inari gefahren, um zu erleben, wie das ist, wenn die Sonne den ganzen Tag nicht aufgeht. Ich weiss gar nicht mehr so recht, was wir erwartet hatten. Stockdunkle Nacht, vermutlich. Stattdessen erlebten wir, dass es unerwartet hell wird, wenn die Sonne zwar nicht aufgeht, aber knapp unterm Horizont entlangkriecht. Dass es unerwartet lange vor Sonnenauf- und lange nach Sonnenuntergang noch hell ist. Keine graue Dämmerung, sondern leuchtendes Zwielicht, das die weisse Schneelandschaft in ein rosa Zuckerwatteland unter einem babyblauen Himmel verwandelt.
Ich hatte schon ganz vergessen, wie schön dieses blaurosa Licht ist…!
Zum ersten Mal, nach all den Jahren, in denen wir mit Babys und Kleinkindern im blauen roten Mökki Winterurlaub gemacht hatten, konnten wir diesmal das wunderbare Loipennetz in der Umgebung wirklich nutzen, weil die Kinder endlich mehr als drei Kilometer schaffen. Wir glitten bei -15°C acht oder vierzehn oder achtzehn Kilometer auf perfekt gespurten Loipen durch dieses Zuckerwatteland, fernab der motorschlittenfahrenden oder schneeschuhschlurfenden Touristenhorden. (Ja, die gibt es leider auch schon wieder.) Ich konnte mich nicht entscheiden, ob das Licht zur Mittagszeit oder kurz nach Sonnenuntergang am schönsten war, und selbst die Loipenbeleuchtung, für die wir am Ende der Skitouren immer recht dankbar waren, hatte ihren ganz eigenen Zauber.
Neben den Loipen standen die Fichten in ihren Eispanzern – an einer Fichte können bis zu drei Tonnen Schnee kleben, las ich gerade – wie Stalagmiten. Oder wie verwunschene Fabelwesen: schlanke Prinzessinnen, Königinnen mit Krone auf dem Kopf, Zauberer im langen Umhang. Zu ihren Füssen spielten grossköpfige Fabeltierchen im Schnee, stand ein Weiblein mit verschränkten Armen und Hut auf dem Kopf, schlief ein Kind auf weichen Kissen.
Schon als wir vor ein paar Jahren die „Schneekönigin“ vom ZDF sahen, die ja zum Teil im finnischen Lappland gedreht ist, habe ich mich gefragt, warum in aller Welt sie das im März machen mussten, im gleissenden Sonnenlicht. Klar, vermutlich will niemand bei -20°C einen Film drehen, aber nichts hätte besser das Reich der Schneekönigin darstellen können als dieser Märchenwald in diesem blaurosa Zwielicht im Januar.

11:58 Uhr. Mittagssonne.
Nach drei Tagen wusste ich, dass ich diesen Märchenwald und dieses Licht den Rest des Winters schmerzlich vermissen würde. Den Rest diesen Winters und alle kommenden. Und so kam es, dass wir noch im blauen roten Mökki unseren nächsten Urlaub im blauen roten Mökki buchten.