Heute ärgere ich mich, dass ich – mangels entsprechender Staatsbürgerschaft – bei den Parlamentswahlen am Sonntag nicht wählen darf.
Nicht nur, dass ich gern eine Stimme hätte, wenn es um die Geschicke des Landes geht, in dem ich lebe und in dem meine Kinder aufwachsen.
Nicht nur, dass ich den Analphabeten von den Wahren Finnen, die als einzige immer wieder Wahlwerbung in unseren Briefkasten schmeissen, über dem gross und deutlich und in Landessprache “Bitte keine Werbung einwerfen!” steht, gerne wenigstens meine eine kleine Stimme entgegensetzen würde.
Nicht nur, dass mir sogar das Aussuchen eines passenden Kandidaten eine willkommene Abwechslung vom Zahlenhinundherschieben wäre.
Es wäre vor allem… so… einfach.
Seit letzter Woche schon kann man vorwählen – nicht nur per Briefwahl, sondern auch in Supermärkten, auf Postämtern, in Bibliotheken. Bei uns in der Uni ringelten sich heute die Studenten mit ihren Wahlzetteln die Treppe hoch. Für die, die eigentlich zu einem anderen Wahlkreis gehören, lagen vor der Wahlkabine – denn in die Wahlkabine passt tatsächlich nur eine – die anderen 12 Kandidatenlisten aus. Nicht einmal in dem Ort, in dem man gemeldet ist, muss man zur Wahl gehen! Wer seine Wahlbenachrichtigung vergessen oder verschlampt hat, der braucht nur seinen Pass oder seinen Führerschein vorzeigen.
Wann habe ich in Deutschland jemals unter so wenig Aufwand und Aufhebens an einer Wahl teilgenommen?!
Mein besonderer Neid aber gilt allen Finnen im Ausland. Die dürfen nämlich einfach so – so haben auch die ehemalige Mitdoktorandin in Berlin, meine finnische “kleine Schwester” in Amsterdam und die Bekannte in Addis Abeba letzte Woche ihre Kreuzchen gemacht eine Zahl in einen Kreis geschrieben – auf den finnischen Botschaften und in finnischen Konsulaten vorwählen!
Ich habe nach einmaligem Versuch, im umgekehrten Fall das Gleiche zu tun – was mit Wochen dauerndem Briefwechsel und absurdem Formulareausfüllen verbunden war – aufgegeben. Ich habe schon seit 2005 nicht mehr für Deutschland gewählt. Und das liegt zum geringsten Teil an meinem inzwischen leicht geminderten Interesse an deutscher Politik.
Dienstag, 14. April 2015 um 15:43
Wahnsinn, wie einfach das in anderen Ländern geht, hier in Holland wird einem das Wählen auch sehr leicht gemacht. Nur darf ich ja nicht… Aber gut zu wissen, dass der Aufwand sich für Deutsche im Ausland nicht lohnt, dann brauche ich mich nicht mehr zu ärgern, dass ich mir nicht die Mühe mache, herauszufinden, wie ich für Deutschland wählen kann.
Mittwoch, 15. April 2015 um 08:35
Ich weiss nicht, ob das in den letzten zehn Jahren vielleicht ein bisschen einfacher geworden ist – aber den Infos nach zu urteilen, die wir bei der letzten Bundestagswahl vom Turkuer deutsch-finnischen Verein bekamen, hat sich da nicht viel geändert…
Dienstag, 14. April 2015 um 18:11
Ich lebe ja in dem Land, das von sich behauptet, die direkte Demokratie gewissermassen erfunden zu haben. Und ich schätze es sehr, dass ich bequem per Brief abstimmen oder wählen kann.
1 Monat vor der Abstimmung erhalte ich die Unterlagen, mit den Argumenten der Befürworter und der Gegner, mit der Empfehlung der Gemeinde/des Kantons/des Bundes (je nachdem, ob es sich um Gemeinde-, Kantons- oder Bundesvorlagen handelt).
Ich kann das also in Ruhe lesen, darüber nachdenken, weitere Informationen im Netz suchen, Talkshows dazu anschauen und ein paar Tage vor dem Abstimmungssonntag ausfüllen („Ja“ oder „nein“ bei Abstimmungen, oder Wahlzettel aussuchen, evtl. kumulieren oder panaschieren…), ins Couvert packen und in den Briefkasten werfen.
Unsere Gemeinde organisiert sogar einen grossen Workshop für alle Einwohner, die teilnehmen wollen, an dem über die Zukunftspläne für das Dorf gesprochen werden soll.
Mein Mann, der Nicht-Schweizer, und ich sind bereits angemeldet. Wenn schon mal ALLE mitreden dürfen :-)))
Dienstag, 14. April 2015 um 18:59
Ich habe neulich gelesen, dass man im Uk online wählen kann…ach, davon träumen wir in Deutschland wohl noch lang :( LG :)
Mittwoch, 15. April 2015 um 00:56
Echt, kann man jetzt? Ich krieg ja mal wieder nichts mit. Oder gilt das nicht für Schottland? Die Abstimmung über Scottish Independence haben wir verpasst, weil wir im Urlaub waren und die Unterlagen nicht rechtzeitig angekommen sind. Dabei haben sie extra auf dem Formular gefragt, bis wann man die Unterlagen braucht und wir haben extra ein paar Tage zu früh angegeben. Typisch. Nett gemeint, aber dann kriegen sie es doch nicht hin. Aber in unserem council war das Ergebnis eh so eindeutig, da hat es keinen Unterschied gemacht. Der Trick um in Deutschland zu wählen ist, sich nicht abzumelden. Inzwischen kann man sogar die Briefwahlunterlagen online anfordern, damit hat man tatsächlich eine Chance alles rechtzeitig in der Gegend rumzuschicken. Online wählen finde ich weniger lustig, ich glaube dass die Hacker immer besser sind als die Entwickler und das ganze nicht so sicher ist.
Mittwoch, 15. April 2015 um 08:42
Nicht aus Deutschland abmelden ist (war) aus vielerlei Gründen keine Option. Dann müssten wir ja weiterhin jeden Scheiss mit deutschen Behörden klären…. nee, nee, dann verzichte ich lieber auf Bundestagswahlen!
Mittwoch, 15. April 2015 um 15:16
Ich klaer da nicht viel mit deutschen Behoerden. Die wissen nicht mal, dass ich Kinder habe, weil die haben britische Paesse (wenn man ueber 5 Jahre in UK war kann man permanent resident werden und Kinder bekommen die Staatsbuergerschaft). Wenn wir irgendwann mal zurueckgehen, koennen sie immer noch deutsche Paesse bekommen. Aber soweit ich weiss wollt Ihr ja nicht mehr zurueck, wir hingegen eigentlich schon, da ist die Lage sowieso anders.
Mittwoch, 15. April 2015 um 15:25
Ich hätte z.B. keinen neuen Führerschein bei der finnischen Polizei beantragen dürfen (sondern hätte das in Deutschland machen müssen), wenn ich noch in Deutschland gemeldet gewesen wäre…
Donnerstag, 16. April 2015 um 10:09
Könnt ihr finnische Staatsangehörigkeit bekommen? Vor einigen Jahren hat man mir gesagt, dass ich, wenn ich kroatische haben will, die deutsche abgegeb muss. Ist das noch immer so? Ich habe letztens mal gesucht im Net, konnte aber so schnell nichts finden.
Dass Staastbürger im Ausland wählen dürfen, finde ich nicht so gut. Kroaten dürfen das nämlich auch. Sie leben 20, 30 Jahre in USA, Kanda, Neusseland und haben doch garnicht mehr so den Bezug zum Land. Vielleicht du, aber viele nicht mehr nach so langer Zeit.
Wegen Führerschein – nach 10 Jahren bin ich mit meinem alten F mal in eine Kontrolle gekommen. Da habe ich aber einen Anpfiff bekommen O) Ja, muss man nach 2 Jahren umschreiben lassen. War schön teuer und ich habe nur auf 5 Jahre bekommen, wegen Bluthochdruck….
Donnerstag, 16. April 2015 um 10:57
Ob doppelte Staatsbürgerschaft möglich ist oder nicht, hängt davon ab, was die Länder untereinander vereinbart haben. Deutsch-finnisch geht. (Und deswegen sollte ich mich auch endlich mal aufraffen.)
Dass man nach vielen Jahren gar nicht mehr den Bezug hat, das sehe ich auch so. Daher vielleicht auch die deutsche „Nur bis 25 Jahre nach Wegzug“-Regelung. Andererseits, die Staatsbürgerschaft bekommt man ja auch nicht entzogen – und ist damit nicht auch das Recht zu wählen verbunden? Vielleicht will man ja auch irgendwann in sein Geburtsland zurückkehren und es ist einem schon deshalb wichtig, dort noch eine Stimme zu haben? Und letztendlich ist es ja wohl doch nur ein kleiner Bruchteil der Bevölkerung, der im Ausland lebt UND dann auch noch wirklich wählen will…
Donnerstag, 16. April 2015 um 09:59
Haben deine Kinder denn nicht durch Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft? Die MUSS man ausserdem bis ca 9Monate nach Geburt beantragen, ansonsten kann sie abgelehnt werden.
Freitag, 17. April 2015 um 12:05
Blödsinn. Eltern können nicht durch Inaktivität die Staatsangehörigkeit ihrer Kinder verwirken (zumindest in D). Allerdings kann ich aus Erfahrung berichten, dass es nach über dreissig Jahren unlustig wird, die Staatsangehörigkeit nachzuweisen, weil man lauter alte Unterlagen zusammentragen muss („falls vorhanden bitte den Pass Ihres Vaters von 1982 vorlegen“.
Die Staatsangehörigkeit von anderen EU-Staaten, der Schweiz und Norwegen (plus ggf. weitere Staaten, aber z.B. nicht der Türkei) kann man annehmen, ohne die deutsche zu verlieren; das wurde in den letzten Jahren massiv gelockert.
@unerwünschte Wahlwerbung: In der Schweiz darf die hochoffiziell trotz Webung-unerwünscht-Aufklebern zugestellt werden, da gehört die Entsorgung dieser Sorte Altpapier zu den politischen Pflichten.
Freitag, 17. April 2015 um 20:11
Entschuldige bitte den Schwachsinn dann. Mir ist das so in der Botschaft gesagt worden. Die letzte Geburtsmeldung ist aber auch schon 8 Jahre her.
Mittwoch, 15. April 2015 um 19:49
Als Informatiker, die sich mit den Risiken solcher Technologie auskennen, wollen wir das auch gar nicht. Ist schon okay wie es ist, nur Briefkasten aus dem Ausland könnte echt einfacher sein. Ich habe schon seit inklusive Schröder nicht mehr Bundestag gewählt.
Mittwoch, 15. April 2015 um 19:50
Briefwahl, nicht -Kasten. Scheiß Technik aber auch immer.
Mittwoch, 15. April 2015 um 02:54
In England raffen die Ärzte con UKIP das mit der Werbung auch nicht, wenn man es nicht explizit dran schreibt. Vielleicht hilft eine Variante dieser Sticker?http://www.markthomasinfo.co.uk/section_store/default.asp
Das ich nicht wählen darf, ist für mich auch ätzend, ob es jetzt in Kalifornien war, oder hier in Norwegen. In den USA kommt noch dazu, dass die Wählen reine Augenwischerei sind, weil die wirkliche politische Macht bei den Leuten liegt, die es sich leisten können, Kongressabgeordnete zu kaufen… Was soll ich den deutschen Bundestag wählen, mit dem Land habe ich abgeschlossen.
Mittwoch, 15. April 2015 um 02:57
Autokorrektur macht aus Ärschen Ärzte, aber repariert es nicht, wenn man von mit C schreibt. Wofür ist sie dann gut? Grummel…
Mittwoch, 15. April 2015 um 08:40
Du bist wieder in Norwegen?! :-)
Der Aufkleber ist grossartig! Leider ist es jetzt dafür ein bisschen zu spät, aber vor der nächsten Wahl finnisiere ich den und klebe den an den Briefkasten. Das wird prima!!!
Mittwoch, 15. April 2015 um 19:54
Ja, ich habe es in den USA nicht mehr ertragen, hatte Heimweh. Ich wohne auf Husøy, einer kleinen Insel in Vestfold, Blick auf den Fjord, eigenes Häuschen Das ich mir mit der Katze teile. Immer zu mit dem Aufkleber. Am besten verkaufen, damit die anderen Finnen ihn auch aufkleben. Wenn du da Beratung brauchst, online Shop und so, helfe ich gerne.
Mittwoch, 15. April 2015 um 09:17
Der Herr S. von PS scheint nicht nur Analphabet zu sein sondern auch ein großes Alkoholproblem zu haben. :(
Mittwoch, 15. April 2015 um 11:46
Was ich bei der deutschen Briefwahl problematisch finde, ist die fehlende Kontrolle WER wirklich wählt. Ich bestelle den Wahlschein per Post nach Hause und theoretisch kann schon der Postbote den Umschlag stehlen und mit meiner gefälschten Unterschrift wählen oder meine Putzhilfe oder mein Göttergatte. Einmal sind bei uns bei der Kommunalwahl die Wahlunterlagen abhanden gekommen.
Mittwoch, 15. April 2015 um 13:06
Leicht ab vom Thema … ich darf als Deutsche in Deutschland wählen und das ziemlich komplikationslos.
Kompliziert wird es bei mir, wenn die Frage ansteht, wo ich mein Kreuzchen machen soll.
Da, wo ich es normalerweise, wenn auch immer zähneknirschender, setze, werde ich es bei den hier in Kürze anstehenden Kommunalwahlen auf keinen Fall hinschreiben. Zu grauenvoll die Politik in meiner geliebten Hansestadt, insbesondere was den Umgang mit Bildung und der Verschleuderung vom Geld angeht.
Es ist furchtbar…
Ansonsten kann man schon neidisch werden (wenn ich ein Neid-Gen besäße) angesichts der Vielzahl von Angelegenheiten, die sich in Finnland offenbar online klären lassen.
Ich brauche demnächst wieder mal eine Meldebestätigung und freu mich schon.
LG,
Britta
Mittwoch, 15. April 2015 um 13:12
Ich freu‘ mich auch schon – ich brauche im Juni einen neuen Pass…
Mittwoch, 15. April 2015 um 15:59
Rein interessehalber: Wie wird in Finnland dann sichergestellt, dass jemand nur einmal wählt? Wenn man auch in „fremden“ Wahllokalen und ohne Benachrichtigung wählen darf, geht das ja eigentlich nur über elektronischen Eintrag und Abfrage?!?
Mittwoch, 15. April 2015 um 16:00
Davon gehe ich aus.
Mittwoch, 15. April 2015 um 16:10
Es ist schon lange her, dass ich Finnland gewählt habe, aber damals musste ich zum Postamt und musste mich ausweisen, dann die Kabine und als mein Mann, neugierig wie er war, in die Kabine reinschauen wollte, wurde er sofort zurückgepfiffen. In Deutschland habe ich öfter beobachtet, dass man es zulässt, dass man jemanden mitnimmt und nicht nur in Fällen, wo wirklich ein Helfer nötig ist. Das zum Wahlgeheimnis.
Mittwoch, 15. April 2015 um 18:18
Ich lebe auch in der schönen Schweiz, bin aber weiterhin deutsche Staatsbürgerin. Es scheint für die Briefwahl wirklich auf die Gemeinde anzukommen, in der man vor seinem Wegzug aus D zuletzt gelebt hat. Bei mir haben die da Ahnung und sind echt unkompliziert. Ich gehe immer ca. 3 Monate vor der Wahl auf deren Website, lade mir das Antragsformular runter, fülle es aus und schicke es an eben diese Gemeinde. Wenn man länger als 5 Jahre weg aus D ist, darf man nur noch bei der Bundestagswahl mitmachen – Kommunalwahlen darf man dann nicht mehr beeinflussen. Finde ich auch recht sinnvoll. Vielleicht versuchst Du es noch einmal – ist ja die einzige Möglichkeit als Exildeutscher noch irgendwas zu wählen …
Donnerstag, 16. April 2015 um 08:49
Nöö, das ist mir den Aufwand nicht wert. (Also insbesondere das Ausfüllen dieser völlig bescheuerten Formulare.)
Und immerhin darf ich ja hier bei Kommunalwahlen wählen, und für die Europawahl durften wir uns bei der ersten, nachdem wir nach Finnland gezogen waren, entscheiden, ob wir für Finnland oder Deutschland wählen wollen, und jetzt bekommen wir automatisch immer die finnische Wahlbenachrichtigung für Europawahlen.
Und vielleicht hab‘ ich’s bis zur nächsten Parlaments- oder Präsidentenwahl dann auch mal auf die Reihe gekriegt mit der doppelten Staatsbürgerschaft…