Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku


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Lappland vor der Haustür

Egal, von wo wir seit einer Woche nach Hause kommen – in unserem Stadtteil ist es noch weisser und sind die Bäume doppelt so dick beschneit wie anderswo. Wenn wir aus dem Fenster gucken, fühlen wir uns, als wären wir im Blauen Mökki. (Nur die Rentiere fehlen.)

Kein Wunder, dass von allen Turkuer Loipen ausgerechnet unsere Stadtteilloipe fünf Tage lang keine Beleuchtung hatte, weil etliche Bäume unter der Schneelast – die ersten 20 cm waren ja sehr nass heruntergekommen und anschliessend an den Bäumen festgefroren – zusammengebrochen und auf die Stromleitung gefallen waren.

Dafür war sie gestern Abend – montags hat der kleine Herr Maus Zeit, mit mir vor dem Abendbrot noch eine Runde auf Skiern zu drehen – ganz frisch gespurt. Wir fuhren zwei Runden. Weil es sich so leicht dahinglitt. Und weil es so wunderwunderschön war.

(Und weil es vielleicht Ende der Woche zwei Tage regnen soll, bevor der grosse Frost zurückkommt. Hm.)


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Coronaklausur, Tag 20

Finnland hat 2176 bestätigte Coronafälle.

Heute früh wachte ich kurz nach fünf auf. Auf unserem Dachfirst flötete eine Amsel aus voller Kehle ins Morgenblau. Ich wälzte mich ein bisschen hin und her, hörte ihr zu und freute mich, dass das 5:25-Uhr-Propellerflugzeug nach Riga ihren Gesang heute nicht stören würde, dann war ich wieder eingeschlafen. Dank Fernunterricht können wir jetzt früh immer eine Stunde länger schlafen; der Ähämann, der sonst schon um 5:40 Uhr aufstehen muss, um zum Bahnhof zu radeln, sogar zwei.

Ich glaube, ich habe noch gar nicht gesagt, wie glücklich ich darüber bin, dass wir alle die ganze Zeit zusammen sind gerade. Ich weiss natürlich, dass wir in einer sehr privilegierten Lage sind, weil meine Arbeit nicht sehr zeitaufwändig ist zur Zeit, unsere Kinder schon vergleichsweise gross und selbstständig sind und wir uns nicht um den Unterricht der Kinder kümmern müssen. Aber ich geniesse es gerade wirklich sehr, dass wir jeden Morgen alle fünf zusammen frühstücken, jeden Tag gemeinsam Mittagessen, jeden Abend gemeinsam „Maus“ gucken, mit Büffchen auf dem Sofa als Abendbrot. Und heute gab es Kaffee auf der Terrasse, als die Herren Maus Schulschluss und der Ähämann und das Fräulein Maus eine kurze Pause hatten.

Danach sprang der kleine Herr Maus von der Terrasse auf den Spielplatz, wo schon ein Nachbarskind, das noch nicht in die Schule geht, wartete, und ich blieb in der Sonne sitzen und sah den Hummeln bei ihrem Torkelflug von Krokus zu Krokus zu.

Im Hintergrund zwei Freunde beim social physical distancing im Sandkasten.

Dann hatte der kleine Herr Maus noch Sportunterricht und Schwimmtraining. (Montags kann er das verbinden.) Für beides sollte er eine Stunde gehen oder laufen, für den Sportunterricht unterwegs Fotos machen und hinterher seine Route und die Orte, an denen er Fotos gemacht hatte, in eine digitale Karte eintragen, fürs Schwimmtraining musste er anschliessend noch eine Viertelstunde Dehnungsübungen machen.

Wir spazierten auf die andere Flussseite, am Fluss entlang, zu Finnlands ältestem Kirchplatz und wieder zurück nach Hause.

Was für ein Glück, in der Stadt zu wohnen und hinter der Haustür gleich auf dem Lande zu sein!

***

Presseschau.

Die New York Times berichtet über Finnlands Notlager. Es ist nicht nur eins, sondern viele, an geheimgehaltenen Orten. Und auch was genau und in welchen Mengen sich darin befindet, ist Staatsgeheimnis – aber ausser medizinischer Ausrüstung, die jetzt aus dem Notlager geholt wird, finden sich darin grosse Mengen Brennstoff, Rüstungsbedarf, Saatgut sowie zum Beispiel Brotmehl für den Bedarf eines halben Jahres.

Lahtis Sinfonieorchester spielt die Finlandia. Alle 62 Musiker*innen sind dafür zu Hause geblieben.

• Ein finnischer Coronatoter ist offensichtlich wiederauferstanden. Dabei ist noch gar nicht Ostern!

Coronasituation in Finnland: Gesamtzahl der bestätigten Coronaansteckungen, Anzahl der Coronapatienten, die im Krankenhaus behandelt werden bzw.  die in intensivmedizinischer Betreuung sind sowie die Gesamtzahl der Todesfälle. Dahinter jeweils der Unterschied zum Vortag.


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Schwerter zu Pflugscharen

Spiess umgedreht: „Zivilgelände. Zutritt für Militaristen verboten!“

So wie andere Kinder die Strassen ihres Stadtviertels kennen, kennt der kleine Herr Maus alle Wege und Hundepfade durch den Wald, der zwischen unserem und dem Nachbarstadtteil liegt.

Letzte Woche war er mal wieder dort mit einem Schulfreund unterwegs, mit den Fahrrädern, und machte dabei eine Entdeckung, die ihn vor Freude tagelang hüpfen liess.

Es ist nämlich so: da, wo im Sommer der neue Kreisverkehr angelegt wurde, samt einer etwas überdimensionierten Brücke über den kleinen Bach, soll ein neues Wohngebiet entstehen. Und wie das hier so ist – obwohl noch kein einziges Haus dort gebaut wurde, ist nicht nur die Zufahrtsstrasse dahin fertig, sondern sind überhaupt schon alle Strassen, Fuss- und Radwege angelegt und asphaltiert und Strassenlaternen aufgestellt. Gleich, als der Kreisverkehr und die Brücke eröffnet waren, bogen wir auf dem Rückweg von der Musikschule mal dahin ab, aus lauter Neugier, aber es gab nicht viel zu sehen, ausser ein paar extra beleuchteten vermoosten Bunkereingängen, die hinter den noch zu fällenden Bäumen auf den Baugrundstücken hervorleuchteten.

Früher war nämlich genau dort, wo jetzt das Wohngebiet entstehen soll, ein weiträumig abgesperrtes Militärgelände.

Umso wunderbarer finde ich die Entdeckung des kleinen Herrn Maus: ausser Strassen, Wegen und Beleuchtung ist dort nämlich auch schon ein toller grosser Spielplatz angelegt worden; ein bisschen verloren allerdings noch so im Wald und ganz sicher von fast niemandem besucht.

Nachdem der kleine Herr Maus drei Tage mit Husten und Halsweh zu Hause herumgelegen hatte und heute in schönster Zur-Strafe-für-euch-geh-ich-wieder-ins-Bett-Stimmung war – frei nach einem bei uns oft zitierten Gedicht aus einem mehr als hundert Jahre alten Buch aus der Kinderzeit meiner Urgrossmutter (!), in dem es um ein Kind geht, das wohl mit dem sprichwörtlichen linken Bein aufgestanden ist, und das mit den Zeilen „Ihr seid heute alle gar nicht nett! Und zur Strafe für euch geh‘ ich wieder ins Bett!!!“ endet – durfte er heute, in der Hoffnung auf Stimmungsbesserung, den grossen Herrn Maus und mich durch den Wald zum neuentdeckten Spielplatz führen.

Und dann guckten wir uns auch gleich noch ein bisschen die Umgebung an.

Ich sag‘ mal so: ich finde die Idee sehr sympathisch, dass jetzt Künstler in den ehemaligen Militärgebäuden ihre Ateliers haben und bald Familien da wohnen und Kinder da spielen werden, wo früher Kasernen und Munitionslager standen. Aber es lag sicher nicht nur an der Tristesse eines verregneten Februartages, dass ich da ganz sicher nicht hinziehen wollte.

(Aber auf den Spielplatz gehen wir sicher noch öfter.)

Wo die Schienen der Ende der 1960er Jahre abgebauten Turkuer Strassenbahn hingeraten sind, wissen wir dann jetzt auch.


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Montagabendspaziergang

Wie gut, dass der kleine Herr Maus mich immer noch und zu jeder Jahreszeit dazu zwingt, mit ihm in den Wald zu gehen!

Montagabend – das hatten wir schon lange ausgemacht – wollte er mir einen Weg zeigen, den er neulich mit einem Schulfreund auf der Suche nach Pokemons entdeckt hatte und der vielleicht eine Alternative wäre, wenn wir zum Silvesterfeuerwerk im Nachbarstadtteil nicht mit den Fahrrädern fahren können.

Der grosse Herr Maus war bei den Pfadfindern, das Fräulein Maus machte Hausaufgaben, aber der Ähämann, der kleine Herr Maus und ich zogen uns warm an, stopften ein Picknick die Teilchen, die der Ähämann extra aus Tampere herangefahren hatte, in einen Rucksack und verschwanden nach 300 Metern im Wald zwischen unserem und dem Nachbarstadtteil.

Tatsächlich war mir der Weg völlig unbekannt, obwohl wir ganz sicher nicht zum ersten Mal dort waren. Wir fanden sogar ein Stückchen Weg, das aussah wie ein Wanderweg im Erzgebirge, und eins, das aussah wie einer in der Sächsischen Schweiz. Und immer noch bin ich jedes Mal völlig hin und weg, wie schnell man sich hier wie im tiefsten Wald fühlt, selbst wenn nach einem Kilometer die nächsten Häuser auftauchen.


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Donnerstagabendskitour

Der kleine Herr Maus möchte unsere winterlichen Abendspaziergänge auch in diesem Jahr fortsetzen.

Fast haben wir beide uns – nachdem wir uns auf dem Heimweg von Deutschunterricht und Arbeit im Bus nach Hause getroffen hatten – ein bisschen geärgert, dass wir unsere Skier nicht gleich dabeihatten, denn der Bus, in dem wir sassen, war einer von denen, die in den Nachbarort weiterfahren und gleich neben der Loipe eine Haltestelle haben.

So gingen wir erstmal nach Hause. Und während ich einen halben Kaffee schlürfte und mich mit dem Ähämann in zehn Minuten über die wichtigsten Dinge des Tages austauschte, bevor der wieder losmusste, um das Fräulein Maus vom Training abzuholen, wurde ich immer antriebsloser, während der kleine Herr Maus ungeduldig mit den Hufen scharrte schon mal die Skischuhe anzog. Okay, okay…!

Dankenswerterweise kommt die Stadt Turku seit zwei, drei Jahren nicht mehr nach mit Schneeräumen und verzichtet deshalb sogar manchmal aufs Streuen, und so konnten wir direkt vor der Haustür losfahren. Am Kindergarten und den Hochhäusern vorbei in unseren beleuchteten Wintermärchenwald.

Als wir zurückkamen, stöhnte der kleine Herr Maus, dass er viel zu warm angezogen gewesen und völlig verschwitzt sei. Badewanne, schlug ich ihm vor. Im Schnee wälzen, schlug er vor. Er riss sich also den Schneeanzug, die Fleecejacke und die Wollunterwäsche vom Leib, sprang im Garten in die inzwischen 30 cm dicke Schneedecke und danach in die heisse Badewanne. Fast hab‘ ich’s zischen hören.


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Februarfrostnächte

Wir haben gerade einen etwas… *hüstel*… erhöhten Kerzenverbrauch.

(Es ist jetzt aber auch schon fast die letzte Gelegenheit. Denn obwohl nachts um die -20°C sind, wärmt die Sonne nachmittags schon so stark, dass das Eis einfach sublimiert. Und überhaupt lohnt sich Kerzen anzünden bald nicht mehr, es ist ja schon jetzt wieder bis halb sieben hell!)


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WohnRullerpark

Gleich hinter unserem Wald entsteht ein neues Wohngebiet. Das heisst, es soll wohl ein Wohngebiet entstehen: die Strassen sind asphaltiert und mit Strassenschildern und Verkehrszeichen versehen, Bäume und Büsche sind gepflanzt, Bänke aufgestellt, Stromkästen und Strassenlaternen installiert – nur Häuser gibt es noch keine. Noch nicht einmal Baustellen. Auf den zukünftigen Baugrundstücken wuchern Kornblumen und Kamille in kniehohem Gras.

Der Asphalt ist da nicht ganz so schön glatt wie auf der Schlittschuhbahn oder im Verkehrspark und „Mit den Gullideckeln haben sie’s ein bisschen übertrieben!“ empörte sich der kleine Herr Maus, aber dafür ist man jederzeit in fünf Minuten hingelaufen und kann dann da wunderbare Runden fahren.

Also wegen uns braucht da keiner so schnell ein Haus zu bauen.

Die Strassenlaternen dort bleiben allerdings vorerst – die Umwelt dankt! – ausgeschaltet. Wenn man nicht mehr erkennen kann, wo sich die Gullideckel befinden, um die man tunlichst herumrullert, ist es sowieso höchste Zeit, den Heimweg anzutreten, wenn man für den Rückweg durch den Wald keine Stirnlampe dabeihat.