Suomalainen Päiväkirja

Live aus Turku

Coronaklausur, Tag 8

11 Kommentare

Finnland hat 880 bestätigte Coronafälle.

Schule läuft. Fast so, als ob Schule wäre.

Früh punkt sieben treffen für die Kinder die Wilma-Nachrichten von ihren Lehrer*innen mit dem Tagesprogramm ein. Immer mit irgendeiner aufmunternden Nachricht: „Das kriegen wir gemeinsam schon hin!“ oder „Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du eine Frage zum Unterrichtstoff oder ein Problem mit einer Aufgabe hast!“ oder „Denk bei dem schönen Wetter dran, deine Pausen draussen zu verbringen!“

Um acht (die Oberstufenschülerin) bzw. um neun (die beiden Unterstufenschüler) verschwinden sie in ihren Zimmern, und ich sitze auf einmal wieder ganz allein am Esstisch, während ich am Nachmittagsprogramm für den Fernhort bastle. Ab und zu hört man sie durch geschlossene Türen in ihre iPads oder Telefone oder Laptops murmeln und ihre Lehrerinnen antworten, oder dass sie sich gerade ein Lernvideo angucken oder sich der kleine Herr Maus das nächste Englischkapitel von der Arttu-App vorlesen lässt, und in regelmässigen Abständen bimmelt mein Telefon und zeigt mir an, dass einer der Herren Maus wieder eine fertige Aufgabe bei SeeSaw hochgeladen hat oder seine Lehrerin das kommentiert hat.

Ich bin sehr dankbar für diese strukturierten Tage, dank denen ich kein Kind immer wieder dazu anhalten muss, jetzt vielleicht dann doch endlich mal mit seinen Aufgaben anzufangen oder sie in einer vernünftigen Zeit durchzuziehen. Dankbar dafür, dass niemand von uns Eltern erwartet, den eigentlichen Unterricht abzuhalten, sondern nur, dass wir unterstützend und motivierend zur Seite stehen. Und besonders dankbar bin ich dafür, dass in finnischen Schulen Lernen lernen von Anfang an das allerwichtigste Lernziel ist. Ich glaube, gerade das hilft jetzt ungemein.

Mittwochs hat das Fräulein Maus drei Stunden Hauswirtschaft. Genau wie in der Schule machten sie die erste Stunde Theorie – per Videokonferenz – und dann sollten sie ein Mittagessen ihrer Wahl kochen. Der Ähämann freute sich, dass er heute mal nicht in der Pflicht war, und das Fräulein Maus bereitete uns Ofenkartoffeln, Fischstäbchen und Salat. (Sie musste alle Schritte mit Fotos dokumentieren und hinterher einreichen.)

Der kleine Herr Maus bekommt auch jeden Tag drei kleine Haushaltsaufgaben von seiner Lehrerin, von denen er sich eine raussuchen und in der Mittagspause erledigen soll. Sowas wie „alle Türklinken abwischen“ oder „dein Zimmer aufräumen“ oder „den Geschirrspüler ausräumen“. Heute stand unter Anderem „bei der Wäsche helfen“ zur Auswahl, und wir haben kurzerhand, denn es war bestes Handtuchwetter, die Draussentrockensaison eröffnet. Ich habe ihm die Kinderleine gespannt, und er hat alle Stofftaschentücher und -servietten der letzten zwei Wochen ganz allein aufgehängt.

Für den Nachmittag hatte ich ihm versprochen, mit ihm mit dem Rad einmal rund um den See zu fahren. Um den See zu wandern ist deutlich schöner, weil die Radwege eher durch Industriegebiete führen als am See entlang, aber schön war’s trotzdem. Rast machten wir auf einem Vogelturm, auf den man mit dem Fahrrad hochfahren kann. Hihi.

11 Kommentare zu “Coronaklausur, Tag 8

  1. Ihr scheint ja echt das Beste draus zu machen :-). Toll, dass das mit der Schule so gut klappt!! Und auch die Harfenstunde via Skype klingt ja prima.
    Hier waren es heute 11°C. PLUS!!! Ich bin völlig verwirrt….

    • Also unsere gestrigen 8°C bei 8m/s Wind fühlten sich schon irgendwie noch recht kalt an… Aber die Krokusse blühen, und ich muss mich die ganze Zeit zwicken, weil ja eigentlich noch Schnee liegen sollte!

      Und ja, ansonsten können wir uns nicht beklagen. :-)

  2. In der Schweiz, einem der reichsten Länder der Welt, läuft das mit der Schule leider ganz anders. Homeschooling ist hier kein Fernunterricht, sondern wird beinahe vollständig in die Kontrolle der Eltern übergeben und hängt in der Durchführung auch nahezu vollständig vom Einsatz der Eltern ab. Für Kinder von Eltern mit systemrelevanten Berufen gibt es eine Notbetreuung (besser Notverwaltung) in den Schulen.

    Alle waren hier derart überrascht, dass die Schulen so plötzlich geschlossen wurden. Manche Lehrer haben über eine Woche benötigt, sich an der Aufgabenstellung für die Kinder zu Hause zu beteiligen. Die anderen waren mehr oder weniger erfolgreich dabei, den Eltern durch zahllose Emails und unabgestimmte und teils völlig unrealistische Lernpläne den Überblick und den Kindern den letzten Motivationsrest zu nehmen. Ab der 5. Klasse haben die Kinder hier ein Schultablet. Ansonsten befinden sich die meisten Schulen noch in der informationstechnologischen Steinzeit. Theoretisch gibt es Unterrichts-Apps, die bislang jedoch kaum genutzt wurden und nun heillos überlastet sind. Links führen ins Nirvana, Anhänge können nicht geöffnet werden, wenn doch, dann lassen sie sich nicht drucken, etc. Jedes Klassenteam beginnt nun, unkonzertiert und auf diesem Steinzeitniveau das informationstechnologische Rad neu zu erfinden – und dies, wo jetzt hunderte von Lehrprofis im gesamten Land keinen Anwesenheitsunterricht mehr halten können und so eigentlich phantastische Gestaltungsmöglichkeiten hätten (sofern sie sich nicht selbst im Homeschooling der eigenen Kinder wiederfinden).

    Ich gebe zu, dass das Heimbeschulen für Nichtlehrer und 2 Eltern in systemrelevanten Berufen äußerst anspruchsvoll ist (v.a. zeitlich). Die Aussage einer Lehrperson, man könne jetzt nicht durch einen strukturierten Lehrplan für den Heimunterricht, die Kinder von Eltern begünstigen, die einen Heimunterricht gewährleisten können, hat mich nachhaltig entsetzt. Am Ende der Coronapandemie wären dann schließlich die Unterschiede zwischen den lernstarken und -schwachen Kindern viel zu groß. Es ist daher also nur folgerichtig, dass inzwischen diskutiert wird, ganze Jahrgänge einfach die Klasse wiederholen zu lassen.

    Selbstverständlich ist dies nur der Eindruck einer Familie, deren Kinder in die 3. und 5. Klasse einer einzigen Schule gehen. Der Eindruck muss also nicht die allgemeine Situation in der Schweiz widerspiegeln…

    • Ja, so oder so ähnlich habe ich das in den letzten Tagen auch oft aus Deutschland gehört. :-(

      In Finnland läuft es natürlich auch nicht überall gleich: der Lehrer der Tochter der liebsten Freundin in Mittelfinnland z.B. weigert sich im Jahr 2020 und sogar jetzt in Zeiten von Fernunterricht immer noch hartnäckig, Wilma zu benutzen. (Ich dachte, das geht gar nicht. Also Sich-Weigern.) Aber ich persönlich halte ihn für die regelbestätigende Ausnahme. ;-)

      Hier wird übrigens sehr deutlich unterschieden zwischen kotiopetus, also Homeschooling (was man hätte machen können, bevor die Schulen offiziell geschlossen wurden), und etäopetus, also Fernunterricht (der jetzt gerade stattfindet und wirklich weit von Homeschooling entfernt ist, ausser dass er eben räumlich zu Hause stattfindet).

  3. Dann hier also der Bericht aus Deutschland:
    Kind groß besucht eine Berufsfachschule (in Jena!). Hat am letzten Schultag ein paar größere Aufgaben erhalten. Danach noch für ein Fach per Mail. Arbeitspensum reicht schätzungsweise für eine gute Woche statt für drei. Arbeitsergebnisse müssen vorläufig nicht an die Lehrer zurückgemeldet werden. Naja.

    Kind mittel besucht wegen geistiger Behinderung ein Förderzentrum. Aufgaben werden wöchentlich per Mail geschickt. Ergebnisse werden freitags von mir an die Lehrerin gemailt, werden dann durch die Lehrerin kommentiert. Lernen zu Hause braucht viel Unterstützung durch mich, liegt aber an der Behinderung. Außerdem müssen im Haushalt erledigte Arbeiten dokumentiert und durch mich „bewertet“ und dann per Mail an die Lehrerin gemeldet werden. Ist für mich so ok.

    Kind klein besucht ein privates Gymnasium. Dort wird mit einer Cloud gearbeitet, in die täglich nach Stundenplan neue Aufgaben eingestellt werden. Diese Aufgaben sollen in der laut Stundenplan zur Verfügung stehenden Zeit gelöst werden. Einzelne, täglich wechselnde Schüler werden aufgefordert, ihre Ergebnisse an den Fachlehrer zu senden. Lösungsblätter gibt es manchmal, natürlich frühestens am Folgetag. Hilfeanforderung beim Lehrer per Mail ist möglich, funktioniert aber schlecht, da die Lehrer angeblich nicht so viele Mails bearbeiten können. Außerdem kommen von Schulleitung und Klassenlehrerin alle paar Tage Rundmails zum Stand des Lernens, zu auftretenden Problemen und Lösungsmöglichkeiten. Kind löst seine Aufgaben selbständig, eventuell mit Hilfe von Klassenkameraden. Ist aber eine sehr gute Schülerin, braucht sowieso selten Hilfe. Diese Vorgehensweise beim Lernen zu Hause ist für mich absolut in Ordnung. Die Schule war vorbereitet, die Cloud installiert. Wissenszuwachs ist vorhanden. Videounterricht würde hier mangels vernünftigem Internetanschluss sowieso nicht funktionieren (Ostthüringer Provinz).

    So also bei uns…

  4. Noch ein Bericht ohne Privatschule:) aus Deutschland:
    Kind 1. hat in 3,5 Wochen seine 1. Abiprüfung. Alle Absprachen, Lernhinweise etc. fürs Abi sind jetzt komplett weggefallen. Onlinelehrmöglichkeiten gibt es nicht. Keine Cloud, kein Onlinelehrprogramm. iPads für die Schüler gibt es eh nicht, die Digitalisierung der Schulen in NRW war schon vor der Krise so weit entfernt wie der Mond. Rückfragen an die Lehrer zwecks Überlastung so gut wie unmöglich. Ein Lehrer hat jetzt für ein Fach eine Besprechung des Abis per Skype eingerichtet. Andere Lehrer scheinen das nicht zu können oder zu wollen. Viele Lehrer haben von Sykpe etc.. keinen Plan…Ansonsten sind die Schüler auf sich alleine gestellt. Die Noten der Abivorklausuren bekommt man nur auf extra Nachfrage per Mail. Schließlich gilt der Datenschutz auch in Krisenzeiten als heilig. Eine Senden der kompletten Arbeit ist aus technischen Gründen nicht möglich. Wofür sollte man auch wissen, wo die Fehler lagen…
    Kind 2. ist in der 10. Klasse gleiches Gymnasium. Ebenfalls keine Möglichkeit des Onlinelernens. Die Lehrer schicken so viele Mails mit Aufgaben täglich, das man leicht den Überblick verlieren kann. Dazu scheinen keinerlei Absprachen der Lehrer untereinander zu erfolgen, wer wann was von den Schülern fordert. Dadurch kommt es zu diversen täglichen Überschneidungen, was die Abgabe von Aufgaben betrifft. Die Überforderung rückt täglich näher. Das Kind freut sich jetzt schon darauf, endlich wieder in die Schule zu dürfen, weil das wesentlich stressfreier sei. Dazu müssen die Wahlen der Abifächer jetzt stattfinden. Ist leider vom Prinzip schon kompliziert. Ohne Möglichkeit der persönlichen Besprechung mit dem zuständigen Lehrer gestaltet es sich natürlich noch viel komplizierter.
    Ich habe Euch in Finnland schon immer wegen diversen Gegebenheiten beneidet. Aktuell seh ich noch viel wehmütiger nach Finnland…

  5. Und nochmal Deutschland:
    Meine Tochter besucht eine Förderschule und hat kaum schriftliches Lernmaterial (von Lehrbüchern ganz zu schweigen). Die Schule ist zwar komplett mit Smartboards statt Tafeln in allen Klassenzimmern ausgerüstet, ansonsten ist Digitalisierung aber eher ein Fremdwort. Obendrein sind wir direkt aus den Ferien ins Homeschooling gestartet – da ließ sich also auch nichts irgendwie vorbereiten.

    Immerhin: Die Klassenlehrerin gibt sich Mühe, wir haben etliche Arbeitsblätter per Mail bekommen und in dieser zweiten Woche daheim gab es zweimal das Angebot eines Klassenvideochats. Ansonsten dürfen allerdings die Eltern sehen, wie sie die Kinder zum Lernen motivieren. Und außer Deutsch und Mathe findet sich relativ wenig in den Mails. Ein bisschen Hauswirtschaft, Sachkunde und Natur machen wir jetzt in Eigenregie. Bei Englisch gibt es die Anweisung, bitte NICHT im Arbeitsbuch (was seit ca. 2 Monaten genutzt wird und samt CD auch daheim ist) weiter zu arbeiten, sondern Aufgaben auf per Mail geschickten Blättern zu machen. Die zweite Seite beginnt mit: „Höre gut zu und beantworte die Fragen …“ CD oder Audiodatei liegt allerdings nicht vor. Tja. Alles nicht so einfach.

    • Das ist ja auch eins der Dinge, die mich am hiesigen Fernunterricht so beeindrucken: es wird nicht nur das Wichtigste – was soll das überhaupt sein?! – weiter unterrichtet, sondern ganz klar geht es auch weiter mit Sport, Kunst, Musik, Hauswirtschaft. <3

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