Freitags habe ich in diesen Wochen frei.
Es ist nämlich so, dass die Mühlen der deutschen Bürokratie auch in Finnland sehr langsam mahlen und ich deshalb gerade keinen Arbeitsvertrag habe und nur aushelfe im Hort.
Aber Frei-tage sind ja auch sehr schön und haben bei uns schon eine lange Tradition.
Nur, während wir den letzten Frei-tag(nachmittag) für einen mehrstündigen Schwimmhallenbesuch nutzen konnten, verbringe ich diesen Frei-tag mit zwei kranken Kindern zu Hause.
Ausserdem habe ich Hausaufgaben und vertiefe mich den ganzen Nachmittag lang in den finnischen Lehrplan. Der finnische Lehrplan ist ein 473 Seiten dickes Werk, in dem nicht nur sämtliche Unterrichtsinhalte für die Klassen 1 bis 9 festgeschrieben sind, sondern auch das Recht der Schüler auf individuelle Förderung und Forderung und positive Lernerfahrungen, auf Hilfe und Unterstützung, wenn sie nötig ist, auf Pausen, auf kostenlose Lernmittel und ein kostenloses Mittagessen, auf eine sichere und gesunde Lernumgebung, auf physische und psychische Gesundheitsvorsorge, auf Achtung ihrer Kultur und Muttersprache, auf Wertschätzung und Gleichbehandlung und darauf, nur an ihrem individuellen Lernerfolg gemessen zu werden und nicht an dem anderer Schüler. Ich habe Herzchenaugen beim Lesen; auch deswegen, weil ich an unseren drei Schulkindern erlebe, dass das alles nicht nur hohle Worte sind.
Das Fräulein Maus leistet mir am Esstisch Gesellschaft mit ihrer Religionshausaufgabe – etwas über eine Kirche und einen Altar in Finnland sowie eine Kirche und einen Altar irgendwo anders auf der Welt – und wegen des zweiten Teils helfe ich ihr ein bisschen beim Recherchieren über die Dresdner Frauenkirche (ihr Vorschlag) und den Annaberger Bergaltar (mein Vorschlag, von ihr begeistert angenommen). Heimatkunde.
Der Frei-tagabend endet mit einem Kicherkrampf des grossen Herrn Maus; der ist dann wohl wieder gesund.
Und nächsten Freitag stehe ich dann hoffentlich – denn das ist zumindest der Plan – schon offiziell bei der Deutschen Gemeinde in Lohn und Brot.
Montag, 12. März 2018 um 10:25
Willst du denn noch auf Lehrerin umschulen, wenn du den Lehrplan studierst? :-)
Und ist der Lehrplan eigentlich für ganz Finnalnd verbindlich? Bei uns (wo ja jeder gefühlt seinen eigenen Plan aufstellen kann) ändern sich die Lehrpläne schneller als die Anzahl der Platzbestellungen in einem Restaurant … und ich finde, es geht tendenziell abwärts mit den Inhalten, aber alles ist immer ganz toll und modern und muss immer weiter verschlimmbessert werden.
Am Frei-tag las ich eine schöne Wortgruppe: intellektuell barrierefreier Unterricht. Sehr treffend. Es macht einen nur wahnsinnig, wenn man es selbst anders erlebt hat.
Dienstag, 13. März 2018 um 08:21
Ich mache derzeit eine Ausbildung zur Horterzieherin; das gibt’s hier aber nicht einzeln, sondern ich erwerbe damit gleichzeitig die Berechtigung, als Assistenzlehrerin zu arbeiten.
Und genau, es gibt EINEN verbindlichen Lehrplan für ganz Finnland. Die Gemeinden können ihn zwar in vorgegebenem Rahmen an ihre Bedürfnisse anpassen, auch jede Schule darf das (das betrifft dann hauptsächlich Schulen mit einem speziellen Schwerpunkt, z.B. Musik- oder Sprachklassen), aber so ein Kuddelmuddel wie in Deutschland gibt es nicht.
Ich hatte ja die Schnapsidee, für die Hausaufgabe mal eben den finnischen Lehrplan mit einem deutschen zu vergleichen, aber es gibt ja nicht mal so etwas wie einen bundeslandbezogenen Grundschullehrplan, sondern nur fachbezogene („Lehrplan für das Fach Deutsch an sächsischen Grundschulen“).