Der gestrige Sonntag endete übrigens mit einem Besuch in der Notaufnahme.
(Waren wir ja auch schon lange nicht mehr…)
Der kleine Herr Maus nämlich, der schon den ganzen Tag ein bisschen angeschlagen war, fing abends plötzlich an „Mein Ohr! Mein Ohr tut so weh!“ zu jammern. Und erfahrungsgemäss begibt man sich dann besser sofort mit ihm zum Arzt.
Der Ähämann fuhr also den kleinen Herrn Maus und mich in die Notaufnahme, bevor er das Fräulein Maus vom sonntagabendlichen Training holte; abholen würde er uns dann irgendwann später, sobald wir eben fertig seien, das Fräulein Maus und der grosse Herr Maus könnten ja schon mal schlafen gehen.
19:38 Uhr. Wir betreten den Wartebereich der Notaufnahme und haben noch nicht mal einen Blick auf unsere soeben gezogene Nummer – „Kinder unter 18“ – werfen können, da werden wir schon von einem Krankenpfleger in eins der Vorzimmer, wo grob eingeschätzt wird, welche Art Behandlung gebraucht wird und wie dringend die ist, gerufen. „Habt ihr angerufen?“, fragt er. „Äh… hätten wir das gesollt?“, frage ich zurück. „Ach naja, nee, ist nicht so wichtig. Also die Leute sollen ja eigentlich nur hierherkommen, wenn es wirklich dringlich ist, und deswegen beraten wir die Leute gern vorher am Telefon, aber man kann natürlich auch einfach vorbeikommen. Aber ich gebe euch mal die Telefonnummer mit… Worum geht’s denn?“ Ich berichte. „Alles klar. Henkilötunnus?“ Ich komme wie immer nur bis zum Geburtstag – die letzten vier Stellen weiss ich immer nur jeweils von dem Kind, mit dem ich zuletzt beim Arzt war – und fange an, die Kela-Karte rauszukramen, aber der Pfleger winkt ab: „Geburtsdatum und Name reicht auch!“ Und richtig hat er ihn auch gleich gefunden. „Du gehst ja schon in die Schule!“, sagt er zum kleinen Herrn Maus. „Gefällt’s dir in der Schule?“ Der kleine Herr Maus sieht elend aus, vergräbt sein Gesicht in Riesig, seinem Elefanten, den ihm der grosse Herr Maus noch fürsorglich vor der Abfahrt gereicht hat, und schüttelt den Kopf. Der Krankenpfleger öffnet uns die andere Tür, die, die in die Tiefen der riesigen und verschlungenen Notaufnahme führt, und zeigt uns: „Da ganz am Ende von diesem Gang ist das Kinderwartezimmer, da…“ „Ja,“ sag‘ ich, „danke, kennen wir. Wir sind öfter hier.“
Der kleine Herr Maus tappelt tapfer neben mir her. Im Kinderwartezimmer ist ausser uns niemand, nur ein kleines Mädchen, das aber offensichtlich schon irgendwie in Behandlung ist. Das heisst aber nichts – man kann da manchmal trotzdem noch zwei Stunden sitzen. Im Fernsehen läuft Eishockey, ein Buch haben wir auch dabei, aber der kleine Herr Maus vergräbt nur abwechselnd sein Ohr in meinem Schoss oder läuft wimmernd im Kreis. Und wir haben noch keine fünf Minuten gewartet, da wird er schon aufgerufen. „Hallo, komm rein, setz dich, ich bin Teemu, was hast du denn?“, fragt er den kleinen Herrn Maus. Ich berichte. Der Arzt guckt in die Ohren, in den Hals und hört den kleinen Herrn Maus ab. „Willst du auch mal hören?“, fragt er den kleinen Herrn Maus. Der nickt schüchtern und bekommt das Stethoskop umgehängt. „Hörst du? Das Bummbumm-bummbumm? Das ist dein Herzschlag.“ Der kleine Herr Maus lächelt. Der Arzt stellt ihm ein e-Rezept aus. Er klickt erstmal sehr viel mit der Maus rum und sagt entschuldigend zu uns: „Ich hab‘ hier alle Patienten stehen, ich muss das erstmal ändern… Ich bin eigentlich Anästhesist, aber wenn ich nicht gebraucht werde, dann arbeite ich einfach die Warteschlange mit ab.“ Er sagt übrigens nicht „Anästhesist“, sondern, damit der kleine Herr Maus ihn auch versteht, „Einschläferarzt“. (Und ja, so sagt man das auf Finnisch.) „Ach so,“ sagt er dann noch zu mir, „die werden da in der Apotheke mit dir diskutieren wollen, weil dieses Antibiotikum bisher eine Woche lang genommen werden musste. Aber wenn die Symptome wegsind, dann reichen fünf Tage. Lass dir die zweite Flasche nicht aufschwatzen!“ Und: „Tschüss!“, winkt er dem kleinen Herrn Maus und mir. 19:56 Uhr.
Unter zwanzig Minuten!
Das war sozusagen der Rekord an Schnelligkeit. Und Kinderfreundlichkeit!
Der kleine Herr Maus und ich mussten dann sogar noch zehn Minuten warten, bis der Ähämann mit dem Fräulein Maus von der Turnhalle gefahren kam und uns wieder einsammelte. Dann mussten wir noch in die einzige bis 23 Uhr geöffnete Apotheke im Stadtzentrum fahren; die erste Portion Antibiotikum flösste ich dem kleinen Herrn Maus noch dort ein. Zu Hause fiel er gleich ins Bett, schlief die ganze Nacht durch und wachte früh schmerzfrei auf.
(Hab‘ ich eigentlich schon mal gesagt, dass das finnische Gesundheitssystem gar nicht so schlecht ist wie sein Ruf?!)