Natürlich wollten wir noch gar nicht vorgestern zurückkommen. Natürlich hat uns mal wieder das Wetter dazu gezwungen.
Dabei haben wir diesmal richtiges Glück gehabt. Nicht, dass alles reibungslos geklappt hätte, dass wir pausenlos schönes Wetter gehabt hätten. Aber es ist immer noch gerade rechtzeitig schön geworden.
Freitagnachmittag auf Utö z.B. war mir ganz flau im Magen. Weil wir die Fallen zuhatten und sie nachmittags nochmal kontrollieren und dabei einsammeln wollten. Um drei wollten wir los, und halb drei war auf einmal vor lauter Nebel keine 100 m weit mehr zu sehen. Und wir warteten und warteten… und wir konnten ja nicht ewig warten, irgendwann wird es ja auch dunkel, und das ist für unser Boot genausowenig geeignet wie Nebel. Aber die Mäuse in den Fallen lassen? Die wären doch am nächsten Morgen fast alle tot gewesen! Mensch, war mir schlecht. Wir haben hin und her gerechnet, wann wir spätestens losfahren müssen, wenn wir nichts weiter machen – die Mäuse nicht wiegen, neue Mäuse nicht markieren – als die Fallen auf und die Mäuse freilassen, und sind auf nicht später als um sechs gekommen. Dreiviertel sechs zog es sich wieder auf, wir nichts wie los und die Fallen aufgemacht und reingeholt. Puh!
Auch in der Nacht vorher war es schon recht neblig gewesen. Nach so einer Nebelnacht – William hat mir erklärt, dann landen auf Utö nicht nur die schwächlichen Vögel, sondern alle Zugvögel sind ein bisschen orientierungslos und werden vom Leuchtturm angelockt – fühlt sich die Insel an wie eine grosse Vogelvoliere. Überall piepst und flattert es, und man kann keinen Schritt tun ohne zehn bis zwanzig Vögel aufzuscheuchen.
Samstag sind wir bei schönstem Sonnenschein nach Vänö umgezogen. Mit Zwischenstopp in Kasnäs, weil wir tanken mussten und ausserdem den Liebsten abholen, der mich für das Wochenende besuchen gekommen ist. Kaum waren wir von Kasnäs wieder Richtung offenes Meer gestartet – bei strahlender Sonne – wollte ich meinen Augen nicht trauen: da vorn sind doch normalerweise Vänö und andere Inseln zu sehen, nicht nur offenes Meer bis zum Horizont? Eine Minute später wusste ich, warum das so komisch aussah: da befanden wir uns mitten im Nebel. In so seltsamem Nebel, wie wir ihn auch letztes Jahr schon erlebt haben, der einen keine 100 m weit geradeaus sehen lässt, aber den blauen Himmel, und in den die Sonne hineinscheint. So ein bisschen wie beim Fliegen, wenn man gerade aus den Wolken herauskommt. Wir also zurück nach Kasnäs, Kaffee getrunken, Eis gegessen, nach zwei Stunden nochmal versucht. Diesmal waren wir fast sofort im Nebel, als wir aus dem Schutz der Hauptinsel herauskamen (wo immer noch die Sonne schien, versteht sich). Mist. Wieder zurück. Und wir wollten doch noch die Fallen auf die Inseln bringen am gleichen Nachmittag! Als wir uns nach zwei Minuten nochmal umblickten, war auf einmal Vänö wieder zu sehen. Also nichts wie wenden und hin, an Vänö vorbei zu unserer Campsite-Insel Stora Buskär, Klamotten aus dem Boot schmeissen und Fallen rausbringen. Puh! Wieder Glück gehabt.
Die nächsten zwei Tage waren unglaublich warm und sonnig und fast windstill, und das Fangen hat Spass gemacht. (Ich hasse es, nasse Mäuse zu handeln, am allermeisten deshalb, weil es ihnen ja selbst nicht guttut). Der Liebste hat uns tatkräftig geholfen, so dass wir ganz schnell waren, ausserdem hat er frisches Obst mitgebracht und Saft und Limo, was’n luxuriöses Leben!
Am Dienstag wollten wir umziehen nach Trunsö, aber schon in der Nacht war es ziemlich stürmisch gewesen, und am Vormittag war nicht daran zu denken. Wir warteten also bis zur Wettervorhersage um 11:50 Uhr, aber die klang auch nicht wirklich vielversprechend, so dass wir beschlossen, dass Umziehen nach Trunsö um einen Tag zu verschieben, falls es nicht noch schlimmer kommen sollte… Mittlerweile hatte William noch ein paar Anrufe bekommen:“Du weisst aber, dass eine Kaltfront kommen soll und es wirklich kalt werden soll, vielleicht sogar schneien? Wollt ihr nicht lieber zurück nach Turku kommen?“ Nein, wollten wir nicht. Oder doch wenigstens den nächsten Seewetterbericht um 18:50 Uhr abwarten. Der sagte uns dann, dass es zumindest Mittwoch UND Donnerstag nichts werden würde mit arbeiten, und da ich ungern untätig auf einer Insel festsitze und sowieso das Wichtigste getan war, fiel die Entscheidung nicht schwer:“Zurück nach Turku!“ Ich dachte freilich an mittwochfrüh zurück nach Turku, aber William meinte, wenn wir sofort losführen, könnten wir es bis zum Einbruch der Dunkelheit noch schaffen nach Turku, und ausserdem könne es sehr wohl sein, dass der Wind bis morgen früh so stark zugenommen hat, dass wir gar nicht mehr wegkommen. Zwei Minuten Bedenkzeit. „Let’s go NOW!“
Okay, Zeit läuft. Es ist 19:02 Uhr. Sonnenuntergang ist 21:01 Uhr. Nicht, dass das unser erster überstürzter Aufbruch von Stora Buskär wäre. Keine Frage, dass sowieso nach dem letzten Sommer und dieser Woche jeder Handgriff sitzt. 19:25 Uhr ist unsere Hütte aufgeräumt, ist der Liebste angerufen, dass er uns halb zehn von Hirvensalo abholen soll, sind alle Sachen in wasserdichten Müllbeuteln im Boot, sind wir verpackt in mehrere Lagen Kleidung plus Überlebensanzug. Und los! Fünf Minuten können wir volle Geschwindigkeit fahren, dann sind wir auf dem Stück offenen Meeres vor Kasnäs, und ja, der Wind hat sich doch schon zu einem ordentlichen Sturm ausgewachsen, die Wellen sind RIESIG, jede verpasst uns eine Salzwasserdusche. Kein Gedanke an schnell fahren. Hauptsache wir kommen da überhaupt noch irgendwie durch. William macht das. Er macht das prima. Nach unendlich langer Zeit sind wir endlich in der Hafeneinfahrt nach Kasnäs. Dort ist’s ruhiger, dort geht’s schneller. „Kannst du die Seekarte umblättern während ich fahre? Damit es schneller geht?“ Klar, kann ich. „703.“ Handschuhe aus, Karte aus der Hülle gezerrt, Hülle zwischen die Knie geklemmt, dass sie bloss nicht fortfliegt, mühsam gegen den Wind die Karte umgeblättert, wieder in die Hülle gefriemelt, zurückgereicht, die gefühllosen Hände wieder in die Handschuhe gestopft. „704.“ Gleiche Prozedur. Wumm. Wumm. Aha, hier sind die Wellen wieder höher. Egal. Festhalten, locker bleiben, Zähne nicht zusammenbeissen, dann tut’s auch nicht weh, und durch. Zeit für Bequemlichkeitsspirenzchen haben wir jetzt nämlich nicht. Zwischendurch noch schnell die Ladung umsortiert, weil der Wind das Boot unheimlich nach der einen Seite drückt. Endlich! Paraisten Portti! 20:50 Uhr. Die Sonne ist schon hinter den Bäumen der grösseren Inseln verschwunden. Geschwindigkeitsbegrenzung? Ach was. Ist ja eh noch keiner hier um diese Jahreszeit. Licht einschalten. „708.“ Nun muss man schon ganz schön gucken nach den Seezeichen. Die ersten Minileuchttürme fangen an zu blinkern, rot oder grün. Kalt wird’s auch langsam, trotz der vielen Sachen. Endlich! Die Fähre zwischen Parainen und Nauvo! 21:10 Uhr! Von hier geht’s auch ohne Seekarte. Aber hier sind auch die Wellen wieder höher. Dann taucht die Beleuchtung des Hafens von Naantali auf. Dann das „Zieltor“ – der Kran der Raisioer Werft, auf den wir immer lange Zeit zufahren müssen. Dann kommt uns die „Isabella“ von Viking Line entgegen, beleuchtet wie ein Weihnachtsbaum. Wir mit unserem rot-grünen Buglämpchen und dem kleinen weissen Hecklicht kommen uns so winzig vor dagegen. Und Radar haben wir auch nicht. Und es ist schon so finster. Und jetzt müssen wir auch nochmal fast anhalten um die Bugwellen der „Isabella“ gefahrlos zu passieren. Es ist 21:20 Uhr. Und nicht mehr weit. Als wir in die Bucht nach Hirvensalo einbiegen, fängt das Mondlicht gerade an zu leuchten. 21:40 Uhr sind wir da, das einzige Boot am Steg (Wer bitte fährt auch schon im April draussen rum?!), sogar unsere Leiter müssen wir erst ins Wasser stellen, die liegt noch winterfest auf dem Steg.
Angekommen. Im letzten blauen Licht. Was haben wir da eigentlich gerade gemacht die letzten zweieinhalb Stunden? “What a trip!“ *nick* „You are hero! Really! Thank you so much!“ Dann fallen wir geschafft und eher sprachlos ins Auto.