Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku


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Nur echt mit Stempel

Inzwischen sind vier von fünf deutschen Pässen der Familie Maus abgelaufen. Vielleicht doch Zeit, mal wieder meiner Lieblingsinstitution einen Besuch abzustatten.

So wir denn überhaupt jemals einen Termin für vier Personen ergattern sollten, werden wir diesmal mit noch dickeren Aktenordnern anreisen müssen. Unter Anderem wird zum Nachweis der doppelten Staatsbürgerschaft unsere Einbürgerungsurkunde gewünscht.

Wir erinnern uns: wir erhielten damals eine SMS.


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Erstwähler

So ganz kurz rutschte uns schon das Herz in die Hose, als wir vor ein paar Wochen den Brief vom Justizministerium aus dem Briefkasten zogen. Was wollen die denn von uns?!

Man wollte uns nur zu unserem neuerworbenen Wahlrecht gratulieren und Infos über Sinn und Zweck und Ablauf der Präsidentenwahl schicken.

Der Zeitpunkt dieses Briefes – „Du erhältst demnächst per Post deine Wahlbenachrichtigung […]“ war allerdings ein wenig unglücklich, denn die Wahlbenachrichtigung war zu dem Zeitpunkt schon längst eingetroffen.

Unsere erste finnische Wahl – also die erste, an der man wirklich nur als finnischer Staatsbürger teilnehmen darf – war dann allerdings eher unspektakulär.

Statt mehreren hundert Kandidaten gab es ja diesmal nur acht, da fiel die Entscheidung leicht. (Die acht Kandidaten hatten übrigens die Nummern 2 bis 9 – man macht hier ja kein Kreuzchen, sondern schreibt eine Nummer in einen Kreis – weil die 1 eventuell implizieren würde, dass das der beste Kandidat sei, und die Wahl dadurch verfälscht werden könnte.)

Wahlkampf gab es so gut wie gar nicht, denn die Wahl schien sowieso schon vor der Wahl entschieden zu sein.

Und so kam es ja dann auch. (Hätte ich mir ein bisschen anders gewünscht, aber gut… mit dem Ergebnis kann ich leben.)

Nicht mal einen zweiten Wahlgang, wie normalerweise bei der Präsidentenwahl üblich, hat man uns Neuwählern gegönnt!


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Mein hübschestes Geburtstagsgeschenk

Mittwochvormittag gingen wir – natürlich in passender Kleidung! – zur Polizei zwecks Unterschriftenprobe und Fingerabdrucknahme für unsere finnischen Pässe.

Donnerstagvormittag piepten unsere Telefone und teilten uns mit, wir könnten fünf Sendungen  vom nächstgelegenen R-Kioski – einem kleinen (fast) 24/7-Laden – abholen. Unsere Pässe?! Nach einem Tag?!

Sie waren es tatsächlich.

Ich war fast ein bisschen traurig, als ich erfuhr, dass es zum Jubiläumsjahr neue Pässe geben wird – ich hatte mich doch so auf das Elch-Daumenkino gefreut…! Aber die neuen Pässe sind ja noch viel hübscher, als ich erwartet hatte: auf der ersten Seite ist ein Gedicht von Eino Leino und auf jeder Seite ist ein anderes Foto von einer finnischen Landschaft und auf der Plasteseite mit den Daten sind Schneekristalle eingeprägt und statt dem laufenden Elch gibt es jetzt unten in der Ecke einen fliegenden Schwan als Daumenkino.

(Da kann man jetzt ja mal den weinroten Bundesadler auf armeegrünem Grund danebenlegen…)


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Finnisierung, offizielle

„Blingling“, machte mein Telefon vorhin, als wir das Fräulein Maus vom Musiklager abgeholt hatten: „Dein Bescheid ist da. Logge dich ein, um ihn zu lesen. Viele Grüsse, Einwanderungsbehörde.“

(Die „paar Tage“ waren genau eine Stunde.)

[Finnisierung I, II, III, IV, V, VI, VII, VIII, VIIIa, IX, X, XI, XII, XIII, XIV, XV, XVI, XVII, XVIII, XIX, XX, XXI, XXII, XXIII, XXIV, XXV, XXVI, XXVII, XXVIII, XXIX, XXX, XXXI, XXXII, XXXIII, XXXIV, XXXV, XXXVI, XXXVII, XXXVIII, XXXIX, XL, XLI, XLII]


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Finnlandliebe, grosse

Das Fräulein Maus und ihre Harfe sind diese Woche auf einem Musiklager im Nachbarort.

Alle Teilnehmer, die nicht dort, sondern wie das Fräulein Maus zu Hause schlafen, sollten sich bitte schon bei der Anmeldung Essensmarken für alle Mahlzeiten, die sie dort essen wollten, bestellen. Das war ein bisschen schwierig zu entscheiden, weil zu dem Zeitpunkt noch keine Stundenpläne bekannt waren und sie vielleicht am Montag kein Mittagessen gebraucht hätte, weil es da erst mittags losgeht, oder vielleicht braucht sie eher keins am Sonntag, weil da zwar am Nachmittag Abschlusskonzert ist, aber der Vormittag vielleicht frei, und Abendbrot braucht sie eigentlich gar nicht, weil normalerweise vor um fünf Schluss ist, aber als ich sie gestern hinbringe, stellt sich raus, dass nach dem Abendbrot auch noch eine Orchesterprobe ist, ich ihr ja aber überhaupt kein Abendbrot bestellt habe, grosses Essensmarkendurcheinander jedenfalls. Ich darf die eine Essensmarke aber noch nachkaufen, und das Fräulein Maus bekommt sie zusammen mit ihren sechs Mittagessensmarken in einem – „Pass gut drauf auf!“ – Umschlag überreicht.

Als ich sie dann noch bis zum Eingang des Speisesaals begleite, steht da mutterseelenallein auf einem Stühlchen ein Körbchen für die Essensmarken. Zum Hineintun.

Und es würde niemand merken, nähme man sich stattdessen eine heraus. Oder ginge einfach ohne seine Essensmarke hineinzutun essen.

Aber das macht hierzulande ja niemand.

***

Nachdem wir das Fräulein Maus zum Musiklager gebracht haben, fahren die Herren Maus und ich aufs Erbeerfeld.

Der Erdbeermensch kommt uns gleich fröhlich winkend entgegen. „Darf man denn schon selber pflücken?“, frage ich. „Nee, noch nicht. Unsere Pflücker haben selbst gerade so genug zu tun.“ „Schade, aber dachte ich mir schon fast. Ab wann ungefähr wird man denn selber pflücken können?“ „Kann ich noch nicht sagen, ist ja alles so spät, dieses Jahr…“ „Ich frag‘ auch nur, weil wir nächste Woche in den Urlaub fahren und gerne vorher noch ein paar Erdbeeren pflücken wollten, aber…“ und ich komme gar nicht mehr dazu, den Satz mit „Ich würde dann eben auch einfach ein paar fertig gepflückte kaufen“ zu vollenden, denn der Erdbeermensch guckt die erwartungsvollen Herren Maus an, murmelt „Ach nächste Woche schon? Naja, da lässt sich vielleicht was einrichten…“ und weist uns ein paar Reihen „Rumba“ zum Pflücken zu.

***

Als wir wieder zu Hause sind, klingelt mein Telefon.

Als wir im März den Termin bei der Einwanderungsbehörde hatten, hatte der Ähämann vorher mehrmals überprüft, ob er auch alle Dokumente eingepackt hatte und mich mehrmals gefragt, ob ich mir sicher sei, dass an unserem Antrag jetzt alles eindeutig sei und wir wirklich nichts vergessen hatten auszufüllen. Ich war da sehr viel gelassener als vor jedem bisherigen Ausflug auf die deutsche Botschaft und versicherte dem Ähämann, die würden uns schon sagen, wenn wir noch was nachzureichen hätten oder irgendwas nicht eindeutig sei.

Am Telefon ist heute dann tatsächlich eine sehr nette und, das finde ich ja immer recht hilfreich, überaus deutlich sprechende Mitarbeiterin der Einwanderungsbehörde. Sie würde gerade unsere Anträge bearbeiten, und sie hätte zu meinem noch ein paar Fragen.

Unser jüngstes Kind zum Beispiel, das hätte gar keine Aufenthaltsgenehmigung, wie das denn käme? Das weiss ich leider auch nicht. Also nicht so genau. Nach der Geburt der beiden Grossen bekamen wir nämlich jeweils ein Schreiben, dass wir für sie eine Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen hätten. Ich weiss noch, dass ich, weil für den kleinen Herrn Maus kein solcher Brief kam, extra zur Polizei ging, und mir dort gesagt wurde, das sei nicht mehr nötig. Vielleicht hab‘ ich’s auch einfach falsch verstanden, es interessierte jedenfalls jahrelang niemanden. (Letztes Jahr fiel auch erst auf, dass der kleine Herr Maus hier überhaupt nicht als Deutscher registriert war. „Was machen wir denn da jetzt?!“, fragte ich ein wenig panisch. „Ach, da kommst du einfach mal mit seinem Pass vorbei, und dann tragen wir das nach, ist kein Ding!“, versicherte mir die nette Dame auf dem Maistraatti.) „Ja, also theoretisch braucht er schon eine Aufenthaltsgenehmigung, aber dann weiss ich ja jetzt bescheid, dass das keinen besonderen Grund hat, das reicht mir“, sagte die nette Mitarbeiterin der Einwanderungsbehörde.

„Jaaa, und dann ist mir noch aufgefallen, dass in deinem Pass Monika Karen, aber auf dem Antragsformular Karen Monika steht, ist das ein Fehler?“ „Nee“, sage ich lachend und erzähle ihr die ganze Geschichte und sie lacht auch und ich sage, darauf freue ich mich am meisten an einem finnischen Pass, dass da dann endlich mein richtiger Name drinstehen wird, „Aber echt mal!“, lacht sie zurück.

Und wo ich denn derzeit arbeiten würde, mein Arbeitsvertrag wäre ja befristet gewesen, und ob ich den letzten Zahlungsbescheid vom Arbeitslosengeld einfach nochmal an meinen Online-Antrag anhängen könnte, damit geklärt sei, wovon ich zur Zeit lebe.

„Mach‘ ich sofort!“, verspreche ich, und: „Was machen wir denn nun wegen der Aufenthaltsgenehmigung des kleinen Herrn Maus? Sollen wir die dann jetzt doch noch beantragen?“ „Ach Quatsch, das lohnt sich jetzt doch nicht mehr!“, sagt sie. Und dann frage ich noch, kurz bevor wir uns verabschieden, ob sie vielleicht so ungefähr schon sagen könne, wie lange es noch dauern würde mit unserem Antrag. Nicht mehr lange, sagt sie, ganz gewiss kein Jahr, niemals würde es für EU-Bürger so lange dauern! „Ach schön!“, sage ich, „Da wird es ja vielleicht doch was mit den Präsidentenwahlen im Januar!“ „Aber dicke“, sagt sie, „höchstens ein paar Tage dauert das noch!“


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Nägel mit Köpfen, Teil 2

„Warum hängen denn da schon wieder die ganzen Fotos, Mama?“, fragt der grosse Herr Maus heute im Auto. „Sind schon wieder Wahlen?“

„Jaaaha! Kuntavaalit!“, leiert das Fräulein Maus genervt eine Antwort, denn ihr ist am Dienstag schon das Gleiche aufgefallen und wir haben ausführlich darüber gesprochen. Auch darüber, dass wir auch als Ausländer bei den Kommunalwahlen wählen dürfen.

„Hast du dich schon entschieden, wen du wählst?“, fragt sie jetzt. „Nee, noch nicht,“ gebe ich zu, „aber ich muss jetzt wirklich mal anfangen, Kandidaten zu vergleichen!“

„Kinder dürfen doch nicht wählen, oder?“, fragt das Fräulein Maus weiter. Ich verneine. „Dann möchte ich, dass du jemanden wählst, der sich für die Umwelt einsetzt. Und für Flüchtlinge“, teilt sie mir mit.

„Ja, genau, das will ich auch!“, meldet sich der grosse Herr Maus von der anderen Seite der Rückbank zu Wort. „Für den Umweltschutz. Und dass die Flüchtlinge hierherkommen dürfen.“

Ich verspreche, so jemanden auszusuchen.

Damit wir auch bei den übernächsten Wahlen – nächstes Jahr wird der Präsident gewählt, übernächstes das Parlament – unsere Stimme abgeben dürfen, fahren wir jetzt aber erstmal – den Ähämann sammeln wir unterwegs ein – in den Nachbarort zur Einwanderungsbehörde.

Der erste Teil der Beantragung der finnischen Staatsbürgerschaft war ja denkbar einfach. Online-Antrag ausfüllen, online die erforderliche Gebühr überweisen, fertig.

Hinterher aber muss man sich noch persönlich ausweisen und die dem Online-Antrag beigefügten Dokumente – Sprachzertifikat und letzter Arbeitsvertrag, bei Kindern als Mitantragsteller noch die Einverständniserklärung des jeweils anderen Elternteils – im Original vorlegen. FrüherBis letztes Jahr machte man das noch einfach bei nächster Gelegenheit auf der nächsten Polizeidienststelle, neuerdings muss man dafür eine der landesweit neun Zweigstellen der Einwanderungsbehörde aufsuchen. (Unsere befindet sich glücklicherweise direkt am Stadtrand im Nachbarort, aber andere Leute müssen dafür neuerdings auch mal ein-, zweihundert Kilometer fahren.) Der nächste freie Termin dort – ebenfalls online gleich mit dem Antrag reservierbar – fand sich erst zwei Monate nach Antragstellung. Also heute.

Wir müssen – wie das hier so üblich ist – keine fünf Minuten warten, dafür müssen wir uns dann die nächste Dreiviertelstunde zu fünft in ein 1×2 Meter grosses Kabuff mit nur zwei Stühlen quetschen. (Gut, dass man bei der Terminreservierung angeben muss, wie viele Personen kommen…!) Die Herren Maus – der grosse Herr Maus auf dem Fussboden, der kleine Herr Maus auf dem Schoss der grossen Schwester – lesen brav die ganze Zeit in ihren mitgebrachten Büchern, das Fräulein Maus guckt interessiert zu und kommt dem in regelmässigen Abständen vom kleinen Herrn Maus geflüsterten Befehl „Kraul mich!“ nach. Und immerhin dauert das Ganze nur eine Dreiviertelstunde statt der für uns fünf veranschlagten anderthalb Stunden. Die Sachbearbeiterin studiert minutenlang jeweils einen Abschnitt unseres Antrags, stellt dann – vermutlich nach dem Zufallsprinzip – ab und zu mal eine Nachfrage: „Charlotte Monika ist deine Mutter?“, fragt sie mich, und: „Dein Vater ist auch Deutscher?“, fragt sie den Ähämann, dann guckt sie kurz über die drei benötigten Dokumente und ein bisschen länger in die Pässe und entlässt uns mit den Worten: „Das war’s. Der Bescheid kommt dann in ungefähr einem Jahr.“

Mal sehen, ob das noch was wird mit der finnischen Staatsbürgerschaft im Jubiläumsjahr…