Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku


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Urlaubsrückblick (5): Ganz im Norden

„Die Leute wissen gar nicht, wie schön Magerøya sein kann, weil sie alle nur auf diesen einen blöden Felsen wollen.“ *

Die Entscheidung, zum Nordkap zu fahren, haben wir sehr demokratisch ausdiskutiert.

Ich wollte nicht, weil ich schon zweimal da war – einmal als Teenager mit einer Reisegruppe, einmal mit dem Damals-noch-nicht-Ähämann, als er mich nach meiner Diplomarbeit aus Mittelfinnland abholte und wir übers Nordkap – den kürzesten Weg kann ja wohl jeder! – zurück nach Deutschland fuhren – und vor allem, weil es eine fürchterliche Touristenhölle ist und zudem ja noch nicht mal der wirklich nördlichste Punkt Europas.

Der Ähämann wollte gern, weil wir damals keine zehn Meter weit gucken konnten und das Ende der Strasse, die sich dutzende Kilomter lang durch – es war Ende Mai! – drei Meter hohe ausgefräste Schneewände gewunden hatte, genausogut irgendwo im Nichts gelegen haben könnte.

Die Kinder waren unentschlossen. Einerseits bekamen sie langsam Sehnsucht nach ihren Freunden und hätten auf zwei Tage Umweg gern verzichtet, andererseits hätten sie das mit dem nördlichsten Punkt Europas schon irgendwie aufregend gefunden. Und weil ich der Meinung bin, dass man – Touristenhölle hin oder her – an manchen Orten ruhig wenigstens einmal im Leben gewesen sein kann, gab ich meine Stimme zugunsten der Kinder dann auch für das Nordkap.

Und es war so schön!

Wenn man nämlich den wohl seltsamsten Tunnel der Welt – drei Kilometer geht er steil nach unten, einen Kilometer geradeaus und dann drei Kilometer steil wieder nach oben – hinter sich gebracht hat und auf Magerøya angekommen ist, dann ist die Landschaft auf einmal nochmal ganz, ganz anders. Nur noch Berge und Tundra. Und Meer drumrum.

Touristen waren gar nicht so viele wie befürchtet da, weil wir schon nachmittags dawaren, die meisten Touristen aber erst zum Begucken der Mitternachtssonne – als ob die woanders nicht zu sehen wäre! – herangekarrt werden. Der Ähämann bekam diesmal seinen Blick aufs Nordmeer, die Kinder fanden es schon durchaus beeindruckend und durften sich zur Erinnerung im Souvenirladen jeder einen Magneten aussuchen, und den Polen mit dem Motorrad, den wir vom letzten Zeltplatz kannten, trafen wir auch wieder.

Der grosse Herr Maus hatte sein schönstes und sein schlimmstes Erlebnis am Nordkap mit einem Flügel, den eine norwegische Musikgesellschaft zur Freude der Besucher und zur freien Benutzung durch die Vorübergehenden in der Nordkaphalle aufgestellt hatte. Stolz und freudig und völlig ohne sich um das Publikum zu kümmern spielte er zwei Stücke, bis ihm beim dritten eine Rezeptionistin mit Dolores-Umbridge-Lächeln den Tastaturdeckel über den Fingern zuklappte und ihm verbot – „Wir erleben das hier jeden Tag, das Kinder auf dem Klavier rumhämmern!“ – weiterzuspielen. (Der grosse Herr Maus spielt ganz sicher nicht perfekt – aber dass er nicht einfach auf dem Klavier rumhämmerte, das hätte auch ein BlinderTauber mit Krückstock gehört.)

„Nie wieder in meinem Leben will ich ans Nordkap!“, war sein abschliessender Kommentar zu dem Vorfall. Und mal ehrlich – wegen des einen blöden Felsens, den man nur nach Zahlung eines horrenden Eintrittpreises überhaupt betreten darf, muss man tatsächlich nicht nach Magerøya.

Aber sonst!

Hinterher gingen wir nämlich – ganz ohne Eintritt und Parkgebühren – ein Stück auf dem Wanderweg, der zum wirklich nördlichsten Punkt Europas führt, und blieben noch eine Nacht auf der Insel und guckten noch hier und bauten Steinmännchen da und erfreuten uns an der gewaltigen Landschaft.

Magerøya ist wirklich wunderschön.
Abseits von diesem einen blöden Felsen.


*Wir zitieren ja oft und gern aus dem Lieblingsfilm – aber noch nie haben wir ein Zitat aus so vollstem Herzen hergesagt wie dieses in diesem Urlaub.